Es gehรถrt zum groรen Unmut an dem, was derzeit an groรer Politik in Deutschland passiert: dass ein ganzer Teil der Bevรถlkerung vom wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen bleibt und auch nach acht Jahren Daueraufschwung nicht aus den existenziellen Nรถten herauskommt. Dessen Existenz wird zum Beispiel sichtbar, wenn Landtagsabgeordnete wie Susanne Schaper die neuen Zahlen zu Stromsperren in Sachsen abfragen.
Wie viele es es insgesamt gibt, weiร sowieso kein Mensch. Schon vor Jahren haben auch die Abgeordneten der Linksfraktion aufgegeben, von der Landesregierung auch die Zahlen zu den Landkreisen bekommen zu wollen. Denn immer gab es da aus den Kreisen die Auskรผnfte, man habe die Zahlen nicht, der Aufwand der Erfassung sei zu hoch. Manchmal wurde auch gar nicht geantwortet. Nur in den drei Groรstรคdten, wo jeweils ein groรes Stadtwerk auch fรผr die Grundversorgung zustรคndig ist, gibt es deshalb jedes Jahr zuverlรคssige Zahlen.
Diese Zahlen sinken zwar seit 2013 โ aber nur leicht. Und 2017 war sogar wieder ein leichter Anstieg in Chemnitz zu beobachten. Wer gehofft hatte, mit wachsender Wirtschaft und sinkenden Arbeitslosenzahlen wรผrde sich die permanente Finanznot in vielen Haushalten endlich lรถsen, der wird hier eines Besseren belehrt. Was ja bekanntlich auch in Leipzig wieder Thema wird: Gerade in der Stadt, die derzeit Sachsens wirtschaftliche Lokomotive ist und jรคhrlich tausende neue Arbeitsplรคtze schafft, bleibt die wirtschaftliche Not in einem Fรผnftel der Haushalte dauerhaft prรคsent โ sind sie mit drohenden Wohnungskรผndigungen und mit Stromabschaltungen konfrontiert.
โIn Sachsen wurde 2017 mehr als 8.000 Haushalten der Saft abgedreht โ die meisten Abschaltungen gab es mit 4.373 Fรคllen weiterhin in Leipzig. Wรคhrend ihre Zahl in Dresden und Leipzig 2017 etwa auf dem Niveau des Vorjahres blieb, ist in Chemnitz ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Im Durchschnitt sitzen die Betroffenen vier Tage lang im Dunkeln. Zu den Strom-Zahlungsrรผckstรคnden von mindestens 100 Euro kommen dann Kosten fรผr die Sperrung und den spรคteren Wiederanschluss sowie fรผr die verderbenden Lebensmittelโ, kommentiert die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag, Susanne Schaper, die neuesten Zahlen aus einer ihrer Landtagsanfragen.
Das Grundproblem heiรt nach wie vor โAgenda 2010โ. Oder โHartz IVโ. Oder Jobcenter. Ein System, das Menschen auch zur Annahme von Jobs zwingt, die schlicht nicht zum Leben reichen,und dann auch noch mit Geldkรผrzungen (โSanktionenโ) agiert, lรถst die Probleme derer, die tatsรคchlich hohe Zugangshรผrden zum Arbeitsmarkt haben, nicht, sondern verschรคrft sie.
โMenschen riskieren eine Stromabschaltung nicht freiwillig. Oft fรผhren Sanktionsmaรnahmen oder der viel zu niedrige Hartz-IV-Regelsatz zur Zahlungsunfรคhigkeit. Zynisch betont auch Sachsens CDU-gefรผhrte Regierung gern, wie wichtig โVersorgungssicherheitโ im Energiebereich ist. Die vielen Sรคchsinnen und Sachsen, die zu Hause wegen der Energiesperren in der Steinzeit festsitzen, werden diese Worte nicht wรคrmenโ, kommentiert Schaper diesen eigentlich unaushaltbaren Zustand.
โDie Landesregierung muss auf der Bundesebene dafรผr streiten, dass die Regelsรคtze endlich realistisch werden. Bisher werden sie auf der Basis des Einkaufsverhaltens der รคrmeren Bevรถlkerungsschichten berechnet, das naturgemรคร nicht den Bedarf abbildet. Es muss Schluss sein mit der unwรผrdigen Sanktionspraxis, die Menschen unter das Existenzminimum drรผckt. Auรerdem sollte die Staatsregierung dafรผr sorgen, dass auch Daten zu Stromabschaltungen in den Landkreisen verfรผgbar werden.โ
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