Auch die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) stellten in dieser Woche ihren Geschäftsbericht für 2011 vor. Zur Bilanzpressekonferenz der LVV am Montag, 11. Juni, zeigte sich LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg zu recht stolz, denn die Verkehrsbetriebe haben mit ihren Sparanstrengungen das gesetzte Klassenziel erreicht und nur noch 48 Millionen Euro aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV) in Anspruch genommen.
Im Vorjahr waren es noch 50 Millionen Euro. Die werden ja bekanntlich querfinanziert durch die Gewinne von Stadtwerken und Wasserwerken. Und so mancher Leipziger vergisst bei all den Millionen, um die in der Stadt immer wieder diskutiert wird, dass die Verkehrsbetriebe im vergangenen Jahrzehnt einmal mit Zuschüssen von über 60 Millionen Euro gestartet sind. Damals überstiegen die Zuschüsse noch bei Weitem die Fahrkartenerlöse, die erst im Lauf der Jahre, der steigenden Fahrgastzahlen – aber auch der steigenden Ticketpreise – erst über 50, dann über 60 Millionen Euro stiegen. Längst sind die LVB bei den Ticketerlösen bei über 70 Millionen Euro. 2011 waren es genau 73,8 Millionen Euro, rund 735.000 Euro mehr als 2010. Ein Plus. Aber auch ein Warnsignal.
Denn geplant waren ursprünglich Erlöse von über 76 Millionen Euro. Doch unübersehbar sind die Ticketpreise der LVB in den letzten Jahren deutlich stärker gewachsen als die Einkommen der Leipziger. Man kann zwar mit Marketing-Aktionen wie in diesem Frühjahr versuchen, Autofahrer zum Umsteigen auf die Straßenbahn zu gewinnen. Doch wenn die Ticketpreise steigen, bedeutet das auch für viele zum Sparen gezwungene ÖPNV-Nutzer, dass sie dann doch lieber auf noch preiswertere Verkehrsmittel umsteigen: ihre Fußsohlen oder das Fahrrad.
Zwar prangt auf dem Geschäftsbericht groß der Titel “Fokus 25”, womit das von der Stadt beschlossene Ziel gemeint ist, den Anteil des ÖPNV in Leipzig auf 25 Prozent aller Wege zu steigern. Aber 2008 – das ist der letzte von der Stadt vorgelegte Wert – kam der ÖPNV nur auf 18,8 Prozent. Eigentlich ist schon für 2015 das Ziel 22 Prozent. Doch mit weiteren Preissteigerungen ist das nächste Ziel nicht zu erreichen.
Das sind die 45 Millionen Euro, auf die die LVB ab 2012 ihre Erwartungen aus dem VLFV drücken wollen. Eigentlich sind sie dafür schon um zwei Jahre im Verzug. Denn die wichtigste Voraussetzung dafür war immer die Schaffung eines modernen Netzes mit einer zentralen Technischen Werkstatt in Heiterblick. Der Kampf um die benötigten Investitionszuschüsse des Freistaates hat sich zu einem Marathon über ein Jahrzehnt entwickelt. Erst im letzten Jahr gab es die nötige Beihilfe. Jetzt wird gebaut. Doch vor 2014 wird das neue Zentrum seine Wirkung nicht entfalten.
Man kann gespannt sein, ob die LVB das Ziel 45 Millionen schaffen. Denn auch bei anderen Posten im Plan sind die Grenzen erreicht. Bei den Gehältern zum Beispiel. 2011 konnte die Gesamtgehaltssumme der LVB-Mitarbeiter noch einmal von 40 auf 37 Millionen Euro gedrückt werden. Damit einher ging auch noch einmal ein Rückgang beim Personal von 938 auf 898. Aber man kann das Personal nicht wirklich mehr weiter reduzieren, wenn man einen reibungslosen Fahrbetrieb sichern will. Die Zahl der Fahrzeuge im Linienbetrieb kann man ebenfalls nicht reduzieren, wenn man mehr Fahrgäste gewinnen will. Denn das funktioniert nur, wenn gerade in den täglichen Druckzeiten – wenn alle zur Arbeit fahren oder von der Arbeit nach Hause – ein dichter Takt mit genügend Kapazität gewährleistet wird.
Negativ auf die Finanzlage wirken sich auch die Unterfinanzierungen der Verkehrsleistungen im Landkreis Leipzig aus, ebenso die Kürzungen im Schülerverkehr. Augenscheinlich hat jede staatliche Instanz derzeit den ÖPNV als idealen Kürzungsposten im Etat entdeckt. Es ist zwangsläufig, dass das irgendwann nicht mehr gepuffert werden kann. Denn der Geschäftsbericht der LVB zeigt auch deutlich, wie steigende Materialkosten nicht nur alle ihre Bau- und Reparaturprojekte verteuern, sondern auch das Fahren selbst. Allein der Fahrstromaufwand hat sich 2011 um 900.000 Euro verteuert – und das, obwohl man deutlich weniger Strom verfuhr als 2010.
Personalkosten. Strom- und Baukosten werden im Geschäftsbericht eindeutig als Risiko benannt. Man wolle jetzt zwar im Unternehmen noch einmal jeden einzelnen Posten noch einmal durchgehen, um die versprochenen 45 Millionen zu erreichen, versprach Ulf Middelberg am 11. Juni. Aber auf die Rohstoff- und Energiepreise haben die LVB keinen Einfluss. Da hilft nicht einmal Beten.
Denn auch an anderer Stelle hängen die LVB den eigenen Plänen ohne eigenes Verschulden hinterher: Da ist die Sanierung wichtiger Gleisstrecken. Aktuelles Beispiel die nördliche Karl-Liebknecht-Straße, in der seit Jahren im Schritttempo gefahren werden muss, weil das Gleisbett marode ist. Aber bei solchen Gleissanierungen sind die LVB genauso auf Förderung durch Bund oder Freistaat angewiesen wie beim Kauf neuer Straßenbahnen und Busse. Für das Anschaffungsprogramm moderner Niederflur-Straßenbahnen gibt es aktuell kein Anschluss-Programm.
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Aber nur mit flüssigem Verkehr auf gut ausgebauten Gleisstrecken – im Hauptnetz als Stadtbahn ausgebaut – und mit modernen, barrierefreien Fahrzeugen haben die LVB die Chance, ihre Zahl an Fahrgästen auf Kosten des Kfz-Verkehrs zu erhöhen. Da können zwar Werbeaktionen wie in diesem Frühjahr helfen. Doch genauso wie die Fahrpreiserlöse 2011 nur noch marginal stiegen, stieg auch die Zahl der registrierten Fahrgäste nur marginal – um magere 0,15 Prozent von 134,2 auf 134,4 Millionen.
Die jüngste Auswertung zum Kfz-Bestand in Leipzig im Quartalsbericht der Stadt zeigte, dass die Zuzügler nach Leipzig augenscheinlich mit dem Auto kommen und ihr Auto auch behalten, egal, wie die Parksituation im ihrem Wohnviertel aussieht. Sie werden nicht automatisch zu Fahrgästen der LVB.
Trotzdem schafften die Verkehrsbetriebe 2011 ein kleines Plus von rund 360.000 Euro, das sie an die Stadtholding LVV abführen konnten. Als Plus stehen sogar 14 Millionen in der Bilanz – aber diese Millionen sind der Buchgewinn aus drei Cross-Boarder-Leasing-Verträgen, die vor einem Jahr auf Wunsch der us-amerikanischen Vertragspartner aufgelöst wurden. Diese Millionen wurden in die Rücklagen eingestellt und sollen zur Finanzierung des Technischen Zentrums in Heiterblick dienen.
Dort hat man in diesem Frühjahr ja mit dem Bau der Zentralwerkstatt begonnen. Das ist freilich nur ein Teil des Bauprojektes. Denn Heiterblick soll ja auch zum großen “Parkplatz” für die neuen Straßenbahnen werden. Deswegen sind ab 2014 auch der Bau einer großen Abstellhalle und die Sanierung der verbliebenen Bestandsgebäude geplant. Und offen ist natürlich auch noch der Umbau des Straßenbahnhofs Dölitz, dem dritten Eckpfeiler des neuen Einsatzkonzeptes der Straßenbahn. Der erste Eckpfeiler war die Modernisierung des Straßenbahnhofs Angerbrücke. Und eigentlich waren die 45 Millionen Euro ursprünglich an die Umsetzung dieses Konzeptes gebunden, das sich nun – genauso wie die Erneuerung des Wagenparks – um etliche Jahre in die Zukunft verschoben hat.
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