Da schlampert der Freistaat und schafft mit einer verspäteten gesetzlichen Regelung einen Zeitraum rechtlicher Unsicherheit und Leipzig steht auf einmal mit einem Mietspiegel da, den das Amtsgericht nicht als verbindlich ansehen will, obwohl er nach allen Vorgaben des Gesetzes erstellt wurde. Das schafft nicht nur Unsicherheiten bei Mieterinnen und Mietern. Das sorgt auch im Stadtrat für Fragen. CDU und Linke wollen dazu Antworten in der nächsten Ratsversammlung.
Beide berufen sich vor allem auf einen LVZ-Bericht vom 26. April, der vermeldete, „dass das Amtsgericht in der Auseinandersetzung um Mieterhöhungsverlangen des Großvermieters Tristan Capital Partners/Brack Capital Real Estate (BCRE) den aktuellen Mietspiegel für nicht bindend erklärt hatte“, wie es die Linksfraktion in ihrer Anfrage formuliert.
„Der Vermieter hatte gegen mehrere Mieterinnen und Mieter geklagt, die Mieterhöhungen unter Berufung auf den Mietspiegel nicht zustimmen wollten. Das hat zur Folge, dass Vermieter Mieterhöhungsverlangen anhand von drei Vergleichsmieten begründen können.“
Zuvor schon hatte die Fraktion Die Linke zu Beginn der Klageverfahren eine Anfrage an den Oberbürgermeister gestellt, in der sich die Fraktion das Verfahren und die jeweils geltenden Rechtsgrundlagen genau hat aufschlüsseln lassen. Aus Sicht der Stadt ist auch nicht der Mietspiegel das Problem, sondern es ist eher der gesetzliche Rahmen für die Gültigkeitsfrist.
„Nach Berichterstattung der LVZ soll das Amtsgericht Leipzig nicht von einem fehlerhaft erstellten Mietspiegel ausgegangen sein“, teilte die Stadt damals mit. „Der Mietspiegel 2020 soll seine Qualifizierung aufgrund Zeitablaufs verloren haben. Damit ist nach Auffassung der Stadt Leipzig kein Wegfall der Qualifizierung gegeben. Es besteht keine Pflicht der Stadt Leipzig zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels, sodass auch bei Zeitablauf keine Pflichtverletzung der Stadt Leipzig vorliegt.“
Ungeliebte Mietspiegel
Der Mietspiegel schafft aber für Mieterinnen und Mieter eine bessere Vergleichsgrundlage als nur drei Vergleichsmieten, die der Vermieter vorlegt. Das engt natürlich den Rahmen für Mieterhöhungen ein, weshalb Vermieter schon seit geraumer Zeit versuchen, die Leipziger Mietspiegel infrage zu stellen.
„Wir teilen die Auffassung, dass hier seitens der Stadt keine Versäumnisse vorliegen“, betont die Linksfraktion. „Als Linke sehen wir den Mietspiegel grundsätzlich kritisch, da er ein Begründungselement zur Mieterhöhung darstellen kann. Dennoch: Wie der Mietspiegel ins Rechtssystem eingebettet ist, bewirkt er einen gewissen Güterausgleich und stellt damit einen Rechtsfrieden her.“
Trotzdem hat die Faktion fünf Fragen formuliert, die sie zur nächsten Ratsversammlung gern beantwortet sehen möchte.
Hat es die Stadt vertrödelt?
Und auch die CDU-Fraktion hat ein ganzes Bündel Fragen zu diesem Vorgang verfasst – darunter die nicht ganz unwichtige, warum Leipzig nicht gleich nach der gesetzlichen Regelung im Dezember 2022 umgehend wieder eine neue Erhebung für den Mietspiegel gestartet hat.
„Der Berichterstattung in den Medien ist zu entnehmen, dass das Leipziger Amtsgericht bei Mietstreitigkeiten den ‚qualifizierten Mietspiegel‘ der Stadt Leipzig aktuell nicht mehr anerkennt und daher in der Entscheidungsfindung außen vorlässt“, stellt die CDU-Fraktion in diesem Zusammenhang fest.
„Vermieter können in diesen Tagen Mieterhöhungen also lediglich mit drei Vergleichsmieten begründen sowie, laut Presse, durchsetzen (und sei es über einen Vergleich). Die für den Mietspiegel zuständige Dezernentin äußerte jedoch in der Presse, dass Leipzig weiterhin einen ‚qualifizierten Mietspiegel‘ hat.“
Das mit dem Vergleich spielt insofern eine Rolle, als der Vermieter BCRE den Streitfall damit entschärfte, dass er dem Mieter eine geringere Mieterhöhung als Vergleich anbot – ansonsten hätte im Prozess ein 3.000 Euro teures Gutachten beauftragt werden müssen, das am Ende der vor Gericht Unterlegene hätte bezahlen müssen. Das war für den konkreten Fall abschreckend genug, der Mieter ging wohl lieber auf den Vergleich ein.
Aber gerade das macht deutlich, welches Graufeld da entstanden ist, das für Mieterinnen und Mieter das Gefühl verstärkt, nicht wirklich rechtlich vor Mieterhöhungen geschützt zu sein.
Die CDU-Fraktion sieht freilich eher die Schuld bei der Stadt und stellt unter insgesamt acht Fragen dann auch diese zwei: „Wann ist damit zu rechnen, dass in Leipzig wieder ein rechtssicherer Mietspiegel in Kraft tritt? Wie erklärt die Stadt Leipzig bis dahin all den betroffenen Mietern dieses Versäumnis der Verwaltung?“
War es eins? Die Antwortstunde in der Ratsversammlung wird bestimmt interessant.
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