In dieser konkreten Form ist das, was sich jemand namens JB als Vorschlag für den Bürgerhaushalt 2025/2026 vorstellte, wohl nicht umsetzbar. Und vielleicht auch nicht der richtige Weg, den amtlich ausgewiesenen armen Haushalten in Leipzig einfach 150 Euro auszuzahlen, damit sie sich gegen Hitzestress wappnen können. Auch wenn längst bekannt ist, dass gerade die ärmsten Haushalte meist in besonders hitzebelasteten Ortsteilen und Wohnungen leben.
„Haushalte mit unter 70 % des Durchschnitts-Netto-Einkommens sollen einen Zuschuss von 150 € p.a. bekommen, um sich gegen die zunehmende Hitze infolge des Klimawandels zu wappnen“, hatte JB beantragt. „Die Auszahlung erfolgt auf Antragstellung und ist für den Erwerb von Ventilatoren oder Klimageräten, für den Erwerb von Getränken (Mehrbedarf durch Hitze), für Obst und Gemüse und für die aufwändigere Körperpflege (Schwitzen) vorgesehen.“
Die Verwaltung lehnt den Antrag zwar ab, gibt ihn aber trotzdem für eine Beschlussfassung im Stadtrat frei. Und gleichzeitig rechnet sie vor, dass das für das Stadtsäckel doch erhebliche Kosten verursachen würde – ohne die Sinnhaftigkeit der 150 Euro zu hinterfragen. Denn 150 Euro sind für die aufgezählten Zwecke nicht wirklich viel Geld.
„Leistungsberechtigte Haushalte nach dem SGB II (Bürgergeld) und SGB XII (Sozialhilfe) erhalten Leistungen für Getränke, Obst und Körperpflege sowie Haushaltsgeräte im Rahmen der Regelleistungen“, erklärt die Verwaltung.
„Die Regelleistungen werden jährlich erhöht und an die aktuelle Entwicklung angepasst, zuletzt ab 01.01.2023 um 53 Euro und zum 01.01.2024 um 61 Euro monatlich für die Regelbedarfsstufe 1. Haushalte über der Einkommensgrenze des Bürgergeldes erhalten Wohngeld. Ein sachlicher Grund für eine zusätzliche freiwillige Leistung der Stadt Leipzig ist nicht erkennbar.“
Erhebliche Mehraufwendungen
Und dann wird gerechnet. „Die Umsetzung des Bürgervorschlages zöge erhebliche Mehraufwendungen nach sich: Laut Statistischem Jahresbericht 2023 der Stadt Leipzig lag das mittlere monatliche Netto-Einkommen (Median) der 335.000 Leipziger Haushalte 2022 bei 2.179 Euro (zwischen 1.642 Euro bei 1-Personen-Haushalten und 4.178 Euro bei 4- und Mehrpersonenhaushalten).
91.000 Leipziger Haushalte verfügen über 1.500 Euro Haushaltsnettoeinkommen oder weniger (70 % des mittleren Einkommens entsprechen 1.525 Euro). Für eine Kostenschätzung wird von einer Auszahlung von jährlich 150 Euro an 91.000 Haushalte ausgegangen. Dies verursacht jährliche Mehraufwendungen im Haushalt i. H. v. 13,65 Mio. Euro.“
Und es hinge auch wieder ein Rattenschwanz von Bürokratie dran: „Die Ausreichung der Mittel (Bearbeitung der Anträge, Prüfung der Unterlagen zum Einkommen und ggf. dessen Bereinigung um notwendige Ausgaben, Berechnung entsprechend der jeweiligen Haushaltsgröße, Bescheiderlass und Auszahlung bzw. Ablehnung der Leistung, ggf. Rückforderungen zu Unrecht erbrachter Leistungen usw.) würde darüber hinaus einen erheblichen Erfüllungsaufwand verursachen.
Dieser liegt allein für 91.000 Anspruchsberechtigte bei geschätzt 45,5 Stellen, ausgehend von 200 Netto-Arbeitstagen pro Stelle, 455 Anträgen pro Tag bei 100 % Inanspruchnahme und Bearbeitung von 10 Anträgen pro Stelle und Tag. Die Kosten für 45,5 Stellen Sachbearbeitung belaufen sich auf geschätzt 2,73 Mio. Euro (bei 60.000 Euro Personal- und Sachkosten pro Stelle).
Hinzu käme die Bearbeitung von Anträgen von Haushalten, die nicht anspruchsberechtigt sind, weil sie über mehr als 70 % des mittleren Einkommens verfügen und abgelehnt werden müssen. Wird die Leistung darüber hinaus vom Vermögen abhängig gemacht, entsteht ein weiterer Erfüllungsaufwand in erheblicher, aber nicht bezifferbarer Höhe.“
Da sind ganz andere Maßnahmen nötig
So betrachtet wäre das ein ziemlich aufwändiges Unterfangen, während die Wohnungen der Betroffenen dadurch noch nicht kühler werden. Denn dazu braucht es ganz andere Maßnahmen, die in der letzten Befragung der Leipziger zur Klimabelastung auch thematisiert wurden. Eine Befragung, zu deren Ergebnis Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal auch sagte: „Dabei gilt es auch soziale Aspekte zu berücksichtigen – die Befragung zeigt unter anderem, dass Menschen mit weniger Einkommen stärker unter der Hitze leiden, oftmals bedingt durch eine prekärere Wohn-, Mobilitäts- oder Arbeitssituation.“
Die Befragten gaben dann aber auch mit Zustimmung von jeweils um die 80 Prozent an, dass eine Dämmung des Daches und der Einbau von Sonnenschutzvorrichtungen viel direkter helfen würden, die Hitzebelastung zu senken. Dasselbe gilt für Baumpflanzungen im Innenhof, Straßengrün und Entsiegelung versiegelter Plätze – alles Themen, bei denen die Stadt genug zu tun hätte, um damit die Stadt tatsächlich stückweise hitzeresistenter zu machen.
Von den Hausbesitzern ganz zu schweigen, die sich mit Maßnahmen zur Senkung der Hitzebelastung gerade in den Straßen der ärmeren Haushalte schwertun.
Ergebnis: Menschen mit niedrigen Einkommen leben öfter in Wohnungen ohne oder nur mit wenigen klimarelevanten Ausstattungsmerkmalen. Und 44 Prozent aller 2022 Befragten sagten, dass die Hitzebelastung in der eigenen Wohnung tagsüber sehr hoch ist – und bei 43 Prozent trifft das auch auf den Nachtzeitraum zu.
Was ja wohl bedeutet: Die Stadt müsste deutlich mehr dafür tun, Hausbesitzer dazu zu bringen, die Wohnungen mit einem ausreichenden Hitzeschutz zu versehen. Denn die 150 Euro Beihilfe würden ja nur helfen, einen letztlich inakzeptablen Wohnzustand wenigstens für das aktuelle Jahr irgendwie zu überleben, ohne dass sich am ungenügenden Bauzustand etwas ändert.
Keine Kommentare bisher