Die Botschaft ist angekommen: Wenn unser Klima sich weiter aufheizt, müssen sich auch die Unternehmen etwas einfallen lassen, die unser Trinkwasser bereitstellen. Auch jene, die den Süden Sachsen-Anhalts versorgen – wie die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz. Denn das dortige Trinkwasser kommt aus der Rappbodetalsperre, die sich möglicherweise aufheizen könnte wie der Gardasee in Italien.
Nach Daten des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) könnte ein ungebremst fortschreitender Klimawandel eine deutliche Erhöhung der Wassertemperatur in der Rappbodetalsperre im Ostharz zur Folge haben.
Welche Anpassungsstrategien in der Bewirtschaftung der Talsperre dann notwendig werden könnten, eruieren der Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt (TSB) und das UFZ seit Jahren gemeinsam und in enger Abstimmung mit der Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz (FWV), teilen beide Unternehmen nun mit. Der Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt nutzt das Wasser der Rappbodetalsperre zur Trinkwasserbereitung und versorgt damit rund eine Million Menschen im Raum Halle und im südlichen Sachsen-Anhalt.
Für die Qualität des aus der Rappbodetalsperre gewonnenen Trinkwassers spielt das zitierte Szenario der „italienischen Wassertemperaturen“ allerdings im Moment keine Rolle, da die Technologie der Trinkwasseraufbereitung in der Lage ist, mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen.
Änderungen im Talsperren-Regime
Die Rappbodetalsperre als einer der größten Rohwasserspeicher Deutschlands könnte in Zukunft unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben. In einer Studie prognostizierte ein Team um den UFZ-Seenforscher Dr. Karsten Rinke konkret die Auswirkungen auf die Wassertemperatur und auf die physikalische Struktur, die Schichtung und die jahreszeitliche Durchmischung des Wasserkörpers der im Ostharz gelegenen Talsperre.
Im Fokus steht dabei die Erkenntnis, dass eine deutliche Erwärmung des Wassers drohen könnte, die sich beispielsweise in einer verstärkten Nährstoffkonzentration, einem erhöhten Algenwachstum und der Zunahme von Blaualgen niederschlagen könnte.
Matthias Krüger, Leiter Qualitätssicherung und Ressourcenschutz bei der FWV, betont: „Die Aussagen beziehen sich in erster Linie auf das Rohwasser in der Rappbodetalsperre und nicht auf das Trinkwasser, welches nach der Aufbereitung unser Wasserwerk in Wienrode verlässt. Die Trinkwasseraufbereitungsanlage ist so aufgebaut, dass auch künftig möglicherweise auftretende Verunreinigungen und Bakterien aus dem Rohwasser entfernt werden.“ Die Trinkwasserkunden brauchten sich mithin keine Sorgen um ihr Lebensmittel Nummer 1 zu machen.
„Unabhängig davon ist der Klimawandel ein ernstes Problem, auf das wir insgesamt als Gesellschaft zügig und konsequent reagieren müssen“, betont FWV-Geschäftsführer Dr. Peter Michalik und ergänzt: „Wir verfolgen als Trinkwasserversorger die Entwicklungen sehr genau und entwickeln langfristig entsprechende Lösungen, um bei Bedarf technisch reagieren zu können.“
Analog dazu rüstet sich der TSB für die Herausforderungen der Zukunft. So erklärt Burkhard Henning, Geschäftsführer des TSB: „Die Bereitstellung von Rohwasser aus der Rappbodetalsperre ist eine der Hauptaufgaben des Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt. Diese Ressource zu sichern hat höchste Priorität und stand stets auf unserer Agenda.“
Die 2004 in Auftrag gegebene und 2006 veröffentlichte Potentialstudie des TSB verdeutlicht dies. In der inzwischen dritten Fortschreibung der Studie werden schwerpunktmäßig die Einflussfaktoren Wald und Klima betrachtet.
„Die Arbeit des UFZ ist also nur ein Baustein mit dem Ziel einer dauerhaften Sicherstellung einer guten Rohwassermenge und -qualität“, resümiert Henning und verweist auf ein weiteres zentrales Projekt: „Eines der größten Vorhaben der letzten 25 Jahre in diesem Zusammenhang war die Durchsetzung einer zentralen Abwasserfassung und -entsorgung im Oberharz. Infolgedessen wird nun das gesamte Abwasser aus dem Oberharz herausgeleitet und beeinträchtigt die Rohwasserfassung in der in großen Teilen als Trinkwasserschutzgebiet ausgewiesenen Region nicht.“
Um die Trinkwasserversorgung nachhaltig für die Zukunft zu sichern, arbeiten FWV und TSB zudem eng zusammen. So werden derzeit Grundlagen zur Bewirtschaftung der Talsperren nicht nur nach Mengenkriterien, sondern auch nach erweiterten Qualitätskriterien geschaffen.
„Die Rohwasserabgabe an den Unterlauf aus höheren und also wärmeren Schichten zur Begrenzung des Temperaturanstiegs des Wasserkörpers im Sommer ist zum Beispiel schon seit Längerem in der Diskussion und die Umsetzung in Arbeit“, erklärt der Leiter Qualitätssicherung und Ressourcenschutz der FWV Matthias Krüger. Die Datenbasis für solche Modellrechnungen, wie UFZ-Forscher Dr. Rinke sie nun präsentierte, liefert ein weiteres langjähriges Gemeinschaftsprojekt der drei Partner, das sich unter der Bezeichnung „Talsperren Observatorium Rappbode“, kurz TOR, diesen komplexen Fragestellungen der Zukunft widmet.
Die Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz ist ein Vorversorger und beliefert lokal und regional tätige Wasserversorgungsunternehmen, Wasserzweckverbände und Industriekunden – und damit insgesamt rund 2,5 Millionen Menschen in Mitteldeutschland − mit Trinkwasser aus der Rappbodetalsperre im Harz und aus der Elbaue im Raum Torgau. Das Versorgungsgebiet des Unternehmens reicht von Halberstadt im Harz über Halle und Leipzig bis Torgau an der Elbe und erstreckt sich südlich bis Freyburg und Zeitz.
Der Talsperrenbetrieb Sachsen-Anhalt, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist Eigentümer und Betreiber von 36 Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken im Land Sachsen-Anhalt. Zu seinen Aufgaben gehören der Bau, der Betrieb, die Sanierung und die Unterhaltung der Anlagen. Für über 1 Mio. Einwohner von Sachsen-Anhalt wird Rohwasser für die Trinkwasserbereitstellung geliefert. Neben dem Hochwasserschutz und der Niedrigwasseraufhöhung nutzt der Talsperrenbetrieb das Wasserkraftpotential seiner Anlagen über eine Tochtergesellschaft, die Talsperren Wasserkraft Sachsen-Anhalt GmbH.
UFZ-Forschung: Der Klimawandel stellt die Trinkwasserversorgung auch in Mitteldeutschland vor neue Herausforderungen
Leipziger Zeitung Nr. 85: Leben unter Corona-Bedingungen und die sehr philosophische Frage der Freiheit
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