Man kann das Pferd von hinten aufzäumen. Natürlich. Die Stadt Leipzig versucht es immer wieder. Das EU-Projekt "Creativ Cities", das sich nun schon wieder dem Ende zuneigt, ist ein Beispiel dafür. Die Abschlusskonferenz des EU-Projektes Creative Cities findet vom 28. bis 30. November 2012 in Leipzig statt - eingebettet ist die erste internationale Open Innovation Konferenz.
Unter dem Titel “Open Innovation in Creative Industries” sollen dann nationale und internationale Vertreter der Kreativwirtschaft, Unternehmen und Hochschulen sowie Vertreter der öffentlichen Verwaltung über offene Strategien im Innovationsmanagement und über die Chancen für die Kreativwirtschaft diskutieren.
Zu den englischsprachigen Diskussionen und Workshops im Mediencampus und im Neuen Rathaus werden rund 150 Teilnehmer erwartet. Eröffnet wird die Konferenz mit einer Key Note von Charles Landry. Erstaunlich, dass dieser Man überhaupt zugesagt hat.
Der renommierte britische Urbanist entwickelte das Konzept der Kreativen Stadt. Ein Konzept, mit dem sich Leipzig durchaus hätte beschäftigen können in den vergangen zwei Jahren. Denn Landry hat auch recht eindrucksvoll erkundet, wie Städte zu Kreativitäts-Motoren werden können. Und müssen. Er nannte die markanten Bausteine, die dazu gehören Kreativitätskreislauf (“The Cycle of Urban Creativity”).
Phase 1: Es werden die Grundlagen für neue Ideen geschaffen. Heißt im Klartext: Bildung. Allseitige Bildung. Kreativitätsentwicklung von Kindesbeinen an. Wenn die vorhandenen kreativen Potenziale in der Bevölkerung gestärkt, gebildet und befördert werden, kommen die kreativen Ideen ganz von allein.
Phase 2: Ideen verwirklichen. Denn weil die Ideen wirkungslos verpuffen, wenn sie nicht mit Strukturen untersetzt sind, muss man das kreative Potenzial nähren. Aus städtischer Sicht durch innovative Aufträge und Umsetzungsmöglichkeiten für Ideen. Eigentlich ein Thema der Wirtschaftsförderung.
Phase 3: Ideen verbreiten und Netzwerke aufbauen. – Auch das hat mit Strukturen zu tun. Es gibt zwar den Kreatives Leipzig e.V., aber auch der fühlte sich während des EU-Projektes eher als störendes fünftes Rad am Wagen. So wurde das Leipziger “Creative Cities”-Projekt über das Aufbauwerk Leipzig gesteuert. Entsprechend seltsam waren auch die Erwartungen der Stadt zu Beginn des Projekts: Man wollte ein besseres Wissen gewinnen über die Situation der Kreativwirtschaft in Leipzig (hat man bis heute nicht), man wollte “Stärken und Schwächen” erkunden, die lokale und internationale Vernetzung der Kreativwirtschaft beleuchten, lokale Projekte unterstützen und die Beschäftigung stärken.
Irgendwas wird schon im Abschlussbericht stehen. Aber es wird genauso diffus sein wie die Pläne, die Leipzig mit diesem Projekt hatte. Man lädt Landry ein – und weiß doch die ganze Zeit, dass man seinen Kreativkreislauf noch nicht einmal begriffen hat.
Phase 4 heißt nämlich: Handlungsmöglichkeiten bieten. Man schafft Kreativzentren, die den permanenten Austausch unter und mit Kreativen ermöglichen, die aber auch zentrale Hot Spots für Kreativarbeit sind. “Spinnerbude” nannte das Jörg Asshoff mal vor vielen, vielen Jahren in einem L-IZ-Interview. Genauer: vor sieben Jahren. Die “Spinnerbude” oder auch nur eine vergleichbare Einrichtung gibt es in Leipzig bis heute nicht.
Und dann – erst dann – kommt man zu Phase 5: Ideen veröffentlichen und vermarkten. In der Formulierung der Schader-Stiftung: “Ideen, engagierte Menschen, Talente und Produkte durch Netzwerke und Verteilerketten vermarkten und veröffentlichen.”
Erst dann kommt man zu solchen Späßen wie “open innovation” – wenn man Strukturen dafür geschaffen hat, die Akteure nicht um ihre Existenz fürchten müssen, weil städtische Aufträge eben auch in die Kreativszene der eigenen Stadt fließen, und wenn sie keine Angst haben müssen, dass ihre Ideen nicht missbraucht werden.
“Open innovation” versucht das Pferd von hinten aufzuzäumen, geht davon aus, dass kleine Unternehmen selbst nicht genug Ressourcen haben, ihre Ideen umsetzen zu können, dass sie dazu Partner brauchen und es dann mit diesen Partnern gemeinsam tun. Was die Bereitschaft voraussetzt, das eigene Knowhow weiterzugeben und sich für fremdes Knowhow zu öffnen.
Es ist letztendlich nur eine mögliche Kooperationsform. Die man umsetzen kann, wenn tragende Strukturen existieren. Sie ist aber nicht die Basis für tragende Strukturen.
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Ob das “mobile FabLab”, das zum Kongress aufgebaut wird, irgendetwas mit “open innovation” zu tun hat oder gar Gelegenheit gibt, “Open Innovation praktisch zu erleben”, darf bezweifelt werden. “Laser-Cutter, 3D-Drucker und verschiedene andere Geräte laden ein, professionelle Produktionsverfahren von der Idee bis zum Prototyp zu verfolgen und über die Möglichkeiten eines FabLabs ins Gespräch zu kommen”, teilt die Verwaltung dazu mit.
Das ist ein Thema für Produktdesigner – oder, wie es Wikipedia formuliert, eine “High-Tech-Werkstatt mit dem Ziel, Privatpersonen industrielle Produktionsverfahren für Einzelstücke zur Verfügung zu stellen.”
Dabei hat die Stadtverwaltung selbst in mittlerweile sieben Studien (die letzte gab’s 2010) festgestellt, dass man es im Cluster Kreativ- und Medienwirtschaft allein mit sieben verschiedenen Branchen zu tun hat: Informations- und Kommunikationstechnologie, Druck- und Verlagsgewerbe, Rundfunk und Film, Künste und Musik, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Architektur und Design sowie Messe und Dienstleistungen.
Die allerwenigsten der gezählten 4.400 Unternehmen mit ihren mehr als 44.000 Mitarbeitern brauchen so etwas wie ein FabLab. Und “Open Innovation” wird sie so sehr interessieren wie der Schnee vom letzten Winter, weil auch das nur eine Möglichkeit ganz, ganz am Ende der Arbeitskette ist, wenn man irgendwo in dieser Stadt bezahlbaren Arbeits- und Werkstattraum gefunden hat, wenn man die benötigten Geräte kreditiert bekam, wenn man Kunden akquiriert hat und Kredit- oder Fördergeldgeber …
Das Fazit nach drei Jahren “Creative Cities” wird nach drei Jahren so mau und ahnungslos sein wie die Ausgangsexpertise.
Mit Exkursionen in die Baumwollspinnerei und das Westwerk im Leipziger Westen endet die Konferenz am 30. November, teilen Kulturamt und Amt für Wirtschaftsförderung dann auch noch mit. Und unterstreichen endgültig, dass sie – obwohl sie die Zahlen haben – die Kreativwirtschaft in Leipzig nicht mal gefunden haben und dass sie Kreativität immer noch mit Kunstmachen gleichsetzen.
“Die Abschluss-Konferenz bringt Vertreter aller Projektpartner, Branchenvertreter der Kreativwirtschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik zusammen, um gemeinsam Bilanz zu ziehen, Erfahrungswerte auszutauschen und zukünftige Handlungsfelder abzustecken”, heißt es noch. “Die Open Innovation Konferenz wird unterstützt vom Bundesprogramm ‘Transnationale Zusammenarbeit’ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie zahlreichen Sponsoren.”
Da kann man sich dann aufs gesattelte Pferd setzen und losreiten. Das Pferd wird schon wissen, wo’s hin will.
www.open-innovation-conference.com
Der Kreativitätskreislauf auf der Website der Schader-Stiftung:
www.schader-stiftung.de/wohn_wandel/554.php
www.creativecitiesproject.eu
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