Im Frühjahr 2016 startete die junge Umweltforscherin Vera Hickethier für eine Masterarbeit eine kleine Umfrage unter den Leipzigern, wie sie selbst mit Plastik und Mikroplastik im Alltag umgehen. Immerhin geht es um die nicht unwichtige Frage: Kann man auf Plastik einfach verzichten? Kommen wir raus aus der fortwährenden Plastik-Vermüllung der Welt?
Plastik ist ein nützlicher Werkstoff. Er hat so viele praktische Eigenschaften, dass er heute aus keinem Lebensbereich mehr wegzudenken ist. Haltbar ist er auch noch. Aber das ist das Problem. Denn da die meisten Produkte aus Plastik nur kurzzeitig oder gar nur einmal gebraucht werden, landen sie ziemlich schnell entweder im Müll oder in der freien Natur. Tausende Tonnen Plastik gelangen täglich in unsere Umwelt, werden in die Meere geschwemmt oder geraten als Mikroplastik sogar in unsere Nahrung und ins Trinkwasser. Mit entsprechend dramatischen Folgen auch für die Artenvielfalt.
Zwar gibt es in der Bundesrepublik nun schon seit Jahren ein entsprechendes Recyclingsystem. Aber auch dort gelangen die oft komplexen Verpackungsstoffe selten wieder in den Verarbeitungskreislauf zurück, werden stattdessen verbrannt.
Was auch zum Problem für die Menschen wird, die auch in Leipzig noch immer viel zu wenige Angebote finden, um ihren Alltag bewusst plastiklos gestalten zu können.
Das Bewusstsein der Leipziger, was das Problem betrifft, ist hoch. Das ist eines der zentralen Ergebnisse aus Vera Hickethiers Arbeit. Immerhin haben sich 284 Leipzigerinnen und Leipziger im Alter von 14 bis 71 Jahren an der Online-Befragung beteiligt.
Trotz des Gefühls der Handlungsohnmacht im Alltag beschreiben sich 80 % der Befragten selbst in der Position, etwas an der aktuellen Situation ändern zu können. Denn erste Angebote gibt es ja. Die Grünen-Fraktion hat ja mit ihrem Vorstoß zu Plastiktüten im Stadtrat zumindest Aufmerksamkeit geerntet. Da ist es ganz ähnlich wie mit den Pappbechern für den coffee-to-go: Die Stadt kann den Verzicht auf die Beutel nicht einfach anweisen. Sie ist auf die Bereitschaft der Händler angewiesen, auf das scheinbar so einfache Verpackungsteil zu verzichten. Einige Ketten haben umgestellt und bieten nur noch Papiertüten an. Andere machen einfach weiter wie bisher.
Was den Konsumenten ja trotzdem nicht daran hindert, sich diese freundliche Verführung zum Müllmachen zu verbitten. Was dann auch in Vera Hickethiers Befragung deutlich wurde. 15 % der Befragten betreiben bereits großen Aufwand dabei, Plastik im Alltag zu meiden. Dabei wird neben der Verwendung von Jutebeuteln beim Einkaufen auch lieber zu alternativen Hygieneprodukten und Textilien ohne Mikroplastik gegriffen.
Denn der erste Schritt zur Besserung ist natürlich, dass man sich des Problems bewusst wird. Und das sind sich zumindest die meisten Teilnehmer der Umfrage: „Die Mehrzahl der Befragten sind sich des globalen Problems der vermüllten Weltmeere bewusst“, kann Vera Hickethier feststellen. Und: „Personen, die bereits für die Risiken sensibilisiert sind, versuchen Plastik weitestgehend im Alltag zu vermeiden.“
Wahrscheinlich kann das nur ein schrittweiser Prozess sein, solange die Anbieter nicht selbst über Alternativen nachdenken. Denn ein Verkaufsangebot ohne Plastik bedingt natürlich schon im Herstellungsprozess ein Umdenken: Wo ist Plastik eigentlich ohne weiteres ersetzbar?
Die Krux ist natürlich, dass Verpackungen heute eine eminente Rolle bei der Preisgestaltung bieten. Sie sind immer aufwendiger geworden und suggerieren oft schon über Form und Gestaltung den vermeintlich hohen (Nutz-)Wert eines Produktes. Oft kaschieren sie das Unverhältnis zwischen Packungsgröße und Inhalt. Aber da immer mehr Fertigprodukte die Supermärkte dominieren, haben die Kunden oft keine andere Wahl, als trotz allen Widerstrebens das Plastikverpackte mitzunehmen. Es gibt ja nichts anderes.
Ein Dilemma, das auch den Leipzigern sehr bewusst ist.
Seit 2016 gibt es in Leipzig auch zwei Unverpackt-Läden: „EchtUnverpackt“ in der Könneritzstraße in Schleußig und „EinfachUnverpackt“ in der Kochstraße in der Südvorstadt, wo man vor allem die Grundzutaten einer ganz normalen Küche „wie früher“ nach Gewicht einfach abfüllen und abwiegen lassen kann. Was auch wieder ein Schritt hin ist zu einem ursprünglicheren Einkaufsgefühl.
Was aber am Grundproblem, dass viele Leipziger auf den Einkauf im Discounter angewiesen sind, noch nichts ändert: „Fehlende Alternativen zur Verwendung von Plastik im Alltag und Gewohnheiten geben der Mehrheit der Befragten das Gefühl, aktuell ihr Konsumverhalten nicht ändern zu können“, stellt die junge Forscherin fest. “Plastikverpackungsfrei einzukaufen stellt beispielsweise für über die Hälfte der Befragten aktuell eins der größten Hindernisse dar.“
Was in der Summe die Feststellung ergibt, dass die Leipziger sehr wohl bereit wären, auf das allgegenwärtige Plastik zu verzichten, wenn es nur die entsprechenden (auch für sie bezahlbaren) Angebote in ihrem Lebensumfeld gibt. Den Jutebeutel oder Einkaufs-Taschen aller Art haben die meisten längst dabei.
Jetzt fehlt noch das, was die Stadt allein nicht leisten kann. Jedenfalls nicht, wenn sie die üblichen Supermarktbetreiber nicht mit ins Boot holt und die Trendwende mit ihnen gemeinsam organisiert. Was alles machbar ist. Selbst der Riese Rewe lädt jedes Mal zum Fototermin, wenn er wieder ein kleines Puzzle-Teil umweltfreundlichen Verkaufens eingeführt hat.
Die befragen Leipziger jedenfalls erwarten noch mehr, wie die junge UfZ-Forscherin feststellt: nämlich „sinnvoll organisierbare, sozial praktizierbare und bezahlbare“ Alternativen in der Stadt zugänglich zu machen. Echte und für alle zugängliche Alternativen, „damit mehr Personen ihren alltäglichen Konsum an Plastik verringern können.“
Außerdem brauche es mehr verlässliche Informationen durch Behörden – auch durch das Umweltamt der Stadt. Und mehr „Sensibilisierung für das globale Problem und die lokale Verantwortung“. Denn Globalisierung heißt eben auch: Globalisierung der Folgeprobleme. Bis hin zu den plastikvermüllten Meeren.
Eins jedenfalls zeigt die Umfrage: Die Leipziger selbst würden mitmachen, an diesem Punkt die Welt wieder zu entlasten.
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Das ist etwas, woran ich bei mir selbst noch dringend arbeiten muss. Ich erschreck mich jedesmal, wie schnell die gelbe Tonne voll ist. Einen verpackungsfreien Laden gibt es in der Nähe leider nicht, aber ich könnte auch beim normalen Einkauf viel verbessern. Blöde Bequemlichkeit. Dann wird das jetzt mein nächstes Verbessere-die-eigene-Welt-Projekt.^^