Die Energiewende ist eine Herausforderung, eigentlich eine Revolution, weil sie die komplette Umstellung der fossilen Energiewirtschaft auf regenerative Anlagen und mehr Stromnutzung bedeutet. Das wussten alle Beteiligten – und auch die hohe deutsche Politik – schon vor 30 Jahren, vor 20 Jahren erst recht. Aber dann wurden 16 Jahre einfach ausgesessen und vertrödelt, die jetzt auf einmal fehlen. Denn bevor Deutschland aus der Kohle aussteigt, muss die neue Energiewelt funktionieren.

Und das beschäftigte jetzt die Grünen im Leipziger Stadtrat, die etwas genauer wissen wollten, ob und wie Leipzig eigentlich auf den künftig deutlich höheren Stromverbrauch eingerichtet ist.

Lähmt die Antrags-Bürokratie eine Umstellung in Leipzig?

In ihrer sehr umfassenden Anfrage an die Stadt liest sich das so: „Strom-, Wärme- und Verkehrswende und die damit einhergehende Sektorenkopplung führen zu neuen Anforderungen an die Stromnetze. Bis 2040 spätestens will Leipzig Klimaneutralität erreicht haben. Die bereits erfolgende und künftig noch stärker erforderliche Zunahme an Wärmepumpen, Stromspeichern und Elektroautos einerseits sowie die verstärkte dezentrale Einspeisung erneuerbaren Stroms andererseits stellen Netzbetreiber vor diverse technische und organisatorische Herausforderungen.

Die Versorgung muss sicher gestellt bleiben – gleichzeitig soll die Energiewende beschleunigt und nicht durch bürokratisch-organisatorische Engpässe verzögert werden.

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung zum einen Potentiale für eine intelligente Netzsteuerung, die in Verbindung mit flexiblen Stromtarifen zu einer besseren Bündelung und Ausschöpfung von Kapazitäten führt. Zum anderen kann Digitalisierung die Antrags- und Genehmigungsprozesse erleichtern und beschleunigen.

Uns erreichen zuletzt vermehrt Hinweise von Bürger*innen, dass die Netz Leipzig bei der Bearbeitung von Anträgen zur Genehmigung von PV-Anlagen oder dem erforderlichen Tausch auf Zweirichtungszähler relativ lange braucht, wodurch Anlagen, die eigentlich fertig sind, noch nicht in Betrieb gehen können.“

Leipzigs Stromnetz muss ab 2024 massiv ausgebaut werden

Logisch: Das bremst die Energiewende aus. Aber für die Stadtwerke Leipzig und ihre Tochter Netz Leipzig ist diese Umstellung selbst eine Herausforderung. Noch habe das Leipziger Stromnetz Puffer, der „für den kurzfristigen weiteren Ausbau von Lasten wie Elektroladesäulen und Wärmepumpen zur Verfügung“ stehe, teilt die Stadt mit.

Aber: „Für eine vollständige Umstellung von Stadtgebieten von Gasversorgung auf Wärmepumpen ist das Netz allerdings nicht ausgelegt. Hierfür sind in den nächsten Jahren Investitionen notwendig, die ein Mehrfaches der durchschnittlichen Investitionen der letzten Jahre betragen werden und welche sich voraussichtlich in den künftigen einschlägigen Wirtschaftsplanungen 2024 ff. widerspiegeln werden.“

Komplette Antwort auf die Grünen-Anfrage „Netzausbau: Ist das Leipziger Stromnetz fit für die Energiewende?“

Die Netz Leipzig GmbH suche deshalb aktuell zusammen mit dem Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig Standorte für neue Umspannwerke, die für den weiteren Ausbau des Stromnetzes dringend benötigt werden. Zusammen mit der Stadtwerke Leipzig GmbH, der Netz Leipzig GmbH und der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH will Leipzigs Verwaltung deshalb bis zum Jahresende 2023 einen ersten kommunalen Wärmeplan erstellen. Da wird das Heizen mit Strom (Stichwort: Wärmepumpe) ganz zentral eine Rolle spielen.

Aber das erklärt ja noch nicht, warum die Anmeldung von Fotovoltaikanlagen bei der Netz Leipzig immer länger dauert.

Antragstellung für Fotovoltaik hat sich vervielfacht

Aber gerade die gestiegenen Anfragen würde dafür sorgen, dass es immer länger dauert, stellt die Stadt in ihrer Antwort an die Grünen-Fraktion jetzt fest: „Nachdem alle erforderlichen Unterlagen zur netztechnischen Stellungnahme im Rahmen der Anmeldung einer Erzeugungsanlage eingereicht wurden, hat der Netzbetreiber nach dem Erneuerbare‐Energien‐Gesetz (EEG) acht Wochen für die Prüfung und Antwort Zeit. Danach kann die Anlage errichtet und in Betrieb genommen werden, was dem Netzbetreiber entsprechend anzuzeigen ist. Wenn nötig, lässt der Netzbetreiber dann einen Zähler einbauen beziehungsweise wechseln, wofür das EEG vier Wochen vorsieht.

Aktuell liegt die reine Bearbeitungszeit bei vielen deutschen Netzbetreibern auf Grund des starken Anstiegs der Anmeldungen von Erzeugungsanlagen zum Teil deutlich über den gesetzlichen Vorgaben, so auch bei Netz Leipzig. Die Schwankungsbreite lag in den letzten 12 Monaten einzelfallabhängig aussagegemäß zwischen zehn und 30 Wochen (inkl. Zählerwechsel).

Zu beachten ist, dass der tatsächliche Zeitraum von der Antragstellung bis zum Zähleraustausch davon deutlich abweichen kann, da dieser die Bearbeitungs‐ und Errichtungszeit des Anlagenbetreibers bzw. Anlagenerrichters beinhaltet.“

Da kann man sich schon vorstellen, dass die Anmelder ungeduldig werden.

Aber mit den steigenden Anträgen hat die Netz Leipzig so nicht gerechnet: „Nach der Einreichung der vollständigen Antragsunterlagen war vor dem kontinuierlichen, starken Anstieg der Anmeldungen im Jahr 2022 eine Bearbeitung von bis zu vier Wochen üblich. Wegen des kontinuierlichen, starken Anstieges der Anmeldungen von Erzeugungsanlagen dauert die Rückmeldung seit November 2022 aktuell bei der Mehrzahl der Anträge deutlich länger als acht Wochen. Entsprechende Gegenmaßnahmen zur Beschleunigung der Antragsbearbeitung wurden bereits eingeleitet.“

Warteschlange für PV-Anlagen

Die reinen Zahlen zur Anmeldung: „Im Jahr 2022 wurden 734 PV‐Anlagen (größer 600 W) angemeldet, dies entspricht einer Verdreifachung zu den Vorjahren. Im Jahr 2023 geht die Netz Leipzig auf Grund der bereits vorliegenden Anträge von ca. 1.500 Anträgen für PV‐Anlagen (größer 600 W) aus.

Im Jahr 2022 wurden 262 steckerfertige Balkon‐PV‐Anlagen (bis 600 W) angemeldet, dies entspricht einer Verzehnfachung zum Vorjahr. Im Jahr 2023 geht die Netz Leipzig auf Grund der bereits vorliegenden Anträge und der geplanten kommunalen Förderung von 2.000 steckerfertigen Balkon‐PV‐Anlagen (bis 600 W) aus.“

Für die Folgejahre erwarten die Stadtwerke einen noch viel stärkeren Zuwachs: „Beispielhaft rechtet die Netz Leipzig 2023/2024 allein bei Balkon‐Kraftwerken bis 600 W insgesamt mit bis zu 5000 zusätzlichen Anlagen im Leipziger Stadtgebiet. Das entspricht einem Anstieg bezogen auf den aktuellen Bestand von 750 %.“

Aber es sind ja nicht nur Solaranlagen, die viele Gebäudeeigentümer jetzt ans Netz bringen möchten. Gleichzeitig muss ja auch noch das Ladenetz für Elektrofahrzeuge ausgebaut werden, denn immer mehr Leipziger kaufen sich ja jetzt statt eines spritgetriebenen Autos eines mit Batterie. Das bringt die Stadtwerke zusätzlich unter Zugzwang: „Im Jahr 2022 wurden 357 neue Ladepunkte angemeldet, dies entspricht einer Verdopplung zum Vorjahr. Im Jahr 2023 ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.“

Aber wie wollen die Stadtwerke dann eigentlich aus dem jetzt schon bestehenden Antragsstau bei Fotovoltaik-Anlagen herauskommen? Das soll digital passieren, teilt die Stadt mit: „Ziel der Netz Leipzig ist es, bis Ende 2023 den Leipziger Bürgerinnen und Bürgern für die Beantragung von Erzeugungsanlagen ein digitales Antragsportal zur Verfügung zu stellen.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar