Der Schock รผber die Rรผcknahme der Umsatzsteuer-Reduzierung fรผr die Gastronomie sitzt bei vielen Menschen und natรผrlich in der Gastro-Branche tief, aber es betrifft auch zum Beispiel das Schulessen. Schulessen soll ja nicht nur Verpflegung der Schรผlerinnen und Schรผler sein, wie das Bundeszentrum fรผr Ernรคhrung (BzfE) es ausdrรผckt: โSchulessen ist Teil der Ernรคhrungsbildungโ. Wir haben uns das angeschaut, dazu auch einige Eltern und die Stadt Leipzig befragt.
Wen betrifft es? โ Das Umsatzsteuerrecht ist hochkomplex, deshalb eine kurze Erklรคrung aus dem Portal smart-steuer, das war die verstรคndlichste, die zu finden ist:
โรbernimmt ein Unternehmer den Kantinenbetrieb einer Schule, erbringt er eine weit รผber die bloรe Abgabe von Speisen hinausgehende Leistung. Er befreit gewissermaรen den Schultrรคger von den Lasten der Mittagsversorgung und bietet einen Service, der von einem Finanzgericht einmal treffend als โRundumsorglos-Paketโ bezeichnet wurde.
Wie der BFH in einem Urteil vom 10.8.2006 (V R 38/05, BStBl II 2007, 482) klargestellt hat, gelten diese Grundsรคtze sowohl fรผr das klassische Restaurationsgewerbe als auch fรผr die Mittagsversorgung in Schulen, die von der Rspr. mit dem Essen im Restaurant umsatzsteuerrechtlich gleichgestellt wird. Diese Regelung betrifft auch Krankenhรคuser und Seniorenheime sowie die Leistungen von Catering-Unternehmern.โ
Wir fragten dazu die Stadt Leipzig an und erhielten die Auskunft von Finanzbรผrgermeister Torsten Bonew:
โDie Lieferung der Speisen durch Dritte (z.B. Caterer) unterliegt dem ermรครigten Steuersatz von 7 %, sofern sich der Vorgang auf die Abgabe der Speisen beschrรคnkt (Lieferleistung) und keine nennenswerten Dienstleistungen im Darreichungsbereich hinzukommen.
Werden im Zusammenhang mit der Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen weitere unterstรผtzende Dienstleistungen erbracht, die den sofortigen Verzehr ermรถglichen, liegen nicht ermรครigt besteuerte sonstige Leistungen vor (vgl. hierzu Abschn. 3.6 UStAE).โ
Konzentrieren wir uns zuerst auf Schulen und Kitas.
Essensversorgung in Leipziger Schulen und Kitas
Hinweis: Die nachfolgenden Angaben beziehen sich ausschlieรlich auf Schulen und Kitas in der Trรคgerschaft der Stadt Leipzig.
Das Amt fรผr Schule der Stadt Leipzig teilte uns auf Anfrage mit, dass fรผr die 171 Schulen und 53 Kitas in stรคdtischer Trรคgerschaft gilt: โDie Leistungsvergabe fรผr die Schulen in Trรคgerschaft der Stadt Leipzig umfasst die Gesamtleistung der Speisenversorgung, d.h., Herstellung, Anlieferung und Ausgabe der Speisen. In den Kindertageseinrichtungen in Trรคgerschaft der Stadt Leipzig umfasst die Leistungsvergabe die Herstellung und Anlieferung der Speisen.โ
Daraus ist zu schlieรen, dass der Umsatzsteuersatz fรผr die Essensversorgung in den Kitas weiter bei 7 % bleibt, in den Schulen aber auf 19 % ansteigt.
Was kostet das die Eltern?
Durchschnittspreise fรผr das Schulessen kann man in einer Antwort der Stadt auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke von 2022 finden. Diese sind nicht mehr aktuell, geben aber einen รberblick.
Ein Beispiel:
An einer Schule in Leipzig gibt es 4 Essen zur Auswahl, fรผr 3 gilt der Preis von 4,10 โฌ und ein Essen fรผr 4,85 โฌ (Bio) ist im Angebot. Bereits vor dem Beschluss zur Aufhebung der Umsatzsteuer-Reduzierung wurden die Eltern informiert, dass ab 01.01.2024 die Preise auf 4,24 โฌ bzw. 4,95 โฌ steigen.
Der Nettopreis fรผr die Speisen liegt also ab Januar 2024 bei 3,96 โฌ bzw. 4,63 โฌ, daraus ergibt sich der neue Bruttopreis von 4,71 โฌ bzw. 5,51 โฌ.
Das bedeutet Mehrausgaben von 9,40 โฌ fรผr die preiswerteren Essen und 11,80 โฌ fรผr Bio, wenn man einen Monat mit 20 Schultagen hat.
Bei durchschnittlich 180 Schultagen pro Schuljahr sind das, je nach Essensauswahl, zwischen 84,60 โฌ und 106,20 โฌ Mehrbelastung fรผr die Familien jรคhrlich.
Einige befragte Eltern รคuรerten, dass ihre Kinder mit dem angebotenen Schulessen nicht zufrieden sind und sie nun, aufgrund der hรถheren Preise, darรผber nachdenken, ihre Kinder nicht mehr an der Schulspeisung teilnehmen lassen wollen.
Schulessen soll ein wichtiger Baustein fรผr ein gesundes Aufwachsen sein
Die Zahlen der teilnehmenden Schรผlerinnen und Schรผler an der Essensversorgung sind jetzt schon erschreckend gering, wie aus der Antwort der Stadt auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Jahr 2023 hervorgeht.
Im Januar 2023 nahmen in den Grundschulen 64 %, in den Oberschulen 8 %, in den Gymnasien 25 %, in Fรถrderschulen 30 % und in der Gemeinschaftsschule 45 % der Schรผlerinnen und Schรผler an der Essensversorgung teil. Ob die Teilnahme regelmรครig ist, oder es nur eine Aussage รผber die zur Teilnahme angemeldeten ist, lรคsst diese Antwort offen. Mit Ausnahme der Gemeinschaftsschule ist die Teilnehmerzahl in den anderen Schulformen rรผckgรคngig.
Die Frage, ob die gestiegenen Kosten Auswirkungen haben, beantwortet die Stadt wie folgt: โAnhand der Teilnehmerquoten lassen sich keine direkten Rรผckschlรผsse auf einzelnen Grรผnde ziehen.
So kรถnnen zum Beispiel neben Preisรคnderungen auch รnderungen in der Ablauforganisation an den Schulen, Qualitรคtsverรคnderungen bei den Speisen oder Verรคnderungen in der Akzeptanz Auswirkungen auf die Teilnehmerquote haben. Beispielhaft kรถnnte der Anstieg im Bereich Gemeinschaftsschule auf den erfolgten Wechsel des Versorgungsunternehmens im Sommer 2022 zurรผckzufรผhren sein.
Das Amt fรผr Schule ist zum Thema Speiseversorgung mit den Schulen und dem Kreiselternrat (KER) im Austausch. Dabei werden u.a. die Themen Qualitรคt und Inanspruchnahme von Schulspeisung aufgegriffen. Ein Termin dazu mit dem KER fand im Mรคrz statt, weitere Gesprรคche sollen folgen.โ
Das bedeutet, dass an weiterfรผhrenden Schulen zwischen 55 und 92 % der Schรผlerinnen und Schรผler sich in der Mittagspause anderweitig verpflegen.
Noch einige Zahlen
โBei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen fรผr den Leipzig-Pass erhalten zudem Kinder und Jugendliche ohne Anspruch auf Leistungen fรผr Bildung und Teilhabe kostenfreies Mittagessen bei der Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsversorgung in einer Tageseinrichtung oder einer Schule.โ So ist in der Antwort der Stadt Leipzig auf die Anfrage der Fraktion Die Linke zu lesen.
Den Anteil der Betreffenden stellt die Stadt so dar: โDer Anteil der an der Schรผlerspeisung teilnehmenden SchรผlerInnen mit Anspruch auf Bildung- und Teilhabeleistungen oder Leipzig-Pass betrรคgt in den Grund- und Fรถrderschulen 14 % und in den weiterfรผhrenden Schulen 9 %.โ
In der Antwort 9beziffert die Stadt Leipzig das genauer: โIm Jahr 2022 erhielten 22.288 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung im Rahmen der Leistungen fรผr Bildung und Teilhabe.โ Das sind allerdings die Leistungsberechtigten, nicht die tatsรคchlich die Leistung Inanspruchnehmenden. Diese liegt bei ca. 15 % an der Gesamtteilnehmerzahl.
Bei einer tรคglichen Anzahl von 19.000 Schulessen* ergibt sich daraus eine Anzahl von 2.850 fรผr die Anspruchsberechtigten.
Nehmen wir hier die Preissteigerung, die aus der Rรผckkehr zu 19 % USt hervorgeht, fรผr das preiswertere Essen aus dem obigen Beispiel (84,20 pro Kind und Jahr), dann kommt man auf eine finanzielle Mehrbelastung fรผr die Stadt von 239.970 โฌ. Der Finanzbรผrgermeister teilte uns lakonisch auf unsere Anfrage, ob die Stadt Auswirkungen spรผren wird, mit: โJa, denn auch die Stadt Leipzig unterliegt der Steuerpflicht.โ
Fazit: Die Rรผckkehr zum Umsatzsteuersatz von 19 % fรผr gastronomische Leistungen wird fรผr Eltern, Schรผlerinnen und Schรผler sowie auch die Stadt Leipzig spรผrbar. Man kann nur spekulieren, ob es Auswirkungen auf die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die an dem Mittagessen in der Schule teilnehmen, geben wird.
Wenn die Anzahl sinkt, wird das Geschรคftsmodell โSchulessenโ fรผr die Caterer wahrscheinlich wirtschaftlich unattraktiver, was vielleicht zu weiteren Preissteigerungen fรผhren wird. Wie oben angemerkt, soll das Schulessen nicht nur Ernรคhrung sein, es soll auch zur Ernรคhrungsbildung beitragen und insbesondere soll es gesund und schmackhaft sein. Preiserhรถhungen, egal aus welchem Grund, sind da kontraproduktiv.
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