Ortstermin an der Messekehre, jener Straßenbahnschleife, an der die Sonderbahnen zur Messe über die Windmühlenstraße eine Kurve zurück zum Ring machen. Dort hielt am Mittwoch, 18. Dezember, eine große XXL-Straßenbahn. Der Grund: eine neue Werbung, nicht für ein Autohaus oder einen Päckchenverladedienst, sondern für ein Projekt, in dem sich in den drei Nachbarstädten Leipzig, Markkleeberg und Schkeuditz mittlerweile viele Menschen engagieren: Fairen Handel.
Fairer Handel heißt: Die Menschen, die die Produkte herstellen, werden gut entlohnt, arbeiten zu menschenwürdigen Bedingungen und haben über den fairen Handelspreis einen höheren Anteil am Verkaufspreis, anders, als das heute bei vielen Billigherstellern der Fall ist.
Das Thema der Ausbeutung von Menschen irgendwo fern in Afrika, Südamerika oder Asien, die all die Konsumprodukte für europäische Warenketten herstellen, beschäftigt immer mehr Menschen. Und eben auch Kommunen, die durch engagierte Vereine und Ratsfraktionen natürlich auch getrieben werden, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Denn sie können viel bewirken, indem sie beim Einkauf die faire Produktion der Einkäufe zur Bedingung machen.
Seit Mittwoch wirbt jetzt zwischen Schkeuditz, Leipzig und Markkleeberg die besonders gestaltete Straßenbahn für fairen Handel. Den Startschuss gaben Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, Markkleebergs Oberbürgermeister Karsten Schütze und der Direktor des Zoos Leipzig, Prof. Jörg Junhold, der zu diesem Anlass offiziell die Funktion des Botschafters für das Netzwerk Leipzig handelt fair übernahm.
Der dritte Bürgermeister im Bunde, Oberbürgermeister Rayk Bergner aus Schkeuditz, war durch einen Unfall auf der Fahrt Richtung Leipzig, der die Straße blockierte, an der Teilnahme gehindert.
Aber die Werbeaktion weist trotzdem darauf hin, dass alle drei Städte an der städteverbindenden Linie 11, auf der die Bahn fahren wird, inzwischen spürbare Schritte getan haben, um wirklich eine richtige Faitrade-Stadt zu werden.
Unter dem Motto „Fairer Handel verbindet“ wird die Bahn des Typs NGT 12 XXL auf der Linie 11 für ein Jahr auf die Bedeutung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen für ein friedliches globales Miteinander aufmerksam machen und mit dem Kauf zertifizierter Fairtrade-Produkte eine einfache und direkte Möglichkeit aufzeigen, dazu beizutragen.
Was sagen die Bürgermeister?
„Wir haben erste Projekte, bei denen faire Kriterien in der Beschaffung nachweislich berücksichtigt wurden, erfolgreich abschließen können“, erläutert Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Weitere seien am Anlaufen, auch im Bereich der Eigenbetriebe und der städtischen Unternehmen. „Wir wollen mittel- und langfristig die große Marktmacht, die die öffentliche Hand hat, zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im globalen Süden nutzen. Das ist nicht nur moralisch einfach nötig, sondern es ist auch aktive Bekämpfung von Migrationsursachen und kommt uns deshalb auf direktem Wege wieder zugute.“
In der Vergangenheit waren es vor allem Themen wie fair gehandelter Kaffee oder Bälle aus fairer Produktion, die für Aufmerksamkeit sorgten. Aber inzwischen gelingt es Leipzig auch in der Beschaffung von Arbeitsbekleidung, faire Anbieter zu finden. Beispielhaft nennt Rosenthal die Feuerwehr und das Ordnungsamt. Thema sei auch die Stadtreinigung. Und von den kommunalen Betrieben erwarte er das eigentlich auch. „Die Befürchtungen, dass uns das teurer kommt, haben sich nicht bestätigt.“
Ab dem nächsten Jahr werde verstärkter Wert auf die nachweisliche Einhaltung der geltenden sozialen Normen gelegt, erklärte Rosenthal. Das sei mit einigen Produkten sehr einfach zu machen, was auch beim Grünen Ring Leipzig unter Beweis gestellt worden sei, der bereits seit einigen Jahren zu den Stadt-Umland-Konferenzen ein faires und nachhaltiges Catering organisiert habe.
„Auch wir als Stadt mit 25.000 Einwohnern versuchen, unseren kleinen Beitrag zu leisten und ein Zeichen gegen ausbeuterische Handelsverhältnisse zu setzen, indem wir faire Produkte beschaffen und das Thema Fairer Handel in diversen Projekten voranbringen“, ergänzt Markkleebergs Oberbürgermeister Karsten Schütze. „Schön wäre, wenn die Zahl der Städte, die sich für fairen Handel und für faire Beschaffung einsetzen, kontinuierlich wächst und sich auch immer mehr kleinere Städte mit dem Thema beschäftigen und Netzwerke bilden.“
Und er verwies darauf, dass die Hauptarbeit, Markkleeberg zu eine Fairtrade-Town zu machen, von den Ehrenamtlichen im Fairtrade-Team geleistet werde. Wobei das Fair-Denken auch langsam zur Stadtpolitik werde. So habe man in der Ausschreibung für das neue Pflaster in Markkleeberg-Mitte ganz bewusst die Forderung nach fairen Produktionsstandards verankert. Und auch bei Dienstbekleidung sei man in diesem Sommer einen ersten Schritt gegangen: Der Ordnungsdienst bekam kurze Hosen aus fairer Produktion.
Und inzwischen gebe es – so wie in Leipzig den fairen Leipzig-Kaffee –auch in Markkleeberg eine eigene faire Markkleeberg-Kaffeemarke.
Vom Schkeuditzer Oberbürgermeister Rayk Bergner gab es logischerweise nur das Fern-Statement: „Dass auch die ganz großen Aufgaben mit alltäglichen, kleinen Schritten zu packen sind, macht diesen Ansatz besonders attraktiv. Ich möchte das gern aus der interkommunalen Kooperation übernehmen und freue mich auf diese Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstädten im kommenden Jahr. Die Bahn, die auf der Linie 11 zwischen den drei Städten fährt, bringt diese verbindende Wirkung bildhaft zum Ausdruck.“
Denn der Direktor des Zoo Leipzig, Prof. Jörg Junhold, begründet sein Engagement als Botschafter des Netzwerks „Leipzig handelt fair“ so: „Mit Überzeugung unterstütze ich die Leipziger Initiative zur Stärkung des Fairen Handels. Wir haben als Stadtgesellschaft die Aufgabe, uns gegen die globale Ausbeutung von Menschen und Natur zu stellen – mit fairen Bedingungen bei der Produktion von Konsumgütern und zu fairen Preisen. Wir alle tragen eine Verantwortung für unsere Umwelt, und als Zoo haben wir dabei natürlich die Erhaltung der Artenvielfalt im Blick, die auch durch die Stärkung des fairen Handels profitiert. Der Zoo Leipzig und das Netzwerk ,Leipzig handelt fair‘ kämpfen für dieselben Ziele und streiten gemeinsam für eine faire Zukunft.“
Und er wies auch darauf hin, dass viele Umweltschäden, die dazu führen, dass bedrohte Arten ihren Lebensraum verlieren, dadurch entstehen, dass Menschen in anderen Erdteilen mit unfairen Arbeitsbedingungen gezwungen werden, sich einen letztlich umweltschädlichen Erwerb zu suchen.
Im Zoo-Shop gebe es inzwischen nicht nur fair gehandelten Tee, Kaffee und Schokolade, sondern auch Kunst direkt aus Nambilia, von deren Verkauf der Künstler direkt profitiert. Junhold übergab zu diesem Anlass auch die vollständig überarbeitete zweite Auflage des „Fairen Einkaufsführers“ der Öffentlichkeit.
Was wird man alles zu sehen bekommen?
Während zweier jeweils 14-tägiger Plakataktionen in den Bahnen in diesem und im kommenden Jahr soll mit Bildschirmspots, DIN A 3-Plakaten und sogenannten Swing Cards das Thema sowohl auf kommunaler als auch im Gewerbebereich erläutert und auf kooperierende Einzelhandels- und Gastronomiebetriebe hingewiesen werden, die Fairtrade-Produkte in ihrem Sortiment führen und hier einen erkennbaren Schwerpunkt setzen.
Zwischen den Fairtrade-Towns Leipzig und Markkleeberg besteht auf der Ebene der Steuerungsgruppen seit 2018 eine regelmäßige Kooperation. Leipzig darf seit 2011 den Titel Fairtrade Town tragen, Markkleeberg seit 2015. Die Aktivitäten zur Förderung des Fairen Handels mündeten in Leipzig auch in mehrere erfolgreichen Teilnahmen der Stadt Leipzig beim Wettbewerb „Hauptstadt des fairen Handels“, wobei 2015 und 2019 jeweils einer der fünf Hauptpreise errungen werden konnte.
Leipzig und Markkleeberg fördern den Fairen Handel seit längerem mit zahlreichen Aktionen. Das Projekt „Fairtrade – Straßenbahn“ wird durch die Engagement Global gGmbH im Auftrag des BMZ gefördert. Der Fördersatz beträgt 90 Prozent.
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