In Barcelona hat man inzwischen die Nase voll von den vielen durch Airbnb und Co. als Ferienwohnungen zweckentfremdeten Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt entzogen sind und vor allem dafür sorgen, dass Wohnraum für Geringverdiener in Barcelona nicht mehr erschwinglich ist. So weit, sämtliche Ferienwohnungen zu kündigen, ist Leipzig noch nicht. Aber auch hier grassiert das Problem immer weiter, selbst in Erhaltungsgebieten, wie Juliane Nagel erfuhr.

Sie hatte extra eine Anfrage gestellt, um das Thema, das die Stadt nun seit Jahren immer stärker beschäftigt, auch genauer mit Zahlen unterlegen zu können. „Laut Informationen der Anfragestellerin wurden dem AWS bzw. ABD zirka 170 mutmaßliche Umnutzungen von Miet- in Ferienwohnungen in den sozialen Erhaltungsgebieten Leutzsch, Alt-Lindenau, Lindenau und Plagwitz/Kleinzschocher gemeldet, hier besonders geballt um und an der Karl-Heine Straße.

In den Erhaltungsgebieten ist die Umnutzung bereits jetzt genehmigungspflichtig, ihr wird ‚aufgrund der Prognose der Verdrängungsgefahr nach § 172 Abs. 4 Satz 1 Baugesetzbuch erhaltungsrechtlich im Baugenehmigungsverfahren i.d.R. nicht zugestimmt‘ (vgl. VII-F-10319-AW-01)“, stellte die Stadträtin der Linken in ihrer Anfrage fest.

Das war noch, bevor aus Barcelona die Nachricht kam, dass die Stadt dort rigoros gegen diese zweckentfremdeten Wohnungen vorgehen will.

Immer mehr Anträge auf Nutzungsänderung

Das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung bestätigt in seiner Antwort die von Juliane Nagel genannte Zahl: „Ja, der Verwaltung wurden seitens der Bewohnerschaft Hinweise zu ca. 170 zu prüfenden Umnutzungen von Miet- in Ferienwohnungen, mit Lage in der Sozialen Erhaltungsgebieten Leutzsch, Alt-Lindenau, Lindenau und Plagwitz/Kleinzschocher, gemeldet.

Zudem haben die baugenehmigungspflichtigen Anträge auf Nutzungsänderung von Wohnraum hin zur Ferienwohnung stadtweit stark zugenommen. Dies hängt wahrscheinlich zusammen mit dem Bekanntwerden des Erlasses des Zweckentfremdungsverbotes landesseitig im August 2023 und dem Beschluss der Rechtsverordnung im Februar 2024.“

Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege geht dabei ganz bürokratisch vor, stellt die Verwaltung fest: „Die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage von Wohnen hin zu gewerblichen Ferienwohnungen bedarf gemäß Sächsischer Bauordnung einer Baugenehmigung. In diesem Kontext werden die Hinweise von Bürger/-innen als Anzeigen von baurechtswidrigen Zuständen verstanden und von Amts wegen geprüft. Das ABD prüft zunächst, ob bereits eine genehmigte Nutzungsänderung vorliegt. Liegt diese nicht vor, erfolgt eine Anhörung der Eigentümer/-innen.“

Aber dann greift der Datenschutz

Juliane Nagel hätte da durchaus gern konkrete Ergebnisse erfahren. Doch an dieser Stelle mauert die Verwaltung: „Teilweise lagen zu den benannten Objekten bereits Anzeigen vor. Eine detaillierte Rückmeldung zum Vorgang bzw. zu den benannten Ferienwohnungen ist nicht möglich, da dies nur an die Verfahrensbeteiligten im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes möglich sowie aus datenschutzrechtlichen Gründen dies nicht gestattet ist.“

Dass die Sache Sprengkraft hat, das wird deutlicher, wenn die Stadt versucht, die Konsequenzen einer Umnutzung von einer Miet- zur Ferienwohnung zu beschreiben. „Eine Nutzungsänderung von Miet- in Ferienwohnungen kann bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig sein. Liegt diese Wohnung allerdings in einem Gebiet mit Sozialer Erhaltungssatzung, so wird aufgrund der Prognose der Verdrängungsgefahr nach § 172 Abs. 4 Satz 1 Baugesetzbuch diesem Antrag erhaltungsrechtlich im Baugenehmigungsverfahren i.d.R. nicht zugestimmt. Dies erfolgte in einem baugenehmigungspflichtigen Antrag im Satzungsgebiet Eisenbahnstraße. Hier erließ das ABD einen Versagungsbescheid.

Aktuell sind zwei weitere baugenehmigungspflichtige Anträge einer Nutzungsänderung hin zu Ferienwohnungen im Satzungsgebiet Lindenau im Baugenehmigungsverfahren. Rück-Umwandlungen wurden bisher nicht angeordnet.“

Man hat es also wieder mit durchaus dehnbaren Auslegungen zu tun. Außerhalb der Erhaltungsgebiete sowieso. Sodass damit zu rechnen ist, dass weitere Wohnhäuser in Ferienwohnungs-Appartements verwandelt werden und damit dem Wohnungsmarkt dauerhaft entzogen werden. Auch wenn das mit behördlicher Erlaubnis geschieht.

Nur eine Ordnungswidrigkeit

„Ungenehmigte Umnutzungen von Miet- zu Ferienwohnungen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Sie stellen in derf Regel einen Verstoß gegen die Sächsische Bauordnung dar“, stellt das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung fest.

„Im Jahr 2023 wurden der Zentralen Bußgeldbehörde 25 Ordnungswidrigkeiten hinsichtlich baurechtlicher Verstöße angezeigt. Hierin auch enthalten waren u.a. Verstöße gegen das Sächsische Denkmalschutzgesetz, das Wohnraumförderungsgesetz und gegen die Erhaltungssatzungen. Eine genaue Auswertung hinsichtlich der im Einzelfall festgesetzten Geldbuße oder den Erhaltungsgebieten erfolgt nicht. Im Jahr 2024 wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits 16 Verstöße baurechtlicher Art angezeigt.

Nach erfolgter Umnutzung und baurechtlicher Genehmigung hat der gewerbliche Vermieter der Ferienwohnung eine Gewerbeanzeige nach § 38 Gewerbeordnung mit der Prüfung der Zuverlässigkeit (GZR/BZR) anzuzeigen. Sollte dies nicht geschehen bzw. anderweitige Versagungsgründe vorliegen, werden durch die Gewerbebehörde entsprechende Verfahren angestrebt.“

Man ahnt, warum Barcelona die Nase voll hatte, weil mit solchen Gummiregelungen die Zweckentfremdung dringend benötigter Wohnungen nicht wirklich unterbunden werden kann.

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