Dr. Tobias Peter schilderte es in seiner Rede kurz, was vielen Mieterinnen und Mietern in Leipzig mittlerweile passiert. Sie bekommen ungerechtfertigte Mieterhöhungen, manche werden gekündigt, weil neue Besitzer auf einmal „Eigenbedarf“ anmelden, die nächsten erleben, wie nach dem Besitzerwechsel Gas und Wasser abgeklemmt werden, weil die Mieter aus dem Haus gedrängt werden sollen. Und viele stehen auf einmal vor der Frage: An wen kann ich mich wenden? Wo bekomme ich schnellstens Rat und Unterstützung? Darauf zielte dann der Antrag der Grünen-Fraktion „Mieterlots*in einrichten – Mieter*innen schützen“, der am 12. Februar in die Ratsversammlung kam.

Das Problem am Ursprungsantrag war – und das machte dann der Verwaltungsstandpunkt auch sehr deutlich -, dass er Doppelstrukturen geschaffen hätte. Denn das Thema ist nicht neu. Die Fraktionen, die sich tatsächlich um die Sorgen und Nöte der Leipziger kümmern, haben es in den vergangenen Jahren immer wieder thematisiert und die Stadt auch aufgefordert, für alle diese zunehmenden Fälle Beratungsstrukturen zu schaffen.

Und die gibt es tatsächlich schon, erklärte das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung: „Ein Anliegen der Stadt ist es immer, niedrigschwellige Angebote zu schaffen. Im Sozialamt erhalten die Bürger/-innen durch fachlich versierte Mitarbeiter/-innen eine umfassende und alle mietrechtsbetreffenden Themen umfassende Beratung. Zu dieser gehört auch die Überleitung zu passenden Angeboten, wie beispielsweise dem Mieterverein Leipzig e. V.

Die tägliche Fallbearbeitung im Sozialamt zeigt, dass eine abteilungs- und ämterübergreifende Zusammenarbeit zu Gunsten der Bürger/-innen bereits jetzt besteht und funktioniert. Auch zu vielen Wohnungsvermieter/-innen besteht bereits ein guter Kontakt, sodass sich bei der Bearbeitung auftretende Fragen kurzfristig beantworten lassen und in vielen Fällen auch zwischen Eigentümer/-innen und Mieter/-innen vermittelt werden kann.

Sofern Mieter/-innen eine rechtliche Beratung wünschen, können sie außerdem mit Hilfe eines vom Amtsgericht Leipzig ausgestellten Beratungsscheins, eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Mietrecht aufsuchen und eine erste kostenfreie Beratung erhalten. Eine rechtliche Beratung würde ohnehin durch den/die vorgeschlagenen Lots/-in nicht vorgenommen werden dürfen. Das bei mietrechtlichen Streitigkeiten durchgeführte gerichtliche Verfahren würde durch den/die Mieterlots/-in nicht betreut. Seine koordinierende Funktion würde folglich obsolet. Analog verhielte es sich mit der Einrichtung von Lotsenstellen bei kommunalen Unternehmen.

Eine Lotsenfunktion ist darüber hinaus vergleichbar mit einer Verweisberatung. Eine solche Verweisberatung wird bereits aufgrund des Beschlusses VII-A-00942 Mieter/-innen unterstützen, Zentrale Informationsstelle einrichten vom 09.07.2020 durch die Stadt Leipzig gefördert und durch die Informationsstelle für Mieter/-innen beim Leipziger Erwerbslosenzentrum e. V. umgesetzt.“

Eine Website als Lotse

Wenn man das alles weiß, ist alles klar. Aber nicht nur für Tobias Peter ergibt sich dabei das bekannte Bild vom Laufen von Pontius zu Pilatus. Also schrieb die Grünen-Fraktion ihren Antrag neu.

„Wie im Verwaltungsstandpunkt ausgeführt, bestehen bereits vielfältige Beratungs- und Informationsangebote für Mieter/-innen. Gleichwohl ist eben diese Vielfalt mit einer Unübersichtlichkeit verbunden, der mit einer im Wesentlichen technischen Einrichtungen einer zentralen Informations- und Anlaufstelle nach dem One-Stop-Prinzip abgeholfen werden kann“, stellt die Grünen-Fraktion in ihrem Antrag fest.

„Dazu muss keine zusätzliche Stelle geschaffen werden, sondern es können flexibel im Rahmen der geplanten Wohnportal-Strukturen die bereits bestehenden Beratungsressourcen der Stadtverwaltung, insbesondere des Sozialamtes genutzt werden. Damit kann neben der unmittelbaren Anlaufberatung auch der Verweis auf bestehende Informations- und Beratungsangebote innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung gewährleistet werden.

Anliegen, die z. B. dem Bauordnungsamt zuzuordnen sind, können und sollen direkt an dieses weitergeleitet werden. Informationen hierzu sowie zu grundlegenden weiteren Informationen für Mieter/-innen sind in den Bürgerbüros auszugeben, um die Bekanntheit der Dienstleistungen und Rechte zu erhöhen. Hierzu eignen sich v.a. die An- und Ummeldungen des Wohnsitzes.“

Was es also braucht, ist ungefähr das, was der Stadtrat zuletzt 2023 beschlossen hat, was aber noch nicht umgesetzt wurde, wie die Verwaltungsstellungnahme feststellt: „Mit Beschluss VII-A-08650-NF-02 vom 13.12.2023 zur Einrichtung eines ‚Wohnportals‘ zur Stärkung digitaler Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten wird darüber hinaus an einer Verbesserung der Angebote für Mieter/-innen mit Blick auf mietrechtsrelevante Themen gearbeitet. Die parallel ins Verfahren gegebene Informationsvorlage VII-A-08650-NF-02-Ifo-01 hierzu gibt Auskunft darüber, welche Themen für die Darstellung aus Nutzerperspektive digital für die Leipzig-App aufbereitet werden.“

Das war damals übrigens auch von den Grünen beantragt worden.

Ereignisse wie in der Eisenbahnstraße 97 machen inzwischen mehr als deutlich, wie stark der Bedarf an Beratung gewachsen ist, seit der Wohnungsmarkt in Leipzig denkbar knapp geworden ist und Hauseigentümer ihre Macht rücksichtslos ausnutzen, um Mieter aus ihren Häusern zu verdrängen, wenn sie daraus Luxuswohnungen machen wollen.

Also konkretisierten die Grünen jetzt noch einmal, wie sie sich so eine zentrale Anlauffunktion vorstellen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt,
1. bis zum 2. Quartal 2025 eine zentrale Anlauffunktion (Website, Telefonnummer, E-Mail-Adresse) für Mieter/-innen einzurichten und im Rahmen der bestehenden Ressourcen zu bearbeiten, um den Zugang und den Verweis zu den bestehenden Information- und Beratungsangeboten sowie zuständigen Behörden und kommunalen Unternehmen zu erleichtern.
2. Informationen zur Anlauffunktion gemäß Punkt 1 sowie zu grundlegenden für Mieter/-innen relevanten Dienstleistungen, Regelungen und Rechten in den Bürgerbüros, insbesondere bei An- und Ummeldungen des Wohnsitzes auszugeben.“

Unterstützung gab es am 12. Februar auch von Dr. Elisa Gerbsch aus der Linksfraktion. Und Baubürgermeister Thomas Dienberg bestätigte: „Eine Bündelung ergibt Sinn.“

Sodass das im Grunde die zweite Beauftragung wurde, so ein zentrales Portal für alle Leipziger mit Mietproblemen zu schaffen. Denn die Ratsversammlung stimmte dem Grünen-Antrag mit 28:25 Stimmen bei neun Enthaltungen zu.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar