So geht man nicht wirklich mit Kunden um, findet die Verbraucherzentrale. Schon einmal geriet die Sparkasse Leipzig in die Kritik, als sie versuchte, alte Prämienspar-Verträge kurzerhand loszuwerden, abgeschlossen in Zeiten, als es noch ordentliche Zinsen gab. Die werden natürlich auch für Sparkassen ein Problem, wenn die EZB ihre Null-Zins-Politik weiterfährt. Aber auch solche Verträge müssen rechtskonform aufgelöst werden. Seit Juli steckt die Sparkasse wieder im Auge eines Proteststurms.

Die Verbraucherzentrale Sachsen reagierte am 30. Juli auf eine neue Kündigungswelle der Sparkasse: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Ob die Hausspitze der Sparkasse Leipzig an diesen Spruch gedacht hat, fragte sich gerade die Verbraucherzentrale Sachsen, als erneut scharenweise gekündigte Prämiensparer bei ihr anklopften.

„Uns ist es unverständlich, wie in der aktuellen Situation so eine Entscheidung getroffen werden kann“, wundert sich Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen. Seit Monaten stehen Sparkassen wegen bereits erfolgter Kündigungen von Langzeitsparverträgen, wegen zu niedrig gezahlter Zinsen und wegen überproportional hohen Vorstandsgehältern öffentlich in starker Kritik. Von einem Reflektieren und einer Abkehr des eingeschlagenen Weges keine Spur.

„Es ist deshalb wohl höchste Zeit, dass sich der Dachverband der Sparkassen, die zuständigen Aufsichtsbehörden und die Politik diesen Instituten intensiver widmet“, appelliert Eichhorst. „Sparkassen haben eine wichtige gesamtgesellschaftliche Rolle und müssen diese erfüllen.“

Die aktuellen Kündigungen führten seit der letzten Juli-Woche dazu, dass weitere Betroffene ihre Verträge bei der Verbraucherzentrale Sachsen prüfen ließen.

„Dabei werden wir nicht nur die Rechtmäßigkeit der Kündigungen prüfen, sondern auch, ob die Zinsen rechtmäßig angepasst wurden“, informiert Eichhorst. Betroffene können die Verbraucherzentrale Sachsen mit der rechnerischen Überprüfung beauftragen.

In hunderten anderen Fällen ist dabei bislang herausgekommen, dass den Sparern noch hohe, meist vierstellige Zinsnachzahlungen zustehen. Da die Sparkasse Leipzig, wie andere sächsische Institute auch, diesbezüglich eine harte Linie fährt, hat die Verbraucherzentrale Sachsen schon Ende Mai eine Musterfeststellungsklage gegen das Institut beim Oberlandesgericht Dresden eingereicht. Ziel ist, zu klären, wie die Zinsberechnung zu erfolgen hat und dass die Ansprüche noch nicht verjährt sind. Schon hunderte Sparer haben sich der Klage angeschlossen und täglich werden es mehr. Die Sparkasse Leipzig trägt mit ihrer jetzigen Kündigungsaktion selbst dazu bei, dass sich immer mehr Betroffene an der Klage beteiligen.

Seit Mitte Juni können sich Betroffene einer Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Leipzig anschließen.

„Davon haben mittlerweile schon mehr als 500 Kunden Gebrauch gemacht“, erklärte Madlen Müller, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale, dann am 14. August. „Wir freuen uns über den großen Zuspruch der Verbraucher. Das nächste Ziel ist die Tausender-Marke.“

Und jede Woche melden sich weitere Sparer zur Musterklage gegen die Sparkasse Leipzig an.

In dem Verfahren geht es um die Berechnung von Zinsnachzahlungen aus langjährigen Prämiensparverträgen. Diese wurden in den 1990er und 2000er-Jahren durch die Sparkassen im großen Stil mit ihren Kunden abgeschlossen. In den Verträgen wurden variable Zinsen vereinbart. Wie genau diese berechnet werden sollten, war erst ab 2006 in Neuverträgen genauer geregelt.

Woher aber kommt die jetzige Unsicherheit, die die Bankinstitute möglicherweise ganz zu ihrem Vorteil auslegen?

Seit 2003 hat der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen verschiedene Zinsanpassungspraktiken von Banken für unwirksam erklärt. Die Urteile betrafen aber immer nur Einzelfälle. Mit der nun beim Oberlandesgericht Dresden eingereichten Musterfeststellungsklage sollen die Ansprüche aller betroffenen Kunden der Sparkasse Leipzig geklärt werden. Darüber hinaus rechnet die Verbraucherzentrale Sachsen damit, dass das Urteil auch Auswirkungen auf andere Sparkassen haben wird.

Mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden rechnet die Verbraucherzentrale Sachsen im nächsten Jahr. Sollte der Fall bis zum Bundesgerichtshof gehen, dürfte die endgültige Entscheidung 2021 fallen.

Die Einreichung der Klage hat aber das Leipziger Geldinstitut augenscheinlich nur bedingt dazu bewegt einzulenken.

Während die Sparer der ersten Kündigungswelle im Jahr 2017 ein Alternativangebot unterbreitet bekamen, welches seinerzeit mit der Verbraucherzentrale Sachsen besprochen war, halten die jetzt Gekündigten vergebens Ausschau nach einer solchen Offerte, meldete die Verbraucherzentrale am 29. August. Verärgerte Verbraucher ließen über diese Behandlung in der Verbraucherzentrale Sachsen ihren Unmut freien Lauf.

„Wir können gut verstehen, dass die Kunden nun doppelt verärgert sind“, sagt Andreas Eichhorst. „Wir haben versucht, die Sparkasse Leipzig dazu zu bewegen, auch den jetzt betroffenen Prämiensparern das befristete Produkt ,Extra-Festzinssparen‘ mit einem Zinssatz von 1,1 Prozent anzubieten.“

Aber es geht eben weniger um die Kündigungen der Langzeitsparverträge „Prämiensparen flexibel“, als um das eigentliche Problem in diesen langjährigen Sparverträgen, nämlich die Zinsanpassung, und die Frage, ob die Zinsen während der Vertragslaufzeit seitens der Sparkasse richtig berechnet wurden.

Die Verbraucherzentrale Sachsen ist der Rechtsauffassung, dass den Sparern aufgrund fehlerhafter Zinsanpassungen erhebliche Nachzahlungen zustehen. Wie die Verbraucherschützer nun von einzelnen Sparern erfahren haben, bietet die Sparkasse aktuell 10 Prozent des von Sachverständigen errechneten Nachzahlungsbetrages an.

„Das zeugt nach unserer Einschätzung einerseits davon, dass die Sparkasse selbst davon ausgeht, noch Zinsen nachzahlen zu müssen und ist andererseits von der Taktik geprägt, erst einmal nur den Wurstzipfel statt die ganze Wurst anzubieten“, bewertet Eichhorst das Agieren.

Wer das Angebot erhält, sollte genau überlegen, ob er es annimmt,meint die Verbraucherzentrale. Eine Chance auf mehr biete sich denjenigen, die gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Sachsen um ihr Geld kämpfen würden. An der bereits eingereichten Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig können sich betroffene Kunden dieses Instituts nach wie vor beteiligen. Wer dafür Unterstützung benötigt, findet diese bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Beratungstermine können montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr unter der Tel. (0341) 696 29 29 vereinbart werden.

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