Mal soll die Rezession schuld sein, mal sind es die hohen Baukosten, mal die Kreditzinsen. Die Kommentatoren der deutschen Wohnungsbaumisere sind sehr erfinderisch, wenn es um möglichst straffe Erklärungen dafür geht, dass immer weniger Wohnungen gebaut werden und die Mieten rapide steigen. Ein Grund wird aber selten genannt: der völlig unterfinanzierte soziale Wohnungsbau. Auch in Sachsen ist das noch immer ein Problem.
Eine Studie des Pestel-Instituts im Auftrag des Verbändebündnis Soziales Wohnen zeigt, dass der Sozialwohnungsbau in Sachsen wie bundesweit lahmt. Die Wohnraumförderung ist massiv gefährdet. In Sachsen fehlen demnach 47.859 Sozialwohnungen.
Dass dahinter ein geradezu verqueres Denken steckt, macht die Landtagsabgeordnete und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Juliane Nagel, deutlich, wenn sie erklärt: „Der Staat steckt achtmal so viel Geld in Sozialleistungen wie in sozialen Wohnungsbau, um die Wohnkosten von Menschen mit geringen Einkünften zu decken. Das bemängelt die Studie zurecht. So werden private Eigentümer und steigende Mieten subventioniert.“
Verspekuliert
Das Geld fehlt im sozialen Wohnungsbau. Die Bauwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren fast ausschließlich nur noch auf hochwertigen Wohnungsbau beschränkt mit Wohnungen, die entweder sofort als Eigentumswohnungen verkauft wurden oder die hohe Mieten einbringen. Dass damit Fehlkapazitäten aufgebaut wurden, deutete sich auch schon vor fünf Jahren an.
Der Wohnungsbau war nach den diversen „Reformen“ auf Bundesebene, bei denen die Förderung für den sozialen Wohnungsbau zurückgefahren wurde, wie jeder andere deregulierte Markt zu einem Tummelplatz der Spekulationen geworden.
„Das gängige Geschäftsmodell in der Immobilienbranche lautete in den vergangenen Jahren: Kaufen, sanieren, teuer vermieten – oder wieder verkaufen. Bauunternehmen erzielen mit diesem Ansatz nach wie vor gute Gewinne. Auch Einzelpersonen spekulieren mit Liegenschaften – als kurzfristige Investition oder langfristige Anlage. Aufgrund niedriger Zinsen erscheinen Immobilien seit Jahren als sichere und wirtschaftliche Anlage“, hieß es 2019 in einem Beitrag der Tagesschau.
Mit Wohnungsbau ließ sich richtig viel Geld verdienen, so lange die Zinsen niedrig blieben. Dazu kamen die Spekulationen mit dem immer knapper werdenden Bauland gerade in den Ballungszentren, die dann auch noch die Grundstückspreise in die Höhe trieben, während Kommunen wie Leipzig selbst noch in den Jahren des Bevölkerungswachstums wichtige Flächen am Markt veräußerten, statt sie für die eigenen Bedürfnisse zu sichern.
Was auch mit der selbst in westdeutschen Großstädten gepflegten – falschen – Einschätzung zu tun hatte, Deutschland wäre längst mit schrumpfenden Städten konfrontiert. Man müsse gar kein Wachstum mehr planen.
Immer weniger Sozialwohnungen
Die Leidtragenden sind vor allem, die Menschen mit geringen Einkommen, die auf einmal mit einem Mietanstieg konfrontiert sind, der mit ihren realen Einkommen nichts mehr zu tu hat. Während die viel zu wenigen neu entstehenden Sozialwohnungen einfach nicht reichen, um auch nur den Mindestbedarf zu decken. Gerade einmal ein Fünftel der in Leipzig jährlich benötigten Sozialwohnungen entstehen, der Großteil davon in Regie der stadteigenen LWB.
Erst seit 2017 entstehen in Sachsen wieder Sozialwohnungen. Zuvor war der Bestand massiv abgeschmolzen – von 134.000 im Jahr 2006 über 37.373 im Jahr 2012 auf den Tiefstand von 11.582 im Jahr 2017 (Drucksache 7/819).
Davon befinden sich – nachdem Dresden leichtfertig seine eigene Wohnungsgesellschaft aufgelöst und die Bestände zur Schuldentilgung verkauft hatte – 10.000 Dresdner Wohnungen im Besitz des Vonovia-Konzerns. Zwischen 2017 und 2022 entstanden im Freistaat nur 1.262 Sozialwohnungen, der Bedarf ist um ein Vielfaches größer (Drucksache 7/12610). So geht die Stadt Leipzig in ihrer Wohnraumförderkonzeption für 2023 davon aus, dass durchschnittlich pro Jahr 2.260 neue Sozialwohnungen entstehen müssen. 2022 verfügten 2.704 Haushalte über einen Wohnberechtigungsschein, doch nur 441 konnten in eine mietpreis- und belegungsgebundene Wohnung einziehen. Dresden geht sogar von einem Bedarf von 10.000 zusätzlichen Sozialwohnungen bis 2025 aus.
Es braucht eine Landesoffensive
„Wir thematisieren das immer wieder und forderten zuletzt eine Landesoffensive Sozialwohnungsbau (Drucksache 7/ 14784)“, sagt Juliane Nagel. „Diese soll einen Fonds mit 250 Millionen Euro für den Sozialwohnungsbau und moderne Förderbedingungen beinhalten. Ein Kraftakt ist nötig, um den sozialen Wohnungsbau in Gang zu bringen. Die Koalition verschleppt die Anpassung der Förderbedingungen an die Realität steigender Kosten und ignoriert systematisch, dass bezahlbares Wohnen für weite Teile der Bevölkerung nicht gesichert ist. Auch viele Menschen, die für einen Niedriglohn arbeiten, hätten Anspruch auf eine geförderte Wohnung.“
Während Leipzigs Verwaltung seit Jahren davon ausgeht, dass jährlich mindestens 2.200 geförderte Wohnungen gebaut werden müssten, um allein den Bedarf zu decken, genügten die vom Freistaat zur Verfügung gestellten Mittel gerade einmal, 2020 dann 429 Wohneinheiten zu bauen, 2021 waren es 425 und 2022 dann 442.
Schluss mit den Befristungen
Dabei ist der Bedarf an Wohnungen im niedrigpreisigen Segment am höchsten, der Mangel aber am größten. Obwohl auch die politisch Verantwortlichen wissen, dass ein starkes Sozialsegment im Wohnungsmarkt die Mietpreisentwicklung deutlicher dämpft als alle andere Mietregulierungen.
„Es ist Zeit für einen Systemwechsel“, fordert Juliane Nagel. „Sozialwohnungen sollen dauerhaft Sozialwohnungen bleiben! Bisher werden private Konzerne staatlich dafür subventioniert, dass sie eine befristete soziale Zwischennutzung ermöglichen. Danach können sie mit den Wohnungen marktüblich Geld verdienen, obwohl deren Bau bezuschusst worden war. Soziale Wohnraumförderung soll stattdessen öffentlichen und gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen zukommen, die dauerhaft bezahlbare Mieten garantieren. Dafür ist die Einführung der Wohngemeinnützigkeit unverzichtbar.“
Grundsätzlich halte die Linksfraktion auch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft für nötig, die mit den kommunalen Gesellschaften bezahlbaren Wohnraum schaffe und erhalte, wo das nötig ist. Juliane Nagel: „Dazu muss auch der Leerstand abseits der Großstädte genutzt werden.“
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