Für viele Menschen ist das Böllern zu Silvester eine Tradition und ein Ausdruck von Lebensfreude, für andere eine Belästigung mit Lärm, Gestank und Müll. Im Jahr 2024 fing die Böllerei, zumindest in Leipzig-Grünau, bereits Weihnachten an, also vor dem offiziellen Start des Verkaufs, und endete vorläufig in der Nacht vom ersten zum zweiten Januar. Es ist zu erwarten, dass es damit noch nicht zu Ende ist.
Es waren auch nicht die „normalen“ Böller, also die frei verkäuflichen, es waren Dinge im Einsatz, die an Bombeneinschläge erinnerten. Abgesehen von Toten und Verletzten, von Bränden und anderen Vorkommnissen in der Silvesternacht stellen sich Fragen nach der Fortführung dieses „Brauchtums“.
So hat die Berliner Gewerkschaft der Polizei eine Petition mit dem Titel „Bundesweites Böllerverbot, jetzt!“ gestartet und die Einleitung lässt schon aufhorchen: „Seit Jahren kommt die Debatte um ein Böllerverbot wenige Tage vor Silvester auf und erreicht dann am 1. Januar ihren Höhepunkt. Für den Rest des Jahres spricht kaum noch wer darüber.“
So ist es auch. Die Diskussion flammt in der Öffentlichkeit kurz vor Silvester auf und kurz nach Neujahr ist es wieder vorbei. Allerdings tun kommunale Vertretungen, wie der Stadtrat Leipzig, durchaus etwas. Beispielhaft seien hier die Anträge von 2020 und 2023 „Klare Grenzen für Silvesterfeuerwerk – Vorrang für Gesundheit, Natur und Sicherheit durchsetzen“ und „Silvesterfeuerwerk beschränken“ genannt.
Die Anträge blieben weitgehend erfolglos, da nach Auffassung der Stadtverwaltung eine gesetzliche Grundlage für eine allgemeine Einschränkung oder ein Verbot fehlt. So wurde der Auftrag erteilt, der Oberbürgermeister möge sich für eine solche starkmachen. Dazu heißt es dann im Verwaltungsstandpunkt zum Antrag von 2023: „Der Oberbürgermeister hat das Anliegen zuletzt im 2. und 3. Quartal 2023 in die Gremien des Deutschen Städtetages eingebracht.
Aus Sicht des Deutschen Städtetages benötigen die Städte Instrumente, um leichter und rechtssicherer Feuerwerksverbotszonen einrichten zu können. Geschützt werden müssen dabei auch Tierheime und Tierparks sowie Natur- und Landschaftsschutzgebiete.
Das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben vom 10.01.2024 jedoch zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Wahrnehmung weder in der Bevölkerung noch in den Ländern oder Parteien bisher eine klare Mehrheit für eine Erweiterung dieser Verbotsmöglichkeiten erkennbar ist. Der Deutsche Städtetag hat angekündigt, weiter mit Nachdruck eine Änderung der Sprengstoffverordnung einzufordern.“
Die Kommunen wollen es, der Deutsche Städtetag will es, was hindert die Bundespolitik?
Jetzt also die Petition der Polizeigewerkschaft – ob die von den Landes- und Bundespolitikern ernst genommen wird? Erinnern wir uns, dass dieselben oft auf Einzelmeinungen von Rainer Wendt und Manuel Ostermann, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft, reagiert haben. Auch Medien wie Bild und Welt waren oft und gern bereit, diese Meinungen, meist zu Migrationsthemen, unters Volk zu bringen.
Wir können nur hoffen.
Kommen wir aber zum anderen, dem Müllthema in Leipzig.
Leipzig will dem internationalen Zero-Waste-Cities-Netzwerk beitreten und hat dazu die entsprechende Zero-Waste-Konzeption erarbeitet. Das bedeutet, es soll weniger Abfall anfallen und mehr Ressourcen sollen der Wiederverwendung zugeführt werden. Erst im Dezember wurde vom Stadtrat beschlossen, dass bei Veranstaltungen der Stadt Leipzig kein Einweggeschirr mehr verwendet werden darf. Das alles ist positiv, es mindert das Müllaufkommen. Aber was machen einige Bürgerinnen und Bürger zu Silvester?
Die Bilder zeigen symbolisch den Silvester-Müll auf einem Spielplatz in Leipzig. Nicht nur Müll fiel an, es fielen auch Papierkörbe dem Vandalismus zum Opfer. Die müllverursachenden Menschen denken auch nicht daran, nach dem Verfliegen des Silvesterkaters diesen Müll einzusammeln und zu entsorgen, das bleibt den Kolleginnen und Kollegen der Stadtreinigung überlassen. Danke an diese fleißigen Menschen, es bleibt anzumerken, dass wir alle die Kosten dafür tragen. Genau so ist es mit den Kosten für die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei in der Silvesternacht.
Soll das ewig so weiter gehen?
Fazit: Es ist dringend eine bundesweite Regelung für die Böllerei erforderlich, wie es die Berliner Polizeigewerkschaft verlangt. Das allein reicht wahrscheinlich nicht, am Ende wird die Polizei mit der Kontrolle überfordert. Solange man ganzjährig im EU-Ausland Feuerwerkskörper und Böller, auch solche, die hier verboten sind, kaufen kann, wird sich nichts grundlegend ändern. Es braucht auch eine EU-Initiative. Am dringendsten braucht es aber gesunden Menschenverstand.
Es gibt 7 Kommentare
Da könnte ich gut mitgehen. Der Mittelweg müsste dann ausreichend Abschreckung bringen.
Problem scheint aber auch zu sein, dass sich der Staat offensichtlich mit vielen anderen Dingen beschäftigt, und keine Ressourcen oder auch Geld für eine adäquate Überwachung wichtiger Regeln verfügbar sind.
Parallel dazu erzeugt er neue Regeln, die alles nur noch komplizierter machen.
Vielleicht müsste man auch mal publizieren, was alles für Nachteile und Schäden durch Fehlverhalten entstehen.
Das Bewusstsein für solcherlei Dinge schärfen, die nicht ohne Grund einmal reglementiert wurden.
Der gesunde Menschenverstand müsste gefördert werden, da in der globalisierten Weltordnung vieles nicht mehr so einfach zu reglementieren ist, wie es mal mit vorhandenen Ländergrenzen war (die ich auch nicht mehr möchte).
EU-Regeln sind auch noch einmal ein Thema für sich…
Ich verstehe Sie ganz gut, weil es mir auch so geht zu großen Teilen. Aber wenn ich so überlege, da lag doch in den 90ern auch noch ewig der Silvestermüll in den Wohngebieten. Oder?
Und auch mit Polenböllern wurde angegeben. D-Böller oder Chinaböller waren noch so Begriffe.
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Zum Polizeistaat: Es muss zwischen “überall ein ABV” und “kaum Präsenz” doch einen Mittelweg geben. Eine Balance, bei der sich die meisten Leute wohlfühlen. Und wenn man auf sein Fehlverhalten mal angesprochen wird, dann ist halt die Frage wie man reagiert. Da würde ich dann tendenziell Veränderungen sehen in den letzten Jahren. Wenn man jemanden anspricht, dessen Fahrradlampe übel blendet, wird man schon mal beleidigt. Weiterradeln bei Rot… Da ist man schon mal das Arschloch. Ewiges Bohrhämmern im Haus auch in der Mittagspause… Naja.
Um zum Thema zurück zu kommen: ich würde mir da mehr Abschreckung wünschen. Es gab so oft schon den Blitzermarathon, warum nicht mal verdeckte Streifen laufen lassen und da ein paar Leute vor Gericht bringen, die schon Anfang Dezember böllern?
Die Gesetze dazu gibt es schon heute.
Nun, Sebastian, die meine Sicht ist sicher subjektiv.
Und vielleicht fällt das auch in die Verklärungstheorie “Früher war alles besser”.
Aber zumindest merke ich, dass mich das Nichteinhalten von Regeln unheimlich stört. Weil das ein aufgekündigter Konsens der Menschen miteinander ist, um respektvoll zusammen leben zu können.
Es ärgert mich, wenn andere Menschen in meiner Umgebung das vorsätzlich oder auch aus Rücksichtslosigkeit tun, wissend, dass das anderen gegenüber ein Affront ist. Wenn Ellenbogenmentalität ausgelebt wird.
Während Böllereien mit defekten Fingern sofort bestraft werden, ist es bei anderen “Vergehen” die Solidargemeinschaft, die das dann wieder auffangen soll. Auch bezahlen muss.
Mit Geld, Ärger, Wahrnehmung, Unzufriedenheit.
Und es erzeugt – Beispiel Tempolimit – sehr viel Unsicherheit, Angst, Gefahr bei vernünftigen Menschen.
Was es nicht sollte, wenn sich alle an die Regeln halten würden.
Das bezieht übrigens alle Menschen ein, auch jene, mit Hintergrund.
Und unsere Regeln gelten für alle. Darauf müssen sich die Menschen verlassen dürfen.
Was viel helfen würde.
Ich sehe darin einen großen Grund der Unzufriedenheit in der Bevölkerung, was sich ja auch im Wahlverhalten widerspiegelt. Hier sehe ich ein Symptom, was mir die Aktualität bescheinigt.
Das wiederum hieße nun, man muss mehr durchsetzen.
Mehr Aufpasser, mehr Polizei. Was wiederum viele “nervt”.
Schade.
Dass “Arme dazu gezwungen würden”, sehe und vertrete ich nicht.
Es ist ein Ergebnis der Akzeptanz, Toleranz, Bildung.
Hallo Christian,
Ich habe bisschen überlegt, und kann Ihre Wahrnehmung so nicht teilen. Zu allen Zeiten gab es große und kleine Gaunereien. Egal ob im Barbershop oder beim teutschen Kfz-Menschen. Probleme mit Müll am Waldrand gab es immer, mehr oder weniger, Probleme mit egoistischen Lärm im Mietshaus auch. Fahrraddiebstahl, Fahrkartenbetrug und ähnliches auch, neu ist nur, dass heute gelegentlich behauptet wird, dass die Armen dazu gezwungen würden.
Und wenn alle nur noch 130 fahren dürfen, dann werden die Schweizer zu Weihnachten rücksichtsvoller?
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Hallo cx,
> “klare Ansagen an das 12jährige Ich eines Jeden.”
Sowas wie Gesetze gegen das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion? Oder vorhandene Verordnungen über den Zeitraum für das Abbrennen von Feuerwerken? Was daran ist denn unklar?
Statt über die Verderbtheit der Menschheit zu räsonnieren, bitte gleich hier unterschreiben 😀 :
https://www.duh.de/mitmachen/boellerfreies-silvester
Manche Dinge benötigen nicht differenzierte Gesetze, sondern klare Ansagen an das 12jährige Ich eines Jeden.
Sebastian, dazu fällt mir etwas prinzipielles ein.
Richtig, es gibt für viele Dinge Gesetze, Regelungen, Vorschriften.
Wenn diese eingehalten würden, sähe es auf manchem Gebiet sehr viel entspannter aus.
In den letzten Jahren habe ich das Gefühl, es werden derlei Gesetze immer mehr missachtet.
Aus Respektlosigkeit, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Vollkaskodenken u.ä.
Eine Gruppe postuliert, man müsste die Gesetze verschärfen. Das passt aber nur zum Teil.
Sie haben aufgezeigt, dass es eben Regelungen gibt.
(Ein generelles Tempolimit von z.B. 130 halte ich im Übrigen für sinnvoll. Was ich über Weihnachten auf der Autobahn erlebt habe, hat mit rücksichtsvollem und umsichtigen Fahren nichts mehr zu tun. Hier fielen mir u.a. Pkw mit schweizerischem Kennzeichen auf.)
Eine andere Gruppe wiederum merkt dann zu Ihren Argumenten an, man benötige keinen Überwachungsstaat mit noch mehr Polizei, Regulierung u.ä., und man solle doch mal den Menschen vertrauen und mehr Verantwortung überlassen.
Was nun, wenn die Menschen die sich selbst gesteckten Regeln nicht mehr einhalten?
Oder fühlen sich die Menschen diesen Regelungen nicht mehr verbunden?
Es erinnert mich ein bißchen an die Begründung mit Rasern, Ampelrennen und Posern, um Forderungen nach stadtweitem Tempo 30 durchzusetzen. Rasen, Ampelrennen und Posen sind auch heute schon verboten, man müsste nur mehr Engagement zeigen um das auch durchzusetzen. Ein neues Tempolimit ist nicht dazu geeignet, die Leute in den Griff zu kriegen, die sich schon wenig um das heutige Limit scheren. Die wollen auch in Zukunft Posen.
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Ähnlich hier:
“Es waren auch nicht die „normalen“ Böller, also die frei verkäuflichen, es waren Dinge im Einsatz, die an Bombeneinschläge erinnerten.”
später:
“Es ist dringend eine bundesweite Regelung für die Böllerei erforderlich, wie es die Berliner Polizeigewerkschaft verlangt.”
Es gibt bereits bundesweite Regelungen für Böllerei!
Diejenigen, die seit vielen Wochen schon, ich meine ab etwa Oktober, durch einzelne nächtliche Kanonenschläge die Stadt nerven, begehen bereits Zuwiderhandlungen. Diejenigen, die Feuerwerke drei Tage vor Silvester abbrennen, begehen bereits heute Zuwiderhandlungen. Diejenigen, die Kugelbomben bauen, bei sich führen oder zünden (und nicht den nötigen Schein für F3/F4 besitzen), dienigen, die Raketen in Menschen lenken, oder die ihren Feuerwerksmüll auch am nächsten Tag nicht wegbringen, begeben sich meiner Meinung nach bereits heute in den Bereich der OWIs oder sogar Straftaten. Es fehlt ganz offensichtlich das Engagement und sicher auch die Mittel dies durchzusetzen. Was strengere Regelungen gegen das heute schon sanktionsfähige Verhalten bringen könnten, sehe ich nicht.
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“Abgesehen von Toten und Verletzten, von Bränden und anderen Vorkommnissen in der Silvesternacht stellen sich Fragen nach der Fortführung dieses „Brauchtums“.”
Naja, die Anführungszeichen sind hier eigentlich nur noch Makulatur. Schade, wenn “Brauchtum” für das verwendet wird, was die meisten Leute sich unter dem Brauch zu Silvester vorstellen, der sie beschwingt und das ein oder andere Auge wohl sogar zum Staunen bringt. Kanonenschläge und nächtlicher Terror sind es sicherlich nicht, was die Leute gegen neue Sanktionen (“die Mehrheit fehlt dazu”) stimmen lässt. Weil sie ja damit ihre Bräuche pflegen…