Am 22. Januar veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von kommunalen Verpackungssteuern. Mehrere Stadtratsfraktionen und der BUND Leipzig drängen auf deren Einführung in Leipzig. Kaum war die Entscheidung veröffentlicht, meldeten sich wieder die beiden Leipziger Kammerpräsidenten zu Wort und polterten gegen die Steuer – mit den alten, bekannten Argumenten.

Doch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Leipzig widerspricht Äußerungen der IHK Leipzig, wonach die Einführung einer Verpackungssteuer zu Wettbewerbsnachteilen für gastronomische Betriebe führe. Ein Blick nach Tübingen verrate, dass dem nicht so ist. Außerdem fordert die Fraktion mehr Verantwortungsbewusstsein von der IHK ein.

Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, hatte im gemeinsamen Statement von IHK und Handwerkskammer erklärt: „Die Einführung einer solchen Steuer bedeutet für die betroffenen Unternehmen Überregulierung ohne Mehrwert, weil nicht nur erhebliche zusätzliche Kosten damit verbunden sind, sondern auch administrativer Mehraufwand, der in keinem Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen steht.“

Womit er eigentlich schon andeutete, warum die Wegwerf-Mentalität in Deutschland so gut funktioniert: Sie bedient die Bequemlichkeit der Kunden und die damit etablierte Sorglosigkeit, dass das Wegwerfen der Einmal-Verpackungen ja eigentlich nichts kostet. Nur hat eine derartige Mentalität mit der Leipziger Zero-Waste-Strategie so überhaupt nichts zu tun.

Die Verpackungssteuer ist rechtmäßig

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. Mai 2023 die Rechtmäßigkeit der Tübinger Verpackungssteuer bestätigt, die bereits zum Januar 2022 in der baden-württembergischen Stadt eingeführt wurde. Dort, wie auch in Konstanz, werden Einwegbecher und -verpackungen mit 0,50 Euro pro Stück, Einwegbesteck mit 0,20 Euro besteuert. Wer Mehrweg benutzt, zahlt nur Pfand, das erstattet wird.

Mehrwegverpackungen werden damit für Verbraucher/-innen deutlich attraktiver. Zugleich fördert die Stadt die Anschaffung von Mehrwegsystemen und erforderliche Betriebsgeräte in der Gastronomie. Zuletzt hatte eine Franchisenehmerin einer weltweiten Fastfoodkette gegen die unterstellte Beschränkung seiner Berufsausübung geklagt. Der Beschluss bestätigt die Höherwertigkeit des Umweltschutzes. Weitere Städte wie Heidelberg und Freiburg haben ebenfalls Interesse nun eine solche Verpackungssteuer einzuführen.

„Mit einer Verpackungssteuer wird das Verursacherprinzip angewandt. Wer nicht-kreislauffähigen Müll verursacht, bezahlt dafür. Bisher wurden diese Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt“, stellt Nicole Schreyer, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion fest. „Zum einen in Form von Entsorgungskosten, für die alle Steuerzahler/-innen aufkommen, und zum anderen durch übermäßigen Ressourcenverbrauch für die Herstellung von Einwegverpackungen, der zulasten der Umwelt geht. Diese, auch finanzielle Ungerechtigkeit, wollen wir geraderücken.

Bislang haben Unternehmen und Verbraucher/-innen, die Einweg nutzen, auf Kosten aller gehandelt – natürlich, weil es bequem ist. Aber bequem bedeutet in diesem Fall eben Ressourcenverschwendung und hohe Entsorgungskosten.“

Die Grünen-Fraktion setze sich deshalb dafür ein, gastronomische Betriebe mittels eines Förderprogramms bei der Anschaffung des Mehrwegsystems als auch bei gegebenenfalls für das Mehrwegsystem anzuschaffenden (Gewerbe-)Geschirrspülern zu unterstützen.

Selbstverpflichtung bringt keinen Effekt

„Die Gefahr einer Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit sehen wir nicht“, merkt Nicole Schreyer an. „Tübingen hat die Steuer seit 2022 – und es hat keine Zunahme an Insolvenzen gegeben!“

Und dann geht sie auf den Gegenvorschlag in der Wortmeldung der beiden Kammerpräsidenten ein, der einmal mehr die bei deutschen Unternehmen so beliebte „Selbstverpflichtung“ in den Vordergrund rückt. „Gleichzeitig sehen die Kammern Kompromisspotenzial in der verstärkten Förderung von Pfand- und Mehrwegsystemen“, hieß es in der Meldung. „Projekte wie das Leipziger ‘Allerlei to go’ seien ein Beispiel dafür, wie Unternehmen gezielt unterstützt werden können, um nachhaltige Alternativen zu etablieren.“

Und Kristian Kirpal meinte: „Wir setzen uns dafür ein, dass solche Programme weiter ausgebaut und finanziell unterstützt werden, um eine langfristige und wirtschaftlich tragbare Lösung zur Reduzierung von Verpackungsmüll zu erreichen.“ Nur stößt die Freiwilligkeit auch in Leipzig an ihre Grenzen.

„Leider sehen wir, dass Freiwilligkeit bei der Mehrwegnutzung nicht ausreicht: Seit Einführung der Mehrwegangebotspflicht gibt es keine maßgebliche Verbesserung – auch weil sich die Ausgabestellen damit begnügen, zwar Mehrweggeschirr gesetzeskonform vorrätig zu haben, aber meist hinweislos zum Einweggeschirr greifen“, geht Nicole Schreyer auf das Problem der eingeübten Bequemlichkeit ein.

„So wird kaum mehr Mehrweg benutzt – weil weder die Kund/-innen noch die Betriebe ausreichend Anreize dazu haben. In Tübingen hingegen ist es inzwischen ganz normal, Mehrwegverpackungen zu nutzen, die Menschen haben sich daran gewöhnt! Das werden auch wir. Panik-Mache ist jetzt jedenfalls fehl am Platz. Wir wünschen uns ein konstruktives Arbeiten an Lösungen, statt auf ein ‚Weiter-wie-bisher‘ zu pochen. Die Verantwortung liegt dafür nicht nur bei den Verbraucher/-innen, sondern auch maßgeblich bei der Wirtschaft! Mehrweg muss die erste Wahl sein – dabei kann auch die IHK mithelfen.“

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