Da mussten wir jetzt wieder ganz schön tief ins Archiv schauen: Vom November 2016 stammt der Grünen-Antrag „Einwegbechern Einhalt gebieten – Leipzig auf den Mehrweg bringen“. Anfang des Jahres nahm das Umweltdezernat mal kurz Stellung und stellte sich ratlos. Jetzt hat das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport endlich so eine Art Alternativvorschlag vorgelegt – der freilich die Ratlosigkeit nicht loswird. Aber er stimmt dem Anliegen wenigstens halbherzig zu.
Denn mit dem Coffee-to-Go hat sich eine umweltbelastende Mode etabliert, bei der Berge von Einwegbechern produziert werden, die nach einmaligem Gebrauch einfach in den Müll wandern. Fast ist der Einweg-Becher schon zum Synonym einer völlig aus dem Lot geratenen Wegwerfkultur geworden. Und die ändert man wohl wirklich nur, wenn man das (falsche) Denken darin ändert.
Aber andererseits hat auch Leipzigs Verwaltung irgendwie gemerkt, dass es beim Grünen-Vorstoß wieder einmal darum geht, genau so ein Zeichen zu setzen, damit sich dieses Denken ändert. Und eine Stadt, die so großmäulig gern nachhaltig und umweltfreundlich sein möchte, tut gut daran, diese Zeichensetzung zu unterstützen.
Und so stellt das Umweltdezernat erst einmal fest: „Die Stadt Leipzig begrüßt und unterstützt Initiativen zur Vermeidung von Einwegbechern. Dazu verpflichtet sich die Stadt Leipzig, funktionierende und nachhaltige Projektideen zur Abfallvermeidung von externen Dritten auf die Möglichkeit zur Förderung entsprechend der Regelungen der Fachförderrichtlinie des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig zu überprüfen.“
In den Ausführungen wird es dann etwas komplizierter.
Aber Leipzig ist ja eindeutig nicht die erste Stadt auf diesem Weg. Andere Großstädte haben längst Aufmerksamkeit erregende Kampagnen gestartet. Und das sorgt für ein beginnendes Umdenken.
Das Umweltdezernat in seiner Begründung: „Das grundsätzliche Verhältnis zum Thema Einwegbecher beginnt sich in der Gesellschaft merklich zu wandeln. Der Trend geht zum Mehrwegbecher. So bieten zum Beispiel einige der großen Ketten mittlerweile an, dass von Kunden mitgebrachte Mehrwegbecher befüllt werden können oder führen eigene Mehrwegbechersysteme ein. Diese Entwicklung ist ebenfalls in Leipzig schon teilweise zu sehen. Die anhaltende öffentliche Diskussion über das Thema Wegwerfverpackungen und deren negativen Umweltfolgen ist maßgeblich dafür verantwortlich, vergleichbar ist diese Entwicklung mit dem Thema Plastiktüten. Auch zu diesem Thema sollte die Stadt Leipzig eigeninitiativ agieren, um mehr Abfallvermeidung zu erreichen.“
Aber dann fällt man wieder auf den selben Bedenkenstand vom Januar 2017 zurück, der auf einer Befragung von 2015 beruhte: „Eine Abfrage der Leipziger Händlerschaft (im Zentrum) aus dem Jahr 2015 hatte allerdings ergeben, dass eine nur von der Stadt Leipzig ausgehende Aktivität nicht gewünscht war und auf eine bundeseinheitliche Regelung gesetzt wurde. Das Europäische Parlament ist der Bundesregierung zuvorgekommen und hat mit der Verpackungsrichtlinie (94/62/EG) einen entsprechenden Handlungsdruck auf die Unternehmen ausgelöst. Dies wäre auch beim Thema Einwegverpackung die umfassendste Lösung.“
Es geht weiter in den Bedenken einer Verwaltung, die sich den Kopf darüber zerbricht, warum vielleicht Coffee-to-Go-Anbieter und Kaffeetrinker nicht mitmachen würden.
Der Widerspruch zwischen den marktschreierischen Lobpreisungen der eigenen Initiativen (bei denen meist nur heiße Luft herauskommt) und den Reaktionen auf Initiativen von außerhalb ist unübersehbar.
Was im nächsten Bedenkenpunkt Nr. 2 deutlich wird:
„Die im Antrag geforderte Kooperation mit hiesigen Anbietern von To-go-Getränken bzw. eine isolierte städtische Werbekampagne mit dem Ziel einer Verringerung des Abfallaufkommens aus Einwegverpackungen zu bewirken, wird von der Verwaltung als wenig nachhaltig eingestuft. Wie bereits ausgeführt, bieten schon jetzt mehrere große Ketten (zum Beispiel: Tchibo, Starbucks und ab November ebenso Mc Café) in Leipzig an, mitgebrachte Mehrwegbecher zu befüllen. Ein weiteres städtisches Mehrwegbechersystem einzuführen ist insoweit nicht zielführend. Dabei ist zu beachten, dass große Ketten nicht dazu verpflichtet werden können, städtische Mehrwegbecher zu verwenden.“
Eigentlich waren es sogar drei Bedenken in einem.
Hier kommt das vierte: „Weiterhin ist das als sinnvoll zu betrachtende Einzugsgebiet (z. B. Pendler, die Einwegbecher verwenden bzw. in die Stadt bringen) in Leipzig sehr groß und beinhaltet eine sehr heterogene Struktur an potenziellen Händlern und Geschäften.“
Das ist schon regelrecht vormundschaftliches Denken. Warum glauben Leipzigs Verwalter eigentlich wissen zu können, wie die 100.000 täglichen Pendler das Thema Mehrwegbecher annehmen oder nicht?
Warum mich so eine Haltung ärgert, sehen Sie am beigegebenen Bild oben. Dieses Mehrwegbehälterchen wurde mir auf einem Pressetermin in die Hand gedrückt – justament von einem kommunalen Unternehmen, wo man augenscheinlich beim Blick in die morgendliche Straßenbahn gesehen hat, wie viele gerade junge Leute mit dem eigenen dampfenden Mehrwegbecher einsteigen.
Ich sag es gern noch mal: Wer zu feige ist, in Leipzig Straßenbahn zu fahren, der bekommt vom normalen Leben der Leipziger nichts mit. Der denkt sich solche faulen Ausreden aus.
Die Leipziger sind schon längst mit Mehrwegbechern unterwegs und es ist völlig egal, aus welcher Quelle der Becher kommt. Jedes gut ausgestattete Hausartikelgeschäft führt die Dinge. Und wenn nicht, kann man sie im Internet bestellen. Sie sind nicht teuer und auch nicht schwer. Wenn sie leer sind, passen sie problemlos in Rucksack oder Aktentasche.
Genug der Bedenken? Kannste vergessen. Unsere Umweltbürokraten setzen noch eins drauf:
„Kritisch anzumerken ist, dass weder die Bundesregierung noch die Deutsche Umwelthilfe belastbare Studien vorlegen können, welche die Vorteile eines Mehrwegbechersystems unter Beachtung beispielsweise des ökologischen Fußabdrucks eindeutig belegen. Denn auch die Mehrwegbecher müssen hergestellt, transportiert und vor allem immer wieder aufs Neue gereinigt werden.“
Das ist die Sicht, wenn man die Mehrwegbecher wieder abgibt beim Betreiber. Aber in Wirklichkeit braucht man nur ein hygienisches Befüllsystem, in dem der eigene Becher aufgeladen werden kann. Das Ding kommt ganz normal in den ganz normalen abendlichen Abwasch. Das wird doch nicht extra abgewaschen. Oder ist das im Rathaus so? Jede Tasse einzeln?
Die Grünen hatten zwar eine Art Leipziger Mehrwegbecher-System angeregt. Aber eigentlich braucht es das gar nicht. Außer dass die Anbieter von Coffee-to-Go einfach auch noch praktische Mehrwegbecher zum Kauf anbieten. Die Nutzer kommen einfach zum Tanken vorbei – fertig der Lack.
Aber derzeit gibt es kein anderes Dezernat in Leipzig, das derart dicht gestopft mit Bedenkenträgern besetzt ist.
Und ein Leipziger Mehrwegsystem?
„Aktuell besteht nur Konsens dazu, dass der Einwegbecherkonsum grundsätzlich eingedämmt, wenn nicht gar ganz verboten werden sollte. Alternativen (neue geschaffene lokale Mehrwegbechersysteme) sind zwar vielfältig am Markt zu beobachten, allerdings sind diese selten wirtschaftlich zu betreiben noch ist eine signifikante Energie- und Ressourceneinsparung nachgewiesen. Daher wird von der Stadt Leipzig insbesondere eine ökologische, nachhaltige Projektidee unterstützt. Die bisher stattgefundenen Aktivitäten der Verwaltung konnten trotz intensiver Bemühungen insbesondere in Zusammenarbeit mit dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) noch nicht erfolgversprechend umgesetzt werden“, erläutert man die eigenen „intensiven Bemühungen“. „Es fanden mit verschieden Akteuren Ideenfindungsrunden statt, um ein mögliches Pilotprojekt für die Stadt Leipzig zu finden. Beispielsweise wurde dabei unter anderem eine Idee verfolgt, einen eigenen Mehrwegbecher aus lokalen Abfallströmen zu fertigen. Wird ein entsprechendes Projekt oder eine Initiative gefunden, erfolgt die Prüfung, ob insbesondere die Rahmenbedingungen gemäß den bestehenden Voraussetzungen der Fachförderrichtlinie des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig passen, um eine Unterstützung zu gewährleisten.“
Es sieht alles danach aus, dass die Leipziger Kaffeetrinker einfach selbst aktiv werden müssen: Einen schicken Mehrwegbecher besorgen und die Kaffeeschenke daran gewöhnen, dass man sich einschenken lässt. Schön diesseits der Theke. Dazu sind die Kaffeekannen ja da.
Und wenn die Anbieter ein bisschen clever sind, erfinden sie ein großes und für alle gültiges Kaffee-T, so wie Kaffee-Tankstelle, und jeder mobile Kaffeetrinker (auch einer aus anderen Weltgegenden) weiß sofort, dass er hier nur seinen Becher zücken muss und befüllen lassen kann. Um mehr geht es gar nicht. Alles andere ist auch nicht wirtschaftlich.
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