Tricksen, Verschleiern, Käufer narren. Das ist nicht nur das Prinzip vieler Produzenten, die die Inhaltsstoffe und die Herkunft der von ihnen angebotenen Supermarktprodukte so verstecken, dass der Konsument systematisch in die Irre geführt wird. Das Schlimme ist: Bundesminister spielen das Spiel bereitwillig mit. Sei es die Landwirtschaftsministerin, die die „Lebensmittelampel“ ablehnt, sei es der Bundesentwicklungsminister Müller mit dem Label „Grüner Knopf“.

Am Montag, 9. September, stellte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den „Grünen Knopf“ in Berlin vor. Dieses Textilsiegel soll laut BMZ eine Antwort auf die Unglücke mit hunderten Toten und Verletzten in asiatischen Textilfabriken sein. Die Menschenrechts- und Hilfsorganisation medico international übt gemeinsam mit pakistanischen Partnerorganisationen gleich am Montag scharfe Kritik an der Initiative: Statt auf eine dringend nötige gesetzliche Reglung setze der „Grüne Knopf“ auf Freiwilligkeit und sei daher praktisch wirkungslos.

„Mit den Tragödien von Ali Enterprises und Rana Plaza war die Zeit für freiwillige Selbstverpflichtungen der Weltmarktunternehmen endgültig abgelaufen. Wollen wir das Leben unserer Arbeiterinnen und Arbeiter retten, müssen wir die Unternehmensmacht dem Menschenrecht und das Konzernmanagement dem Strafrecht unterstellen“, so Zehra Khan, eine der Sprecherinnen der „Überlebenden und Hinterbliebenen des Ali Enterprise-Feuers“ aus Pakistan.

„Minister Müller betreibt Schaufensterpolitik, statt endlich das Gesetz auf den Weg zu bringen, das sein eigenes Haus erarbeitet hat. Das würde die unerträglichen Verhältnisse in Südasiens Textilfabriken wirklich ändern“, so Dr. Thomas Seibert, Referent für Menschenrechte bei medico international. „Der ‚Grüne Knopf‘ ist das Resultat davon, dass sich eine Koalition aus Wirtschaftsministerium und Wirtschaftsverbänden durchgesetzt hat.“

Der ursprüngliche Entwurf eines „Nachhaltigen Wertschöpfungskettengesetzes“ des BMZ sah vor, deutsche Unternehmen mit hohen Bußgeldern und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen zu bestrafen, wenn sie bei ihren Auftragnehmern im globalen Süden nicht die Menschenrechte und die internationalen Arbeitsrechte einhalten.

So aber wird Tricksen und Vertuschen weiter belohnt.

Ganz ähnlich ging es bislang bei Fleisch in der Fleischtheke zu. Ein Thema, das jetzt die Verbraucherzentralen einmal unter die Lupe genommen haben.

Verzweifelt gesucht: Fleisch aus besserer Tierhaltung

In einer bundesweiten Stichprobe überprüften die Verbraucherzentralen das Fleischangebot von Supermärkten und Discountern in den einzelnen Haltungsstufen. Der Hintergrund der Aktion war wieder so ein tolles neues Label: Im April 2019 hatten sich acht Handelsunternehmen auf eine einheitliche Kennzeichnung mit dem Siegel „Haltungsform“ geeinigt.

Das Ergebnis der Untersuchung: Sowohl Produkte mit der neuen als auch mit der alten Haltungskennzeichnung werden angeboten. Aber auch: Fleisch aus deutlich besseren Haltungsbedingungen macht mit weniger als 10 Prozent am Gesamtangebot einen zu geringen Anteil aus.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es deshalb noch immer schwer, Fleisch aus tiergerechter Haltung im Supermarkt oder Discounter einzukaufen – obwohl seit April 2019 acht Handelsunternehmen ihre Fleischprodukte einheitlich mit dem Siegel „Haltungsform“ kennzeichnen. Das ergab der nicht repräsentative Marktcheck der Verbraucherzentralen.

Im Mai und Juni 2019 hatten die Verbraucherschützer in 14 Bundesländern insgesamt 1.631 Produkte geprüft, um zu erfahren, wie das Fleischangebot in den einzelnen vier Haltungsstufen aufgestellt ist. Das einheitlich gestaltete, vierstufige Label umfasst die Haltungsbedingungen Stallhaltung (Stufe 1), Stallhaltung Plus (Stufe 2), Außenklima (Stufe 3) und Premium (Stufe 4).

Fleisch aus deutlich besserer Tierhaltung ist selten zu finden

„Weniger als 10 Prozent des Fleischangebots waren mit der Stufe 3 und 4 gekennzeichnet. Diese stehen für deutlich bessere Haltungsbedingungen und bei Fleisch der Stufe 4 handelt es sich fast ausschließlich um Bio-Fleisch“, erklärt Annett Reinke, Lebensmittelrechtsexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg. „Das ist viel zu wenig und schränkt die Auswahl beim Einkauf ein.“

Etwa ein Drittel der untersuchten Produkte (33,8 Prozent) stammt aus der Haltungsform 2, bei der die Anforderungen nur wenig über dem Mindeststandard liegen. Es handelt sich in der Regel um Geflügel. Mehr als die Hälfte des Fleischangebots (56,3 Prozent), überwiegend Schwein und Rind, sind mit der Haltungsform Stufe 1 gekennzeichnet. Bei dieser entsprechen die Haltungsbedingungen jedoch nur dem gesetzlichen Mindeststandard.

Label-Wirrwarr und mangelnde Transparenz

Zwei Monate nach der Einführung des neuen, einheitlichen Kennzeichnungssystems ist immer noch ein Drittel der untersuchten Produkte nach den alten, händlerspezifischen Modellen gekennzeichnet. „Dieses Label-Wirrwarr irritiert beim Einkauf. Nur wenn Händler ihre Fleischprodukte konsequent mit dem einheitlichen Siegel zur Haltungsform kennzeichnen, haben Verbraucher eine Chance den Überblick bei der Fleischauswahl zu behalten“, kritisiert die Lebensmittelrechtsexpertin.

Verfügbarkeit verbessern

Auch bei der Wahlfreiheit für Verbraucher müssen Händler nachbessern und ihr Angebot von Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch in den Haltungsformen 3 und 4 erweitern. Davon sind die Handelsketten derzeit weit entfernt und geben bisher auch keine Anreize, die zu einer Verbesserung des Angebots in diesen Stufen führen.

„Die Haltungskennzeichnung des Handels ist ein guter Ansatz, jedoch kein Garant für mehr Tierwohl“, erklärt Reinke. „Dafür müssen die Haltungsbedingungen flächendeckend in der gesamten Nutztierhaltung verbessert werden.“

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