Die Anfrage der Grünen-Fraktion hatte es in sich. Denn sie zielte auf die Wegwerfmentalität der heute lebenden Leipziger. Die sich darin wahrscheinlich in nichts von anderen Bewohnern Mitteleuropas unterscheiden. Denn es ist ja so bequem: Man kauft sich Kaffee, Pizza, Sandwiches usw. in Einweg-Verpackungen, picknickt im Park oder an der Haltestelle und stopft die leere Verpackung dann einfach in den nächsten Papierkorb.

Das ist keine neue Diskussion im Leipziger Stadtrat. Denn jahrelang gab es wachsende Probleme mit solchem Einweg-Müll, der dann einfach in Parkanlagen, auf Wiesen und Gehwegen landete. Was dann die Ratsversammlung dazu brachte, die Stadt aufzufordern, mehr Papierkörbe aufstellen zu lassen, gerade an Orten, wo sich dieser Wohlstandsmüll besonders häufte.

Nur scheint das einen weiteren Effekt mit sich gebracht zu haben: Mehr Abfallbehälter verlocken dazu, noch mehr Unterwegs-Müll dort zu entsorgen.

Mit den Zahlen tut sich freilich das Umweltdezernat ganz schwer. Nicht mit den absoluten Zahlen – die lassen sich gut messen. Und die haben die Grünen auch abgefragt: „Wie hoch war in Leipzig in den vergangenen Jahren das Müllaufkommen von Einweg-Verpackungen aus öffentlichen Mülleimern und wie viel hat die entsprechende Entsorgung gekostet?“

Antwort der Verwaltung auf die Grünen-Anfrage „Wie können wir Einweg-Müll in Leipzig reduzieren?“

Worauf der Eigenbetrieb Stadtreinigung, der ja all die aufgestellten Abfalleimer leeren muss, antwortete:

„In den öffentlichen Papierkörben Leipzigs, die durch den Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig bewirtschaftet werden, sind im Abfallgemisch neben (Einweg-)Verpackungsabfällen auch andere Abfallarten enthalten wie bspw. Küchen- und Gartenabfälle, Glasabfälle und Zeitungen. Wie hoch der Anteil der Einweg-Verpackungen an dem gesamten Abfallgemisch der Papierkörbe ist, wird nicht regelmäßig erfasst.

Eine Analyse im Jahr 2017 hat festgestellt, dass in den Papierkörben durchschnittlich 43,2 % Verpackungsabfälle enthalten waren. Eine Unterscheidung zwischen Ein- und Mehrwegverpackungen erfolgte dabei nicht. Es wird eingeschätzt, dass dieser hohe Anteil immer noch besteht, da insbesondere die Sammelmenge gestiegen ist. Die jährliche Sammelmenge wird in der kommunalen Abfallbilanz für die Stadt Leipzig jährlich im Amtsblatt bekannt gegeben.“

Die Zunahme der Papierkorbabfälle in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Eigenbetrieb Stadtreinigung
Zunahme der Papierkorbabfälle in Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig, Eigenbetrieb Stadtreinigung

Dass man keine aktuelleren Zahlen zur Zusammensetzung dieser Abfälle aus öffentlichen Abfallbehältern hat, hat den Grund – so Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal in der Ratsversammlung am 14. Juni –, dass eine mögliche Veränderung der festgestellten Inhalte auch wieder finanzielle Folgen hat. Und keiner weiß, ob dann höhere Kosten für die Stadt anfallen oder für die Betriebe, die die wiederverwertbaren Stoffe (Glas, Papier, Verpackungen) in Leipzig sammeln.

Was freilich die Frage nicht erhellt, ob die Menge der Einweg-Verpackungen in den Abfallkörben tatsächlich so stark gewachsen ist, wie die Berechnung der Stadtreinigung ergab. Oder gar stärker.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Tobias Peter war zumindest ziemlich baff, wie stark das Müllaufkommen aus den Leipziger Abfallbehältern seit 2018 gestiegen ist – von 805 auf 954 Tonnen. Und gerade die Corona-Jahre brachten einen deutlichen Anstieg. Ein Trend, der so völlig der Leipziger Zero-Waste-Strategie widerspricht.

574.000 Euro allein für den Einweg-Müll

„Für die Entsorgung der Papierkorbabfälle sind in den vergangenen Jahren nachstehende Gesamtkosten entstanden. Zur Ermittlung der anteiligen Aufwendungen für Einweg-Verpackungen wurde der Schätzwert von 43,2 % der 2017 durchgeführten Papierkorbanalyse zugrunde gelegt“, schreibt die Stadtreinigung. Was bei Kosten von 1,329 Millionen Euro für die Abfallentleerung allein 574.371 Euro für die anteiligen Einweg-Verpackungen bedeutet. Eine Menge Geld, die die Leipziger dafür zahlen, dass es sich die Nutzer von Einweg-Verpackungen so leicht machen.

Da ist die Frage der Grünen natürlich spannend, ob Leipzig da nun – ganz ähnlich wie Tübingen – eine Verpackungssteuer einführt, um die Verursacher des Einweg-Mülls mit zur Kasse zu bitten.

Ein Anliegen, das Leipzigs Verwaltung teilt, wie auch Heiko Rosenthal am 14. Juni bestätigte.

Klares „Ja“ für Verpackungssteuer

In der Vorlage der Stadt heißt es dazu: „Aus Sicht der Stadtverwaltung kann eine Verpackungssteuer die Ziele der Kreislaufwirtschaft, insbesondere der 1. Stufe der Abfallhierarchie – Abfallvermeidung – sehr gut unterstützen. Als Lenkungssteuer kann sie das Verhalten der Konsumenten im Stadtgebiet beeinflussen, Mehrweg dem Einweg vorzuziehen und dadurch dem Ressourcenschutz beizutragen sowie eine Abfallflut zu vermeiden.

Die Stadtverwaltung hat sich bereits bei der Einführung der Einwegverpackungssteuer durch die Stadt Tübingen dem Anliegen angenommen und das nunmehr abgeschlossene verwaltungsgerichtliche Verfahren verfolgt. Nachdem nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) der Weg des Ortsrechts für die Kommunen frei gemacht wurde, wird die Stadtverwaltung die schriftlichen Urteilsgründe abwarten und die Hinweise und Maßgaben des Gerichts genau auswerten.

Es wird seitens der Stadtverwaltung angestrebt, dass dem Stadtrat alsbald einen, den neuen Grundsätzen des BVerwG entsprechenden, Satzungsentwurf zur Beschlussfassung vorlegt. Ein genauerer Zeitplan wird sich aber frühestens nach Vorliegen und erster Auswertung der schriftlichen Urteilsgründe entwickeln lassen. Außerdem hat die Antragstellerin das Einlegen einer Verfassungsbeschwerde angekündigt, was ggf. ebenfalls beachtet und ausgewertet werden müsste.“

Da sei man in der Verwaltungsspitze im Gespräch, so Rosenthal. Auch wenn es noch dauern kann, bis auch die Sache mit der Verfassungsbeschwerde geklärt ist. Aber so tickt das deutsche Wirtschaftswunderland: Statt die eigenen Betriebsprozesse einfach so umzustellen, dass den Kunden gar nicht erst Einweg-Verpackungen angedreht werden, zieht man erst einmal vor Gericht und tut so, als wäre das Vermüllen der Welt ein Menschenrecht. Ist es aber nicht.

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Was für ein Lenkungssteuerrat im Neuen Rathaus! Hier wird ein Ablaßhandel errichtet, oder läuft es auf ein Pfandsystem raus? Die Mülleimer, die hier seltsamerweise durchweg ganz altmodisch “Papierkörbe” genannt werden, würden künftig noch tiefer durchsucht werden von den Bettelarmen unserer Stadt.

Ich erinnere mich übrigens, wie ich vor wenigen Jahren vergeblich versucht hatte, in der Filiale einer hiesigen Bäckereikette einen im Kochwaschgang pieksauber gemachten Stoffbeutel über die Theke zu reichen, damit man die Backwaren direkt reintun möge. Sei verboten, hieß es barsch!

“Vermüllen der Welt” als Menschenrecht, lieber Autor, ist ein zu großes Wort für Pappkaffeebecher etc. Unter so einem Schlagwort fielen mir die TV-Bilder ein, auf denen vor Jahren zu sehen war, wie im Sekundentakt Fässer von Badeofen-Größe über spezielle Rutschen an Schiffen in die Nordsee plumpsten. Oder die strahlenden Seen in Маяк.

Übrigens arbeitet Ihr Text eine neue Spielart von Hosea 8:7 heraus: “Denn sie säen Papierkörbe und werden Müll ernten.” Ich stelle mir Dr. Peter in einer kommenden Stadtratsrede vor, und wie er mit diesem Donnersatz allseitiges Nicken erzeugt.

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