Tübingen ist ja bekanntlich vorgeprescht mit einer 50-Cent-Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen. Leipzig sollte folgen, so wünschte es sich eine Petition des BUND Leipzig, der sich ja nun schon seit Jahren für mehr Mehrwegsysteme und damit die Vermeidung von Verpackungsmüll in Leipzig einsetzt. Nach der Vertagung im Mai kam die Petition bzw. der Vorschlag des Petitionsausschusses dazu in den Stadtrat. Und – wer hätte es gedacht – auf einmal fachsimpelten die Bäcker.

Denn die betrifft es natürlich auch, wie nicht nur Bäckermeister Andreas Schultz, der für die CDU im Stadtrat sitzt, feststellte. Und auch ihm wäre es lieber, die Kunden kämen mit einer Tupperdose in den Laden, um sich den Kuchen einpacken zu lassen. Doch das tun die wenigsten. Die meisten lassen sich den Kuchen in Papier einwickeln und auch die Brötchen in der Tüte geben. Plastik gibt es bei Schultz sowieso schon lange nicht mehr.

Aber manchmal führt das Profi-Dasein eben auch zur Engsicht auf solche Probleme und ihre Lösungen. Weshalb es ein hübsches kleines Bäckermeistergefecht mit Bäckermeister Andreas Geisler gab, der für die SPD im Stadtrat sitzt und einen gemeinsamen Änderungsantrag von Linksfraktion und SPD-Fraktion unterstützte.

Zuvor hatte schon der Petitionsausschuss die Petition des BUND Leipzig abgeschwächt, die gefordert hatte, in Leipzig eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild einzuführen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Tübinger Steuert als rechtmäßig eingestuft. Das hatte einem Franchise-Nehmer von McDonalds nicht gefallen, der hatte die Klage vors Bundesverfassungsgericht gebracht. Und das hat bis heute noch kein Urteil gefällt.

Die Petition des BUND Leipzig zur Verpackungssteuer

„Trotz der die Zulässigkeit der Tübinger Einwegverpackungssteuer im Wesentlichen bestätigenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes – 9 CN 1.22 – vom 24.05.2023 ist die Frage, ob und inwieweit die Besteuerung des Konsums von Einwegverpackungen als originäre Frage der Gestaltung des Zusammenlebens in der örtlichen Gemeinschaft und damit der kommunalen Selbstverwaltung gelten kann, rechtswissenschaftlich umstritten.

Gleichzeitig hat der unterlegene Gewerbebetrieb gegen die vorbenannte Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die das Bundesverfassungsgericht gemäß Mitteilung des Deutschen Städtetages vom 17.04.2024 noch im laufenden Jahr 2024 entscheiden möchte“, stellte deshalb der Petitionsausschuss des Stadtrates fest.

Und: „Gleichzeitig hat sich die Bundesregierung mit Mitteilung vom 04.01.2024 dazu bekannt, in Deutschland ab dem 01.01.2025 eine Plastiksteuer einzuführen.“

Die Kunst des Wartens

Also lieber warten auf das Gesetz zur Plastiksteuer, von dem niemand weiß, wie es ausgestaltet wird? Ja, befand der Petitionsausschuss: „Der Oberbürgermeister wird gebeten, sich gegenüber der Bundesregierung sowie dem Bundestag und der Sächsischen Staatsregierung für die unverzügliche Einführung einer bundesweit geltenden Plastiksteuer auf Verpackungen aus Kunststoff einzusetzen, die Mehrwegangeboten einen spürbaren wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Einwegangeboten verschafft.“

Herr Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer
Andreas Geisler (SPD) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer

Und als zweiten Beschlusspunkt schlug er vor: „Der Oberbürgermeister berichtet dem Stadtrat unverzüglich nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Tübinger Verpackungssteuer – 1 BvR 1726/23 – und nach Verabschiedung eines Gesetzes über die Plastiksteuer, spätestens in jedem Fall bis zum 30.09.2025, über seine Aktivitäten zu 1.) und unterbreitet einen Vorschlag zur Erforderlichkeit und ggf. Umsetzung einer kommunalen Verpackungssteuer der Stadt Leipzig.“

Das fanden die Grünen nicht so zielführend, hatte doch der BUND Leipzig schon gezeigt, dass man auch auf lokaler Ebene Veränderungen anschieben kann.

Also beantragten sie: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, begleitend zur Einführung einer Verpackungssteuer eine geeignete Unterstützung von gastronomischen Klein- und Kleinst-Unternehmen zur Anschaffung von Mehrwegsystemen zu entwickeln. Hierzu ist dem Stadtrat bis zum 4. Quartal 2023 eine Vorlage zu unterbreiten.“

Man merkt schon, wie lange die Sache in Leipzig vor sich hin köchelt, während man ungeduldig auf Gerichtsbeschlüsse wartet. Oder auf die Bundesregierung, die eigentlich eine bundeseinheitliche Lösung vorlegen könnte.

Gleich, wenn das Urteil vorliegt …

Aber das ging dann wieder Linksfraktion und SPD-Fraktion zu flott, denn wenn das Bundesverfassungsgericht nun wieder ein Urteil trifft, welches das Tübinger Vorpreschen untersagt, steht man wieder mit einem ungelösten Problem da. Also schrieben beide Fraktionen erst einmal eigene Änderungsanträge, dann taten sie sich zusammen und schrieben einen gemeinsamen, den Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek so sinnvoll fand, dass er ihn auch für die Grünen übernahm.

Herr Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer
Jürgen Kasek (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer

Danach soll der OBM „dem Stadtrat unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 30.09.2025, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Zulässigkeit einer kommunalen Take-Away-Steuer) und nach Abwägung der mit der Take-Away-Steuer verbundenen Vor- und Nachteile eine Informationsvorlage bezüglich der Bewertung der Steuer, sowie daraus abgeleiteter Pläne und Schritte der Stadt Leipzig vorzulegen. Die entsprechende Infovorlage ist den zuständigen Ausschüssen, sowie dem Stadtrat zur Beratung vorzulegen.“

Take-away-Steuer deshalb, so Linke-Stadtrat Michael Neuhaus, weil es hier eben vor allem um Verpackungen für Außer-Haus-Mitnahme handelt. Wieder mit Ausnahme der Lieferdienste, die ja das bestellte Zeug auch in Einwegverpackungen an die Wohnungstür bringen.

Man merkte an diesem 19. Juni in der Ratsversammlung schon – und dazu brauchte es nicht einmal die mahnenden Worte von FDP-Stadtrat Sven Morlok –, dass mit dem Dienst an der Bequemlichkeit der Kunden die müllproduzierende Wirtschaft ein wildes Feld der unübersichtlichen Regelungen geschaffen hat, in dem sich heute auch Bäckermeister kaum noch durchfinden.

Die Leute, die sich alles in Einwegverpackungen geben lassen, freut es. Die anderen zahlen drauf, wie Andreas Geisler feststellte, denn allein die Abfallbeseitigung aus Leipziger Grünanlagen kostet jedes Jahr 500.000 bis 1 Million Euro. Faulheit kostet auch Geld – nur eben das Geld anderer Leute.

Dann braucht es auch ein stadtweites Mehrwegsystem

Was also tun? Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten, so Linke und SPD. Und – dabei den Antrag der Grünen aufnehmend, weil das ja dann die logische Folge ist: „Im Falle einer positiven Bewertung die Einführung der Verpackungssteuer an die Etablierung eines möglichst in ganz Leipzig gültigen Mehrweg- bzw. Pfandsystems zu koppeln und dem Stadtrat mit dem Satzungsbeschluss über eine Take-Away-Steuer auch eine Vorlage über ein solches Mehrwegsystem vorzulegen.

Dieses System soll flächendeckend und einheitlich genutzt werden, um zu vermeiden, dass Systeme entstehen, die nur in einem oder wenigen Geschäften gültig sind. Dafür ist es gemeinsam mit den Umweltverbänden und der IHK zu entwickeln.“

Mit Betonung auf flächendeckend, also keine Einzellösung oder gar das Schauen, wie groß oder klein ein Betrieb ist, wie Schultz kritisiert hatte. Übrigens ohne echten Gegenvorschlag, außer einem Appell an die Leute, ihren Kuchen mit Tupperdosen einzukaufen.

Der Stadtrat folgte dann mehrheitlich dem Vorschlag von SPD und Linken mit 31:25 Stimmen.

Was aber eben aus Sicht des eigentlichen Petenten, des BUND Leipzig, wieder nur eine Verschiebung in eine unbekannte Zukunft war. Er zeigte sich enttäuscht über die Stadtratsentscheidung.

In weite Ferne gerückt

„Eine Abstimmung darüber, ob eine Verpackungssteuer in Leipzig bei einem positiven Urteil des Bundesverfassungsgerichts automatisch eingeführt wird – wie die Petition es fordert – gab es am Sitzungstag hingegen nicht“, kritisierte der BUND Leipzig postwendend. „Stattdessen soll die gesamte Diskussion nach der Entscheidung des Gerichts erneut neu aufgerollt werden, womit eine mögliche Einführung der kommunalen Verpackungssteuer in weite Ferne rückt.“

„Wir begrüßen die grundsätzliche Bereitschaft, die aus den Diskussionen im Stadtrat hervorging, aber letztlich sind wir keinen Schritt vorangekommen, unsere Verpackungsmüllberge in Leipzig einzudämmen“, stellt Melanie Lorenz, stellvertretende Vorsitzende des BUND Leipzig und Kampagnenleiterin, fest. „Dass ich als Konsumentin nur die Wahl zwischen umweltschädlichen Einwegverpackungen oder gar keinem Take-Away-Essen habe, weil die meisten Leipziger Gastrobetriebe Mehrwegbehältnisse gar nicht erst anbieten, wird sich in den nächsten Jahren also nicht ändern.“

Leipzig verpasse damit seine Chance, neben Tübingen eine Vorreiterrolle einzunehmen und die Förderung von Mehrwegalternativen im gastronomischen Take-Away-Bereich in der Stadt ernsthaft voranzubringen. In Tübingen stieg die Mehrwegquote durch die Einführung der Verpackungssteuer um über 90 Prozent, was den Erfolg der Steuer unterstreicht, erklärte der BUND.

„Ich weiß nicht, auf welche bahnbrechenden Erkenntnisse die Stadträt/-innen noch warten. Belastbare Zahlen über die eingesparte Menge an Abfällen wird es auch in einem Jahr nicht geben, das lässt sich mit unseren statistischen Erhebungen einfach nicht gut abbilden“, so Lorenz.

Etwas mehr als ein Jahr hat die Stadtverwaltung nun Zeit, dem Stadtrat eine Empfehlung vorzulegen, wie weiter mit der kommunalen „Take-Away-Steuer“ verfahren werden soll. Der BUND Leipzig will die Entwicklungen im Blick behalten und sich weiter für die Einführung einer kommunalen Einwegverpackungssteuer bei Take-Away-Produkten einsetzen.

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