Am Dienstag, 14. August, luden die Leipziger Wohnungsgenossenschaften zu einem Pressefrühstück ein – mit Kaffee, Kuchen und Süßigkeiten. Für die Süßmäuler aus den Redaktionen, die so gern fette Schlagzeilen fabrizieren über Wohnungsnot, Mietexplosionen und „Münchner Verhältnisse“. So etwas entfaltet natürlich Wirkung – bis in die Politik. Die dann in der Regel hektisch reagiert. Aber wie steht es nun wirklich um die Boomtown Leipzig?
„Leipzig wächst dynamisch. Aber Münchner Verhältnisse sind noch lange nicht in Sicht“, sagte Dr. Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG) bei der Eröffnung der ersten gemeinsamen Pressekonferenz der Leipziger Wohnungsgenossenschaften. Er brachte sozusagen die gesamtsächsische Sicht mit. Das ist ein Ur-Leipziger Problem: Man sieht hier immer nur den eigenen Tümpel, aber nicht, was anderswo vor sich geht.
Natürlich bewegt seit einigen Jahren zunehmend die Frage die Leipziger, ob es denn bald überhaupt noch bezahlbare Wohnungen geben wird. Immerhin gab es zwei Jahrzehnte lang keinen sozialen Wohnungsbau. Erst vor zwei Jahren ist der Freistaat endlich wieder in die Förderung von sozialem Wohnungsbau eingestiegen.
Was aber nicht bedeutet, dass bezahlbare Wohnungen in Leipzig verschwunden sind.
Die Pressekonferenz fand auch deshalb statt, um ein paar Zahlen zu korrigieren und die Diskussion um das bezahlbare Wohnen ein wenig wieder auf die Erde zu holen.
Und da hilft ganz sicher auch ein Blick auf die Fakten:
Von den insgesamt etwa 293.000 Mietwohnungen in Leipzig betreuen die Genossenschaften 53.313 Wohnungen, die sich über die gesamte Stadt verteilen. Jeder 5. Leipziger lebt in einer Genossenschaftswohnung. Zusammen mit den Wohnungsbeständen der LWB Leipzig hat die organisierte Wohnungswirtschaft einen Marktanteil von 30,2 Prozent am Leipziger Mietwohnungsmarkt.
In gewisser Weise, so erklärt Wolf-Rüdiger Kliebes von der VLW, ist das – auch ohne Belegungsbindung – ein reales soziales Mietsegment. Da die Genossenschaften zuallererst ihren Mitgliedern verpflichtet sind und eben nicht auf Rendite setzen müssen wie private Investoren, ist der Erhalt bezahlbarer Mieten eins der selbstverständlichsten Ziele.
Die Zahlen zu den Mieten:
Die Durchschnittsmiete im Bestand der Wohnungsgenossenschaften ist mit 4,87 €/m² deutlich unter der Durchschnittsmiete der Stadt Leipzig mit 5,29 €/m² und ebenfalls unter der Durchschnittsmiete der LWB Leipzig mit 5,14 €/m². Gleiches gilt für die Durchschnittsmiete der Leipziger Wohnungsgenossenschaften in der Neuvermietung von 5,59 €/m² gegenüber 6,15 €/m² der Stadt Leipzig. Selbst im Vergleich mit den Bestandsmieten der Dresdener Wohnungsgenossenschaften (5,42 €/m²) und der Chemnitzer Wohnungsgenossenschaften (5,02 €/m²) sind die Leipziger Wohnungsgenossenschaften deutlich unter der 5-Euro-Marke.
Die Wohnungsgenossenschaften sind in ganz Leipzig zu Hause und stellen damit allein 18,2 Prozent der sozialverträglichen Mietwohnungen über alle Stadtteile.
„Eine sanierte Genossenschaftswohnung im Plattenbau kostet je nach Ausstattung und Sanierungsgrad im Fall der Neuvermietung zwischen 5,00 und 6,00 €/m². Die Sätze der Kosten der Unterkunft liegen jedoch bei den für Plattenbauten üblichen Wohnungsgrößen lediglich zwischen 4,79 und 4,90 €/m² und bedürfen dringend einer bedarfsgerechten Anpassung an die Marktsituation“, fordern die Vorstände der Leipziger Wohnungsgenossenschaften unisono.
KdU-Sätze in Leipzig sind zu niedrig
Die KdU-Kosten in Leipzig sind ein eigenes Thema. Deswegen sehen sich die Wohnungsgenossenschaften durchaus im Dissens mit der Stadtpolitik. Denn wenn man mit der sächsischen Förderung nur „Sozialwohnungen“ für 6,50 Euro bauen kann, kommen Menschen, die auf „Kosten der Unterkunft“ angewiesen sind, für diese Wohnungen einfach nicht infrage. Es klafft eine Lücke von 1,63 Euro pro Quadratmeter, die die Wohnungsgenossenschaften nicht übernehmen können. Und die Betroffenen auch nicht.
Kliebes rechnet vor, was es für KdU-Bezieher bedeutet. Selbst bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung sind das im Monat über 80 Euro, im Jahr fast 1.000 Euro Differenz – also mehr als eine Miete zusätzlich, für die der KdU-Bezieher ja überhaupt keine Spielräume hat. Was nicht nur Kliebes so sieht. Eigentlich alle am Dienstag anwesenden Geschäftsführer Leipziger Wohnungsgenossenschaften sehen diese Art Rechenkunst sehr kritisch. Denn eines würden sie selbst dann, wenn sie die Wohnungsbauförderung in Anspruch nehmen („Und wir wollen ja unbedingt“, sagt Kliebes), nicht tun können: die geförderten Wohnungen an KdU-Haushalte vermieten. Das klappt schlicht rechnerisch nicht.
Die Forderung an die Stadt und auch den Stadtrat ist eindeutig: Die Leipziger KdU-Sätze müssen deutlich steigen. Selbst im sächsischen Vergleich sind sie im Keller und haben schon lange nichts mehr mit den realen Mieten zu tun. Und die Ausreden, dass Leipzigs KdU-Sätze irgendwie nur deshalb auch gerichtsfest seien, stimmt wohl auch nicht ganz. In Dresden liegen die KdU-Sätze für die Kaltmiete längst bei 5,54 bis 6,65 Euro je Quadratmeter, im Landkreis Leipzig bei 4,91 bis 6,69 Euro und in Nordsachsen bei 4,28 bis 5,60 Euro.
Und das war nicht der einzige Punkt, in dem die Wohnungsgenossenschaften mit der Stadt hadern.
Beim Leerstand geht’s weiter.
Denn, solange Borna, Delitzsch und Wurzen noch Leerstand melden, ist Leipzig nicht in Not
Solange Borna, Delitzsch und Wurzen noch Leerstand melden, ist Leipzig nicht in Not
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