Was passiert eigentlich in einer Stadt, in der der Wohnungsmarkt aus dem Lot gerät, die Stadt keinen Zugriff auf die großen Grundstücke hat und die Gelder für sozialen Wohnungsbau knapp sind? Das Gut Wohnen wird zum Spekulationsobjekt. Obwohl es die Postbank, eine 100-prozentige Tochter der Deutschen Bank, so nicht nennt. Sie vermeldet lieber: „Leipzig lohnt sich: Die Chancen stehen gut, dass Immobilien in der Messestadt bis zum Jahr 2030 weiter an Wert gewinnen.“

Denn während immer mehr Leipziger ein Problem haben, in der Stadt noch eine passende bezahlbare Wohnung zu finden, steigen die Bodenpreise und die Marktpreise für Häuser und Wohnungen. Und zwar nicht, weil die Leipziger selbst so danach Schlange stehen, sondern weil die Nachfrage von Anlegern steigt, die im Erwerb einer Leipziger Immobilie eine gute Wertanlage sehen.

An diese wendet sich die Postbank auch, wenn sie vermeldet: „Die jährliche Steigerungsrate wird auf 1,18 Prozent taxiert. In Dresden liegen die Prognosen mit jährlichen Wertsteigerungen von 1,23 Prozent sogar noch darüber. Mit diesen Zuwächsen belegten die beiden bevölkerungsreichsten Städte Sachsens Spitzenplätze im Vergleich mit den ,Big Seven‘, den sieben größten Städten Deutschlands. Nur München schneidet noch besser ab. Das zeigt ein Blick in den Postbank Wohnatlas, für den das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) die Immobilienmärkte bundesweit unter die Lupe genommen hat.“

Die Studie belege zudem, dass die Preise auch jenseits der Metropolregionen steigen und zahlreiche große und mittlere Städte längst Schauplätze des Immobilienbooms geworden seien, meint die Postbank. Obwohl ja gerade das IW Köln vermeldet hat, dass es gar keinen Immobilienboom gibt. Es werden viel zu wenige Wohnungen gebaut in Deutschland.

Einen „Boom“ gibt es nur bei den Immobilienpreisen. Und das freut natürlich die Banken, die den Immobilienerwerb meist über Kredite finanzieren. Es ist ihr Geschäft.

Und da freut sich natürlich eine Bank, wenn sie weitere Wertsteigerungen vermelden kann: „Preissteigerungen von mehr als einem Prozent pro Jahr bis 2030 sind laut Postbank-Prognose auch für die Kreisfreien Städte Potsdam, Heilbronn, Landshut, Aachen, Ingolstadt und Münster zu erwarten.“

„Diese Städte profitieren davon, dass Kaufinteressenten wegen der Rekordpreise in den Metropolen als Alternative kleinere Orte in Betracht ziehen“, sagt Uwe Kleinert, Regionalbereichsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung Ost bei der Postbank Finanzberatung.

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Dass die Rechnereien manchmal seltsame Ergebnisse zeitigen, zeigt der Blick in die Landkreise: „In den an Leipzig grenzenden Landkreisen gehen Prognosen dagegen in den nächsten elf Jahren von durchschnittlichen Wertverlusten aus. Im Mittel müssen Immobilienbesitzer hier mit einem Minus von 1,55 Prozent jährlich rechnen, im Landkreis Nordsachsen sind es minus 2,32 Prozent.“

Was die Postbank dann freilich einschränkt: „Allerdings spiegeln die Prognosen nur durchschnittlich erwartete Entwicklungen in Städten und Landkreisen wider. So wie es in Leipzig Objekte, Ortslagen oder Stadtteile geben wird, in denen die Preissteigerungen höher oder niedriger als im Durchschnitt ausfallen, ist dies auch in den angrenzenden Landkreisen der Fall. Städte und Gemeinden, die in den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen über eine zügige Verkehrsanbindung an die Messestadt verfügen, werden von Käufern zunehmend nachgefragt. Dort werden die Immobilienpreise spürbar anziehen – besonders, wenn eine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln besteht. Immobilien, die in dieser Hinsicht ungünstig gelegenen sind, werden hingegen deutlich an Wert verlieren.“

Aber die Politik der letzten Bundesregierungen hat ja vor allem eins demoliert: das in der Vergangenheit entstandene labile Gleichgewicht zwischen privatem und öffentlich gefördertem Mietwohnungsbau. Von reinem Gewinn- und Marktdenken beherrschte Politiker haben den sozialen Wohnungsbau über Jahre fast völlig zum Erliegen gebracht und gehen dafür mit dem Spruch hausieren: „Viel Bauen hilft“.

Aber der Spruch ist falsch, weil er die begehrten Großstädte und ihren Wohnungsmarkt zum Tummelplatz der Wetten auf immer höhere Kaufpreise und Mieten macht. „Der Markt“ richtet nichts, im Gegenteil: Er macht knappe Güter für Niedrigverdiener unerschwinglich und befeuert Verdrängung.

Und das durch eine ganz simple Preisentwicklung auf jenem Markt, auf dem Leute, die verzweifelt nach (sicheren) Geldanlagen suchen, auch die steigenden Preise bezahlen, wenn sie ihr Geld nur irgendwie angelegt bekommen. Die Attraktivität einer großen Stadt bestimmt die Gewinnmarge der Immobilienverkäufer.

Die Postbank dazu: „Der Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen ist in Leipzig im vergangenen Jahr nach oben geklettert. Er betrug 2018 durchschnittlich 2.192 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht, gemessen am Niveau des Jahres 2017, real einer Steigerung von 10,65 Prozent. Im Landkreis Nordsachsen war der Preissprung mit 12,77 Prozent noch höher. Hier kostete der Quadratmeter im vergangenen Jahr rund 1.190 Euro. Im Landkreis Leipzig war das Plus demgegenüber deutlich geringer: Mit einer Steigerung um 4,26 Prozent zwischen 2017 und 2018 liegt der Quadratmeterpreis nun bei durchschnittlichen 1.305 Euro.

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Wer eine Immobilie in Dresden kaufte, musste tiefer in die Tasche greifen. Der Quadratmeterpreis in der sächsischen Landeshauptstadt lag knapp 200 Euro über dem Leipzigs. Im Durchschnitt 2018 mussten in Dresden 2.389 Euro je Quadratmeter gezahlt werden, 13,5 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor.“

Und dann macht die Postbank noch eine kleine Rechnung für Mieter auf, die ihnen zeigt, wie lange sie Miete zahlen müssten, um die Wohnung, in der sie wohnen, selbst zu erwerben: „Wie teuer Wohnen in der eigenen Immobilie im Vergleich zur Miete derzeit ist, zeigt der sogenannte Vervielfältiger: 26,4 Jahresnettokaltmieten werden in Leipzig fällig, um eine 70-Quadratmeter-Wohnung zu kaufen – wobei die durchschnittliche Nettokaltmiete je Quadratmeter 2018 im Durchschnitt bei 6,93 Euro lag. Von moderaten Immobilienpreisen im Verhältnis zu den Nettokaltmieten sprechen die Immobilienexperten des HWWI bei einem Vervielfältiger von maximal 22,5.“

Was ja eindeutig heißt: Moderat sind die Kaufpreise auch in Leipzig nicht mehr. Aber natürlich mit München und Frankfurt verglichen attraktiv.

Und dann noch das kleine leise Warnen der Bank, dass die Käufer ihren Kaufpreis vielleicht nie wieder sehen.

„Ein hoher Faktor ist ein Hinweis darauf, dass die Preise möglicherweise überhitzen und künftige Wertsteigerungen bereits vorweggenommen wurden“, sagt Uwe Kleinert von der Postbank Finanzberatung. „Hier sollten Interessenten genau hinsehen und das Preis-Leistungs-Verhältnis prüfen. Ob sich ein Kauf lohnt, hängt sehr vom einzelnen Objekt ab – von der Bausubstanz, der Ausstattung und vor allem der Lage der Immobilie. Stimmen all diese Faktoren, können durchaus auch hohe Preise gerechtfertigt sein.“

In Nordsachsen lag der Vervielfältiger im Jahr 2018 durchschnittlich bei 18,1 und im Landkreis Leipzig bei 19,7. Die Dresdner mussten für den Kauf einer Eigentumswohnung umgerechnet 26,5 örtliche Jahresnettokaltmieten aufbringen.

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Nicht die Bauwirtschaft ist das Problem, sondern der politisch ausgebremste soziale Wohnungsbau

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