Sie hat zwar ein denkbar zurechtgestutztes Ministerium zu leiten und wird von den Minister/-innen in anderen Ressorts immer wieder ausgebremst. Aber mit ihrem Vorstoß zur CO2-Steuer hat Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den richtigen Vorschlag auf den Tisch gepackt. Von einigen konservativen Politikern wird sie dafür seit Wochen attackiert, wird ihr unterstellt, sie wolle die Stromkosten für arme Haushalte noch weiter erhöhen.
Aber kein Konzept ist so wirksam, wenn man den CO2-Ausstoß in einem Land wirklich deutlich senken will, wie die CO2-Steuer. Denn mit dieser Steuer wird endlich der Preis für die Klimazerstörung in den Marktpreis für Energie eingebracht. Fossile Energieträger (wie Kohle, Diesel, Benzin, Kerosin) werden nur deshalb als billig angesehen, weil ihre klimazerstörende Wirkung keinen Preis hat. Allein der fossil betriebene Verkehrssektor trägt zu einem Viertel zum deutschen CO2-Ausstoß bei. Und die Eiertänze der deutschen Autobauer erzählen vor allem von einem: Dass sie keinerlei Preisdruck verspüren, die fossilen Treibstoffe abzulösen, weil der Sprit nach wie vor billig ist.
Und all die Märchen, die Abgabe würde der eigenen Industrie schaden, sind tatsächlich nur Märchen. Meist stammen sie tatsächlich direkt aus den PR-Abteilungen der großen Fossilkonzerne, die gern weiter ihre klimazerstörenden Geschäfte betreiben wollen.
Denn wenn es zu einer CO2-Steuer kommt, wird logischerweise umgesteuert. Dann werden die alten Fossil-Technologien endlich zum Aufgeben gezwungen und neue, klimaschonende Technologien erobern den Markt. Das ist ein Technologiewechsel, den aber die reichen Fossilkonzerne in Deutschland fast alle verschlafen haben.
Dass eine solche CO2-Steuer genau so funktioniert, machen längst Länder wie England und Schweden vor. Gerade im alten Kohleland England ging die Kohleverfeuerung nach Einführung der Steuer deutlich zurück.
Dass man die CO2-Steuer nicht einfach auf die sowieso schon hohen Abgaben auf Strom draufpacken kann, ist auch der SPD klar. Die ihr nahestehende Friedrich-Ebert-Stiftung hat dazu extra eine Analyse in Auftrag gegeben, die beschreibt, wie so eine Steuer sozial ausgewogen werden mĂĽsste.
Die Studie hat Stephan Lessenich, Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt „Politische Soziologie sozialer Ungleichheit“ an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, erstellt.
Der simpelste Weg ist aus seiner Sicht natĂĽrlich, die CO2-Steuer direkt anstelle all der jetzigen Steuern auf Strom und Energie zu erheben.
„Die Einnahmen sollten zur Gegenfinanzierung bestehender Steuern und Abgaben eingesetzt werden. So können die EEG-Umlage, die KWKG-Umlage, die Stromsteuer sowie die Steuern auf Heizöl und -gas entfallen“, schlägt er vor. „Die Förderung des EEG und des KWKG wären davon unberührt. Anders als eine pauschale Rückerstattung führt die Gegenfinanzierung dazu, dass Strom für Haushalte deutlich günstiger wird, die Kosten für fossil betriebene Heizungen und Kraftstoffe hingegen steigen. Bei einem Anfangspreis von 40 Euro je Tonne CO2 stehen für Haushalte der Preisreduktion für Strom um 9 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) zusätzliche Kosten bei Wärme von 0,5 bis 0,6 ct/kWh und bei Treibstoffen von 1,4 bis 1,5 ct/kWh (jeweils inkl. Umsatzsteuer) gegenüber. Die Preise für Flugtreibstoffe würden steigen.“
Das heißt: Genau die schmutzigen Energiearten, die Deutschland loswerden muss, um seinen CO2-Ausstoß zu senken, werden deutlich teurer, Strom – der ja immer stärker durch alternative Energieanlagen erzeugt wird – wird billiger.
Das heißt: Die Behauptung, ärmere Haushalte würden stärker belastet, ist falsch. Ein echtes Totschlagargument reicher Schnösel, die gern weiter „billige“ Energie verschwenden wollen.
Denn gerade ärmere Haushalte leben in der Regel energiesparender – ihre Wohnungen sind deutlich kleiner, ihre Autos (wenn sie welche haben) sind deutlich kleiner, die gefahrenen Strecken kürzer, Ölheizungen haben sie als Mieter sowieso nicht. Und Flugreisen sind bei ihnen die Ausnahme.
Die Gutverdiener im Land wissen schon sehr genau, dass die Steuer genau die Menschen trifft, die auch die größten Energieverbraucher sind und es sich auch noch leisten können.
Auf die Lenkungswirkung wies am 13. Mai auch der CO2 Abgabe e. V. hin: „FĂĽr das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 kommt die Bundesregierung nicht um eine wirksame CO2-Bepreisung herum. Wirksam kann sie aber nur sein, wenn sie in allen Sektoren, also Strom, Wärme und Verkehr, greift und die Fehlwirkungen bisheriger Steuern und Umlagen behoben werden. Nur dann kann sie eine doppelte Lenkungswirkung entfalten. Einmal durch ein klares Preissignal von anfänglich mindestens 40 Euro pro Tonne Treibhausgaspotenzial (CO2e = Ă„quivalent), auch als CO2-Mindestpreis im Emissionshandel, und andererseits durch eine Energiesteuerreform, die Haushalte, Pendelnde und Unternehmen durch die Gegenfinanzierung bestehender Steuern und Umlagen wie der EEG-Umlage und der Stromsteuer am wirksamsten entlastet. (…) Erst mit der Gegenfinanzierung bestehender Steuern und Umlagen können Ausnahmetatbestände und Meldepflichten z. B. der EEG-Umlage entfallen. Investitionen in die Energiewende werden erst dadurch so richtig angereizt. Ein CO2-Preis ĂĽber alle Sektoren ohne Ausnahmen, der soziale und wirtschaftliche Härten gezielt mindert, entfaltet damit wesentlich unbĂĽrokratischer, schneller und effektiver eine Lenkungswirkung und hilft, die Klimaschutzziele wirklich zu erreichen. Soziale Akzeptanz und die Wirksamkeit eines CO2-Preises stehen so im Einklang miteinander.“
„Betrachtet man die spezifischen Wirkungen und Verteilungseffekte einer CO2-Bepreisung auf Haushalte und Pendelnde (CO2 Abgabe e.V. 2019), so zeigt sich, dass ohne Berücksichtigung des Flugverkehrs bei anfänglich 40 Euro pro Tonne CO2 alle Haushalte entlastet werden“, stellt Stephan Lessenich fest. „Von einer aufkommensneutralen Neuausrichtung bestehender Energiesteuern profitieren besonders Menschen mit geringem Einkommen. Damit kann eine Reform unmittelbar zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen und gleichzeitig dem Klimaschutz zugutekommen.“
Dann müssen nämlich genau jene Menschen ihr Verhalten ändern, die jetzt noch ohne Rücksicht fossile Energie nutzen und keinerlei Grund sehen, ihr Verhalten zu ändern.
Und dann rückt auch endlich der klimaschädliche Flugverkehr in den Fokus. Lessenich: „Bei Berücksichtigung des Flugverkehrs bleiben die Haushalte mit niedrigen Haushaltseinkommen bis zu einem Nettoäquivalenzeinkommen von 21.991 Euro pro Person und Jahr bei anfänglich 40 Euro pro Tonne CO2e entlastet. Eine am Klimaschutz orientierte Energiesteuerreform über alle Sektoren und ohne Ausnahmen macht die Energiewende damit im Vergleich zum jetzigen Zustand sozial gerechter.“
So erweist sich selbst Energieverbrauch als elementare soziale Frage. Es sind nicht die Menschen mit niedrigem Einkommen, die nicht lernwillig sind, sondern die, „die es sich leisten können“.
Lessenich betont: „Wie die Analyse zeigt, wirkt sich ein CO2-Preis durch die Gegenfinanzierung bestehender Steuern und Umlagen besonders entlastend auf einkommensschwache Haushalte aus. Wer künftig weniger CO2 ausstößt, wird auch weiterhin entlastet bleiben. Der jährliche Preisanstieg um 5 Euro pro Tonne CO2 auf bis zu 190 Euro der tatsächlichen Klimaschadenskosten ermöglicht Haushalten und Unternehmen Planbarkeit und Sicherheit, indem künftige Investitionen an der Einsparung von CO2 orientiert und mögliche Abgabenbelastungen kalkulierbar werden. Der Preisanstieg garantiert zudem, dass trotz der stetigen Abnahme der energiebedingten CO2 die erwünschte Lenkungswirkung ausreichend lang aufrechterhalten bleibt und das Ziel des Pariser Klimaabkommens, bis 2050 den Ausstoß an klimaschädlichen CO2 um 95 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, erreicht wird.“
Denn dann zwingt der CO2-Preis auch Unternehmen, ihre Planungen auf umweltfreundliche Technologien auszurichten, in Wasserstofffahrzeuge zu investieren zum Beispiel, in Schienentransport und kurze Lieferketten in der Region, die einen ölfressenden Lieferweg mit Flugzeug, Containerschiff oder Lkw möglichst ersparen. Was logischerweise dann auch Obst und Gemüse aus Anbauregionen auf anderen Kontinenten verteuert und regionale Produkte im Vergleich preiswerter macht. Aber den Effekt hat Lessenich nicht extra untersucht.
Bei ihm ging es erst einmal um die Frage, wer eigentlich von einer CO2-Steuer profitiert.
Und bei all den Steuerspielen der letzten 20 Jahre wären es diesmal tatsächlich die einkommensschwachen Haushalte. Das wäre mal was Neues.
Ein Faktencheck des CO2 Abgabe e. V. zur offenen Antwort der CDU auf den Youtube-Beitrag von Rezo
Ein Faktencheck des CO2 Abgabe e. V. zur offenen Antwort der CDU auf den Youtube-Beitrag von Rezo
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