Für FreikäuferAls das Umweltinstitut München im vergangenen Jahr erstmals darauf hinwies, dass in den ach so schön nach Reinheitsgebot gebrauten Bieren der Republik teilweise heftige Beimischungen des Pestizids Glyphosat enthalten waren, hat das auch die Brauer im Land alarmiert. Denn dass dieses heftig diskutierte Pestizid im Bier auftauchen könnte, damit haben sie alle nicht gerechnet. Aber sie haben augenscheinlich reagiert, wie neue Untersuchungen zeigen.

Im vergangenen Jahr machte der Fund von Rückständen des Herbizids Glyphosat in Deutschlands beliebtesten Bieren Schlagzeilen. Jetzt hat das Umweltinstitut München ein zweites Mal nach Glyphosat im Bier gefahndet. Das Ergebnis: Die Rückstände des wahrscheinlich krebserregenden Stoffs sind deutlich geringer als im letzten Jahr.

Das Umweltinstitut sieht jedoch keinen Grund zur Entwarnung, denn kein einziges Bier im Test war frei von Glyphosat.

Das Umweltinstitut hatte 2016 bei einer Stichprobenanalyse Glyphosat in den 14 beliebtesten Bieren Deutschlands nachgewiesen. Der Spitzenwert lag damals mit 29,7 Mikrogramm pro Liter fast 300-fach über dem vorsorglichen Grenzwert für Trinkwasser. Darauf folgende Untersuchungen von Behörden und weiteren Organisationen ergaben vergleichbare Messwerte und bestätigten somit das Problem.

Und um das Ergebnis des Vorjahres nachzuprüfen, hat das Münchener Institut die Messung mit verschiedenen Chargen der 14 beliebtesten Biersorten in diesem Jahr wiederholt.

Der erfreuliche Teil des Ergebnisses: Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Rückstandsgehalte bei der diesjährigen Untersuchung im Durchschnitt um fast 80 Prozent zurückgegangen. Allerdings liegt die am höchsten belastete Biersorte auch 2017 noch rund 50-fach über dem Trinkwasser-Grenzwert.

Was übrigens zu denken geben darf, denn zwei Biere der am höchsten belasteten Gruppe kommen aus der sächsischen Radeberger Gruppe.

Falls man bei Radeberger mit Zutaten aus sächsischer Landwirtschaft arbeiten sollte, weist die neue Studie auf ein gravierendes Problem in eben dieser sächsischen Landwirtschaft hin, wo Glyphosat ja so massiv eingesetzt wird, dass es selbst in Badegewässern nachweisbar ist.

Karl Bär, Referent für Agrarpolitik am Umweltinstitut, sieht daher Licht und Schatten im Testergebnis: „Die Glyphosat-Rückstände im Bier sind deutlich rückläufig. Das ist ein Erfolg unserer Untersuchung im letzten Jahr. Offenbar haben die getesteten Brauereien ihre Hausaufgaben gemacht. Trotzdem ist es keiner Brauerei gelungen, Glyphosat ganz aus dem Bier zu verbannen. Das spricht für eine deutliche Hintergrundbelastung mit dem Unkrautvernichter.“

Bär verweist darauf, dass jedes Jahr rund 5.000 Tonnen Glyphosat in Deutschland ausgebracht werden.

„Es ist nicht möglich, einen Stoff in derart großen Mengen in die Umwelt zu bringen, ohne dass er zu uns Menschen zurückkommt“, so der Agrarreferent.

Bis Ende dieses Jahres entscheiden die EU-Mitgliedstaaten darüber, ob Glyphosat weiter zugelassen wird. Das Umweltinstitut fordert Landwirtschaftsminister Schmidt auf, in Brüssel für ein Glyphosat-Verbot zu stimmen.

Nach dem deutschen Reinheitsgebot dürfen praktisch nur drei Dinge verwendet werden zum Bierbrauen: Hopfen, Malz und Trinkwasser. Für Hopfen und Trinkwasser schließt das Umweltinstitut aus, dass sie die Ursache für die Glyphosat-Belastung sind. Für Trinkwasser ist der gesetzliche Grenzwert einfach zu streng: 0,1 μg/l. Und Hopfen wird eher nicht mit dem Allround-Pestizid Glyphosat behandelt. Womit nur die Gerste als Quelle bleibt, aus der das Malz gewonnen wird. Und im Gersteanbau kommt Glyphosat auch in Sachsen in großen Mengen zum Einsatz.

Und es ist nicht nur das Bier, in das das Pestizid auf diese Weise gelangt, stellt das Umweltinstitut fest.

„Nicht nur in Bier, sondern auch in Brot und anderen Getreideprodukten finden sich häufig Glyphosat-Rückstände. Landwirtschaftsminister Schmidt darf die Gefahr nicht weiter verharmlosen. Ein Verbot von Glyphosat ist die einzige Möglichkeit, die Verbraucherinnen und Verbraucher effektiv zu schützen“, so Bär.

Womit er zwar Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) meint. Aber dieselbe Ignoranz gegenüber dem Pestizideinsatz in der industrialisierten Landwirtschaft legt auch Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) an den Tag. Womit man dann bei der Radeberger-Gruppe ist, die mit zwei Bieren in der Studie vertreten ist: einmal mit dem „Testsieger“ Jever, in dem mit 5,1 μg/l die höchste Beimengung von Glyphosat nachgewiesen wurde. Zum anderen aber auch mit dem Radeberger Pilsener, das mit einem Wert von 2,4 μg/l ebenfalls in die Spitzengruppe gehört.

Dass man auch mit Produktion in Mitteldeutschland deutlich niedrigere Werte erreichen kann, zeigt das Hasseröder Pils aus Wernigerode, das zur Anheuser Busch Gruppe gehört, wo nur 0,7 μg/l gemessen wurden.

Gerade die bayerischen Biere (Paulaner, Edinger und Augustiner) erreichten mit 0,3 bis 0,4 μg/l noch bessere Werte und näherten sich dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 μg/l an.

In eigener Sache: Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

Abo-Sommerauktion & Spendenaktion „Zahl doch, was Du willst“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar