Kann eigentlich ein Unternehmen wie Creditreform herausbekommen, warum die Überschuldung in bestimmten Regionen sinkt? Wahrscheinlich nicht. Denn als Inkassodienstleister bekommt auch Creditreform nur mit, dass eine bestimmte Anzahl Haushalte überschuldet ist. Überschuldet heißt: Sie können ihre Schulden „nicht mehr aus vorhandenen Einnahmen oder Vermögen beseitigen“. Wikipedia spricht – durchaus verunglimpfend – von einem „Zustand exzessiver Schulden“.
Den hinter den meisten Schulden stehen keine Exzesse, wie Wikipedia unterstellt. Die Menschen in den Leipziger Ortsteilen mit der höchsten Überschuldungsquote können sich Exzesse finanzieller Art gar nicht leisten. Sie bekommen hingegen mit voller Wucht zu spüren, was es heißt, wenn das eh schon prekär finanzierte Leben durch unvorhergesehene finanzielle Belastungen aus den Angeln gehoben wird. Mal ist es der Verlust des eh schon mies bezahlten Arbeitsplatzes, mal ist es eine schwere Krankheit, ein Unfall oder eine Scheidung, die für ungeplante Mehrausgaben sorgen.
Immer wieder sind es die ganz normalen Unglücksfälle es Lebens, die einen Rattenschwanz schwerwiegender finanzieller Probleme nach sich ziehen.
Und es ist die Mentalität einer Konsumgesellschaft, die den Menschen einredet, wenn sie nur die richtige Ratenvereinbarung abschließen, könnten sie sich auch Dinge leisten, die ihr Einkommen bei Weitem übersteigen. Mal ist es das Auto, das hier die dauerhafte Belastung erhöht, mal ist es der neue Herd oder der neue Kühlschrank.
Dass Leipzig dabei seit Jahren höhere Überschuldungsquoten aufweist als das Umland, hat genau damit zu tun: dem höheren Anteil von Menschen in Hartz-IV-Bezug und in Niedriglohnbeschäftigung. Die Stadtteile, wo diese Quoten deutlich über dem Durchschnitt liegen, sind auch im Schuldneratlas dunkelrot zu erkennen.
Leipzig und sein direktes Umland
Die Zahl der überschuldeten Verbraucher in der Region Leipzig ist 2022 erneut zurückgegangen, meldete Creditreform am Donnerstag, dem 24. November. Insgesamt waren zum Stichtag 1. Oktober 2022 genau 92.518 erwachsene Einwohner in der Region Leipzig überschuldet. Das sind 5.211 Fälle weniger als 2021. Die Überschuldungsquote der Region, zu der die Stadt Leipzig, der Landkreis Leipzig, der Landkreis Nordsachsen sowie ein Teil des Landkreises Mittelsachsen zählen, liegt aktuell bei 9,88 Prozent.
Zwar bleibt die Überschuldungsquote in der Leipziger Region, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen, über dem Bundesdurchschnitt (8,48 Prozent) und dem in Sachsen (8,51 Prozent). Der Rückgang um 0,58 Prozentpunkte fällt aber höher aus, als im deutschen und sächsischen Vergleich, betont Creditreform.
Stärkster Rückgang in der Stadt Leipzig
Die Stadt Leipzig verzeichnet in diesem Jahr den höchsten Rückgang der Schuldnerquote im 10-Jahresvergleich (-1,52 Prozentpunkte) innerhalb der Region Leipzig und innerhalb Sachsens. Die Überschuldungsquote sinkt zum Vorjahr um 0,67 Prozentpunkte und liegt bei 10,65 Prozent (2021: 11,32 Prozent), so Creditreform. Die Zahl der überschuldeten Privatpersonen hat sich somit um 2.976 Fälle auf 53.307 Personen verringert.
Aber da ist dann der Blick in die einzelnen Stadtteile erhellend.
Bei der Betrachtung der Überschuldungssituation auf Postleitzahlenebene zeigen sich große Unterschiede und Spreizungen. Zwar sind die Überschuldungsquoten im gesamten Stadtgebiet rückläufig. Dennoch steht die Schuldnerampel im Osten und Westen der Stadt weiterhin auf „rot“. In Neuschönefeld und Volkmarsdorf ist die Überschuldungsquote mit 17,96 Prozent (2021: 19,6 Prozent) am höchsten.
Das sind nun einmal auch die Ortsteile mit den höchsten Arbeitslosenquoten und den niedrigsten Einkommen. Ähnliche hohe Überschuldung findet man auch in Teilen Grünaus.
Gleichzeitig konnte hier sowie in Paunsdorf und Sellerhausen-Stünz der größte Rückgang der Überschuldungsquote (PLZ 04315: -1,64 Prozentpunkte/PLZ 04328: -1,62 Prozentpunkte) innerhalb der Stadt und der gesamten Region Leipzig gemessen werden. In Mölkau, Baalsdorf und Holzhausen ist die Überschuldungsquote mit 4,57 Prozent (2021: 5,02 Prozent) am niedrigsten.
Was bestätigt: Es sind vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen, die in Überschuldungsfallen geraten. Oft mit dem Ergebnis angedrohter Stromsperren und Wohnungskündigungen.
Die sinkenden Zahlen können aber auch darauf hindeuten, dass sich mit der sinkenden Arbeitslosigkeit für viele dieser Haushalte die finanzielle Lage ein wenig gebessert hat.
Harte Überschuldung nimmt deutlich mehr ab
Auch in diesem Jahr setzt sich der Grundtrend, der Rückgang harter und weicher Überschuldungsfälle, fort. Während bundesweit die Abnahme der harten Überschuldungsfälle etwa viermal höher liegt als die Abnahme der weichen Fälle, zeigt die Region Leipzig eine andere Entwicklung, analysiert Creditreform die Zahlen.
Die Zahl der Überschuldungsfälle mit juristischen Sachverhalten (harte Überschuldung) sinkt um 4.781 Fälle auf 56.802. Seit 2017 ist die harte Überschuldung in der Region Leipzig kontinuierlich gesunken, während die weiche Überschuldung bis 2020 jährlich anstieg. Erst im vergangenen Jahr kehrte sich dieser Trend um und die weiche Überschuldung ging zurück. In diesem Jahr weisen 35.716 Personen weiche Negativmerkmale auf. Der Rückgang (-430 Fälle) fällt allerdings deutlich geringer aus.
Überschuldung von Männern und Frauen geht zurück
Sowohl Männer als auch Frauen weisen Rückgänge von Überschuldungsfällen und –quoten auf. Die Statistik zeigt rund 2.241 weniger Überschuldungsfälle von Frauen als noch 2021. Bei den Männern ging die Zahl um 3.334 Fälle zurück. 2022 waren insgesamt 34.308 Frauen und 55.652 Männer in der Region Leipzig überschuldet. Damit liegt die Überschuldungsquote bei Männern aktuell bei 12,17 Prozent und bei Frauen bei 7,16 Prozent.
Frauen weisen einen stärkeren prozentualen Rückgang weicher Überschuldungsfälle auf (-3,3 Prozent; -442 Fälle) als Männer (- Prozent; -3.072 Fälle). Anders bei den harten Überschuldungsfällen, hier ist der prozentuale Rückgang bei beiden Geschlechtern fast gleich (Frauen: -8,7 Prozent; -1.799 Fälle / Männer: -8,3 Prozent; -2.986 Fälle).
Ausblick: Wiederanstieg der Überschuldungszahlen zu erwarten
Die Überschuldung der Verbraucher in der Region Leipzig hat in diesem Jahr nochmals abgenommen. Die Stadt Leipzig verzeichnet den größten Rückgang der überschuldeten Personen seit zehn Jahren. Auch in den Kreisen sind die Zahlen weiter rückläufig, betont Creditreform.
Die aktuelle Entwicklung ist erfreulich, allerdings haben sich die wirtschaftlichen Perspektiven durch die Energiepreiskrise für Wirtschaft, Gesellschaft, Unternehmen und Verbraucher verdüstert. Die kommenden Monate werden herausfordernd für die privaten Haushalte in der Region, so Creditreform. Durch die hohen Energiekosten und das allgemein steigende Preisniveau sind insbesondere Verbraucher mit geringen Einkommen gefährdet.
Zudem ist nicht auszuschließen, dass die steigenden Ausgaben für Versorgungsleistungen, Strom, Wasser, Gas und Wärme mehr Haushalte in die Überschuldung treiben.
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