Wenn Wähler kein Gedächtnis haben und sich an die Vorgeschichte heutiger Krisen nicht mehr erinnern, dann bekommt das Land natürlich eine Politik, die nicht funktionieren kann. Und eine der größten Krisen, die in den letzten vier Jahren an Schärfe deutlich zugenommen hat, ist die Krise am Wohnungsmarkt. Und der Beginn dieser Krise liegt in einem Jahr, in dem die Deutschen in Ost und West eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren.

Es war das Jahr 1990, in dem die damalige CDU/CSU/FDP-Regierung den neoliberalen Wirtschaftskurs in allen Bereichen verschärfte. Dazu gehörte die Privatisierung von Bahn und Post genauso wie die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit.

Die damalige Kohl-Regierung nutzte einfach den Skandal um die dem DGB gehörende Wohnungsgesellschaft Neue Heimat, um in einem Abwasch auch gleich die Wohnungsgemeinnützigkeit abzuschaffen und damit allen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften genau jenen Vorteil zu nehmen, mit dem sich sozialer Wohnungsbau auf dem Markt durchsetzen konnte.

Man kann an dieser Stelle zumindest anmerken, dass die gerade von konservativen Medien immer wieder heftig angegriffene „Ampel“ diese Wohnungsgemeinnützigkeit nach Jahren der Diskussion wieder eingeführt hat. Was natürlich die riesigen Verluste nicht wieder ausgleicht, die in der Zeit der Abschaffung dieser Gemeinnützigkeit entstanden sind.

Denn in der Zwischenzeit fielen Millionen einstiger Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung, manche Kommunen haben ihre sämtlichen Wohnungsbestände verkauft (beispielhaft Dresden), einstige soziale Wohnungen landeten im Portfolio von großen Wohnungskonzernen, die die Bestände nunmehr nur noch unter dem Aspekt von Rendite und Profit führten.

Mit dem Ergebnis, dass die Mieten erst in westdeutschen Großstädten aus dem Ruder liefen und sich viele Normalverdiener keine Wohnung mehr in der Großstadt leisten konnten. Doch dieses Phänomen hat längst auch den deutschen Osten erreicht. Und ausgerechnet in Sachsen steigen die Zahlen der Zwangsräumungen seitdem unerbittlich.

Platz 3 hinter Bremen und Sachsen-Anhalt

In Sachsen wurden im vergangenen Jahr 2.278 Wohnungen geräumt. Das geht aus einer Anfrage der sächsischen Bundestagsabgeordneten Caren Lay hervor. In der Rangliste der meisten Zwangsräumungen rangiert Sachsen damit hinter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen auf Rang vier, obwohl in Sachsen deutlich weniger Menschen leben. Im Verhältnis zur Bevölkerung werden nur in Bremen und Sachsen-Anhalt anteilig mehr Wohnungen zwangsgeräumt.

„Einmal mehr geht der unrühmliche Titel der meisten Zwangsräumungen Ostdeutschlands nach Sachsen. Immer mehr Menschen können ihre Miete nicht mehr zahlen und werden in Folge dessen zwangsgeräumt“, kommentiert Caren Lay diese Zahlen.

„Der selbsternannte Mietenkanzler Olaf Scholz hat es in seiner Amtszeit versäumt, Mieterinnen und Mieter besser zu schützen. Das bekommen viele Menschen in Sachsen schmerzhaft zu spüren. Auf Bundesebene braucht es einen wirksamen Kündigungsschutz sowie einen Mietendeckel, damit nicht noch mehr Menschen wegen ihrer Miete in existenzielle Nöte geraten.“

Ähnliche Zahlen erhielt ja schon im Frühjahr die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die damals schon darauf hinwies, dass vor allem die heftig steigenden Energiekosten viele sächsische Haushalte an den Rand der Zahlungsfähigkeit drängen würden.

Denn während die Mieten und die Mietnebenkosten permanent steigen, hängen viele Sachsen im niedrigen Einkommenssektor fest, ohne von den Tarifsteigerungen in den gewerkschaftlich organisierten Branchen zu profitieren. Sie sind die ersten, die dann nach Zahlungsversäumnissen mit Räumungsklagen konfrontiert sind.

„Viel zu lange wurde das Thema Zwangsräumungen von der sächsischen Staatsregierung ignoriert. Angesichts der erneut alarmierenden Zahlen muss sich das dringend ändern“, sagt Juliane Nagel, Wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag.

„Wir fordern einen sächsischen Masterplan, um Wohnungsverlust vorzubeugen. Wir haben in der Vergangenheit zahlreiche Maßnahmen gefordert, um Miethaushalte zu schützen und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Es ist höchste Zeit, sie endlich umzusetzen. Die sächsische Staatsregierung darf die Kommunen mit dem Problem nicht langer allein lassen und muss aufhören, Mieterschutzinstrumente zu blockieren.“

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