Nicht nur der Bund, auch der Freistaat Sachsen hat seit fast zehn Jahren den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit allen Mitteln gebremst. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, wenn ein Land eigentlich in nächster Zeit aus der Atomenergie und fast gleichzeitig auch aus der Steinkohlestromgewinnung aussteigen will. Beides Dinge, die seit fast 20 Jahren geplant sind. Aber von CDU-Regierungen mit aller Kraft ausgebremst wurden. Und trotzdem sparen die Deutschen durch die ausgebremsten Erneuerbaren. Das belegt eine neue Studie.
Vorgestellt hat sie die EWS Schönau am Mittwoch, 9. Oktober. Die Rechnung ist eigentlich simpel: Die Kosten der EEG-Umlage (die die Deutschen über ihren Strom bezahlen) werden schlicht den Kosten gegengerechnet, die durch die alten, fossilen Arten der Stromerzeugung an den Börsen entstanden wären, wenn es keinen Strom aus Wind und Solar gegeben hätte, der seinerseits die Börsenpreise für Strom seit Jahren spürbar dämpft.
Wie wurde vorgegangen?
Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) rekonstruierten auf Grundlage historischer Preisdaten des „Day-Ahead“-Marktes, welche Preise sich an der Strombörse in den Jahren 2011 bis 2018 ohne die Einspeisung aus Windkraft und Photovoltaik eingestellt hätten. Das FAU-Diskussionspapier belegt, dass die Mehrkosten aufgrund höherer Großhandelspreise die Kosten der EEG-Umlage 2011 bis 2018 insgesamt deutlich überschritten hätten: um 45 Prozent.
Bereits 2015 belegte die Forschergruppe um Prof. Jürgen Karl, dass Erneuerbare Energien den bundesdeutschen Letztverbrauchern in den Jahren 2011 bis 2013 rund 30 Milliarden Euro einsparten. Die nun vorliegende Folge-Studie zeigt, dass sich dieser Trend fortsetzte: Windkraft und Solarstrom konnten dank des Merit-Order-Effekts den Börsenstrompreis signifikant senken und den bundesdeutschen Letztverbrauchern in den Jahren 2014 bis 2018 nochmals Mehrkosten von über 40 Milliarden Euro ersparen.
CO2-Zertifikate-Handel ist einflussreicher Faktor
Die Inbetriebnahme von Kohlekraftwerken, die 2014 und 2015 fertiggestellt wurden, führte zwar zu einer vorübergehenden Trendumkehr. Diese wurde jedoch durch die Stilllegung weiterer Atom- und Kohlekraftwerke mehr als kompensiert. Eine Laufzeitverlängerung der stillgelegten Kraftwerke wäre keine Option gewesen, da die technische und wirtschaftliche Lebensdauer längst überschritten war.
Die Strompreise privater Haushalte steigen seit der Liberalisierung des Strommarktes kontinuierlich an. Dieser Trend manifestierte sich lange bevor die Erneuerbaren Energien signifikant zur bundesdeutschen Stromversorgung beitrugen. Als einflussreicher, nicht prognostizierbarer, börsenpreisbestimmender Faktor hat sich der CO2-Zertifikate-Handel erwiesen. Die größten Ausschläge im „Day-Ahead“-Handel korrelieren mit CO2-Preisänderungen.
„Mit den Kostentreiber-Mythen aufräumen“
Mit einer Änderung im EEG im Jahr 2009 entstand das sogenannte Börsen-Paradoxon: Je tiefer der Strompreis an der Börse fällt, desto schneller wird das seinerzeit angelegte EEG-Konto geleert, desto höher muss die EEG-Umlage werden, um das Konto wieder aufzufüllen. Der oben genannte Sündenfall 2009 sowie die massive Ausweitung von Industrieprivilegien im Jahr 2012 erhöhten die Umlage überproportional zur tatsächlichen Förderung der Energiewende. Die Sonderkostenblöcke werden in der öffentlichen Wahrnehmung den Erneuerbaren Energien zugeschrieben.
„Das FAU-Diskussionspapier ist daher hilfreich, um mit den Kostentreiber-Mythen aufzuräumen“, stellt Sebastian Sladek, Vorstand der EWS Schönau e. G. klar. „Für Menschen, die weder die Kosten noch den Wert der Energiewende kennen, hilft das FAU-Diskussionspapier bei der Einschätzung der Kosten. Der Wert der Energiewende erschließt sich denen, die der Klimawissenschaft zuhören. Das limitierte CO2-Budget, welches in spätestens einer Dekade aufgebraucht ist, lässt ein Weiter-So nicht zu. Auch im Hinblick auf die Folgekosten-Lawine, die der menschengemachte Klimawandel auslöst.“
Der Ausbau der Erneuerbaren muss vervierfacht werden
Mit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens verpflichtete sich Deutschland 2015, seinen Teil beizutragen, um die globale Erwärmung möglichst auf 1,5°C zu beschränken. Die vorliegende FAU-Analyse weist nach, dass diese Zusage mit den aktuellen Ausbauzielen für Erneuerbare Energien unerreichbar ist. Um den Klimaschutzzielen der Bundesregierung (Reduktion der Treibhausgasemissionen der Energiewirtschaft bis 2030 um die Hälfte gegenüber 2014) zumindest nahezukommen, müsste der Ausbau Erneuerbarer Energien vervierfacht werden.
Bliebe es bei der mittlerweile manifestierten Stagnation des Ökoenergien-Ausbaus, so würden die kommenden Stilllegungen fossil-nuklearer Kraftwerkskapazitäten das Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht hin zu höheren Börsenpreisen verschieben. Um die daraus zu erwartenden Strompreissteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 im Rahmen zu halten, ist ein massiver und schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien unabdingbar.
Um welche Kapazitäten es geht, fasste der „Spiegel“ am 9. Oktober in einem Beitrag so zusammen: „Die Kohlekommission hatte vorgeschlagen, die installierte Erzeugungskapazität aus Kohlekraftwerken bis 2022 auf 30 Gigawatt zu reduzieren, bis 2030 auf 17 Gigawatt zu senken und bis spätestens 2038 schließlich auf null. Derzeit befinden sich 18,9 Gigawatt Braunkohlekraftwerke und 21,4 Gigawatt Steinkohlekraftwerke im Markt, sie verursachen mehr als zwei Drittel der Emissionen im Sektor Energiewirtschaft.“
Und: „Denn nach dem Vorschlag der Kohlekommission sollen bis Ende 2022 Kohlemeiler mit einer Leistung von rund 12,5 Gigawatt stillgelegt werden.“
Wikipedia zu EWS: Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) sind ein Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in Schönau im Schwarzwald. Das Unternehmen, das aus der Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen ist, betreibt das örtliche Stromnetz und vertreibt in ganz Deutschland Ökostrom, wobei es für eine klimafreundliche und atomstromlose Energieversorgung eintritt.
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