Es ist schon seit Jahren ein Streitthema. Während die wirtschaftsfreundliche Bundespolitik jahrelang den „mündigen Verbraucher“ pries, dem die Tücken und Fallen cleverer Geschäftsleute nichts anhaben könnten, ist der Arbeitsalltag der Verbraucherzentrale von Menschen geprägt, die mit Lug und Trug in bitterteure Verträge verwickelt wurden. Und besonders oft trifft es Menschen, die mit den irren Geschäftspraktiken der Trickser und Täuscher völlig überfordert sind. Ein echtes Projekt für den Leipziger Osten.

Und so stellt die Verbraucherzentrale Sachsen zu ihrem neuesten Projekt jetzt fest: Menschen, die in strukturschwachen Stadtquartieren leben, sind besonders häufig von Abzocke und windigen Haustürgeschäften betroffen. Im Leipziger Osten bekommen Verbraucher jetzt gezielt Hilfestellung von der Verbraucherzentrale, um sich vor Fallen und fiesen Verkaufsmaschen zu schützen.

Die Verbraucherzentralen und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wollen mit dem Projekt „Verbraucher stärken im Quartier“ bundesweit niedrigschwellige und alltagsnahe Hilfsangebote in Stadtquartieren der Programmkulisse „Soziale Stadt“ etablieren. Eines der 16 bundesweiten Modell-Quartiere ist der Leipziger Osten. Die Menschen, die hier leben, erreicht die Verbraucherzentrale bisher selten. Sie wissen oft nichts von Unterstützungsangeboten, können Beratungsstandorte aufgrund schwieriger Lebensumstände nicht aufsuchen oder haben Sorge, dass Kosten auf sie zukommen. Die Projektlaufzeit beträgt vier Jahre.

Das Projektbüro in der Elisabethstraße 7 im Leipziger Osten wurde am Dienstag, 16. April, eröffnet.

Seit September 2017 fördert das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) das Projekt.

Marco Wanderwitz, Staatssekretär im BMI: „Mit den Modellvorhaben der ressortübergreifenden Strategie ‚Nachbarschaften stärken – Miteinander im Quartier‘ ergänzen wir im Schulterschluss mit weiteren Ressorts das Städtebauförderprogramm Soziale Stadt. Zur Erprobung bundesweiter Modellvorhaben stellt das BMI bis 2020 jährlich 10 Millionen Euro bereit. Mit dem gemeinsamen Modellprogramm mit dem BMJV ‚Verbraucher stärken im Quartier‘ bringen wir soziale Quartiersentwicklung und aufsuchende Verbraucherberatung zusammen. Ich freue mich, dass wir mit der Eröffnung des Standorts Leipzig-Ost die Menschen in einem Quartier des Programms Soziale Stadt wohnortnah mit guter Verbraucherberatung unterstützen können. Gemeinsam mit dem BMJV und dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. arbeiten wir weiter an unserem Ziel, bis 2020 bundesweit insgesamt 16 Modellprojekte zur Verbraucherstärkung in den Quartieren zu starten.“

Verbraucher vor unseriösen Geschäftspraktiken schützen

Im Fokus des Projekts stehen Probleme und Fragen, die eine hohe und oft akute Bedeutung für den Lebensalltag haben, wie z. B. die Entstehung von Schulden. Es reicht nicht aus, auf die Existenz von Verbraucherschutz hinzuweisen, vielmehr sollen Strukturen geschaffen werden, damit alle Menschen zu ihrem Recht kommen.

„Was nützen die besten Verbraucherrechte, wenn die Betroffenen nichts davon wissen oder niemanden kennen, an den sie sich wenden können? Rechte, die man nicht kennt, kann man nicht geltend machen!“, sagt Rita Hagl-Kehl, Staatssekretärin im BMJV. „Gerade in Stadtgebieten, in denen es die Menschen ohnehin schwerer haben, wollen wir Aufklärung und guten Rat direkt vor Ort anbieten. Die engagierten MitarbeiterInnen der Verbraucherzentrale sind gut informiert und vernetzt. Sie bekommen auch mal mit, wenn z. B. unseriöse Haustürgeschäfte in der Nachbarschaft gemacht werden. Hier ist ein offenes Ohr und schneller Rat Gold wert. Das bietet das Projekt ‚Verbraucher stärken im Quartier‘.“

Im Leipziger Osten setzt die Verbraucherzentrale Sachsen das Projekt jetzt in Taten um, setzt zwei geschulte Quartiers-Mitarbeiter ein und eröffnete das Projekt-Büro zentral im Stadtteil.

„Die aufsuchende Arbeit unserer Quartiers-Mitarbeiter soll unser Angebot in Leipzig künftig um einen wichtigen Baustein ergänzen.“ so Rita Hagl-Kehl. „Rund um die Eisenbahnstraße wollen wir die Kompetenzen und das Selbsthilfepotenzial der Menschen mit besonderem Beratungsbedarf stärken. Wir hoffen, das Projekt macht Schule für ganz Sachsen.“

Hilfestellung für die Menschen vor Ort

Die Quartiers-Mitarbeiter, Karin Gründel und Florian Thamm, konzentrieren sich bei ihrer Arbeit vor allem auf Sozialleistungsempfänger, Senioren, Alleinerziehende und Menschen mit fehlenden Sprachkenntnissen sowie Jugendliche. Sie geben Hilfestellung bei unseriösen Vertragsabschlüssen an der Haustür und im Internet, bei fragwürdigen Inkassoforderungen und helfen beim Umgang z. B. mit zu teuren Handy-Verträgen. Sie zeigen zudem Lösungswege bei strittigen Rechnungen und Energieschulden auf.

Zentral sind präventive Maßnahmen, wie Lernmodule in Schulen oder Infostände auf Veranstaltungen im Leipziger Osten. In ihrem Projekt-Büro der Verbraucherzentrale in der Elisabethstraße 7 bieten sie jeden Dienstag und Donnerstag, von 9-12 und 14-16 Uhr, eine Sprechstunde an. Dort widmen sie sich individuellen Problemen der Verbraucher im Leipziger Osten. Gleichzeitig vernetzen sich die Quartiers-Mitarbeiter mit anderen sozialen Akteuren vor Ort, um Synergien zu nutzen. Sie verständigen sich untereinander über akute Fälle und verweisen Betroffene zueinander.

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