Seit 1999 gibt es in Leipzig den Stadtentwicklungsplan (STEP) Zentren. Es ist ein Versuch, den Wildwuchs von Einzelhandelseinrichtungen irgendwie in den Griff zu kriegen. Denn bis 1999 herrschte bei dem Thema eher Chaos, Rücksichtslosigkeit und ein harter Überbietungswettbewerb. Nicht nur in Leipzig. Jetzt hat das Dezernat Stadtentwicklung und Bau eine Neufassung vorgelegt. Mit einer großen Aufräumaktion.

„Das zukünftige Netz dieser urbanen zentralen Versorgungsbereiche soll 42 Zentren umfassen. Bisher waren es 65. Die geplante Reduktion ermöglicht eine flexiblere Steuerung außerhalb der Zentren in sich stark verändernden Stadtgebieten“, teilte das Planungsdezernat dazu mit. „Es gibt auch Entwicklungsperspektiven für neue Zentrale Versorgungsbereiche: Die Bereiche Gorkistraße-Nord, Riebeckstraße und Bernhard-Göring-Straße sollen als perspektivische D-Zentren gestärkt werden: Sie befinden sich in Stadtteilen, in denen sich die Nachfrage besonders stark entwickelt hat.“

Denn etliche Investoren liefen Sturm, weil das alte Konzept (zuletzt 2009 und 2012 erneuert) ihre Investitionen ausbremste. Nicht alles kann eine Stadt steuern. Trotzdem scheint der STEP Zentren – so Stefanie Komm aus dem Stadtplanungsamt – ein Instrument zu sein, das im Bundesvergleich wohl die besten Ergebnisse liefert. Denn mit der Definition von Vorsorgungszentren, in denen aus stadtplanerischer Sicht die Ansiedlung von (großflächigem) Einzelhandel gewollt ist, ist der STEP ein Lenkungsinstrument. Investoren wissen, wo sie willkommen sind. Und wo sie mit Widerstand der Stadtverwaltung rechnen müssen.

Stichwort: nicht integrierte Lagen. Da gibt es auch in Leipzig noch etliche Supermärkte, die völlig abseits des ÖPNV und auch der zu versorgenden Wohngebiete entstanden sind. Mit über 20 extra aufgestellten Bebauungsplänen habe man, so Komm, viele Falschinvestitionen verhindert. Heute findet man die meisten Einzelhandelszentren in zentralen Lagen.

Mit den beiden Mega-Projekten der 1990er Jahre – dem Allee-Center an der Stuttgarter Allee und dem Paunsdorf Center – hat sich die Stadt versöhnt. Obwohl das Paunsdorf Center bis heute typisch ist für den Wildwuchs der 1990er Jahre.

Andere der damals hingeklotzten Einkaufsmärkte „auf der grünen Wiese“ gibt es bis heute, sie werden aber nicht mehr als Zentrum ausgewiesen. Man ahnt, dass die Stadt diese UFOs gern abgebaut hätte. Doch das Frappierende am Chaos der 1990er Jahre ist: Es genießt Bestandsschutz. Das trifft zum Beispiel auf den „Sachsenpark“ im Norden an der Neuen Messe zu, aber auch auf den Standort Rückmarsdorf, beide damals in Hoheit der noch nicht eingemeindeten Gemeinden entstanden, die gern mit dem sachsen-anhaltinischen Günthersdorf konkurrieren wollten, das sich einen gigantischen „Saale-Park“ gegönnt hat.

Zum Beispiel Rückmarsdorf erläutert der neue Entwurf des Stadtentwicklungsplans: „Großflächige und nicht-großflächige Fachmärkte konzentrieren sich im Versorgungsraum in Burghausen-Rückmarsdorf sowohl auf die Standortgemeinschaft südlich der Merseburger Straße (B181) als auch auf das Fachmarktzentrum ‚Löwencenter‘. Sie werden ergänzt durch weitere Einzelstandorte vorwiegend im Möbelbereich. Alle Sonderstandorte erfüllen zwar nicht die Kriterien von zentralen Versorgungsbereichen, für sie besteht jedoch planungsrechtlicher Bestandsschutz. Entsprechend den Zielen und Steuerungsgrundsätzen des STEP Zentren ist zum Schutz und Erhalt der Zentren im Stadtraum der Anteil zentrenrelevanten Einzelhandels an diesen Sonderstandorten auch zukünftig nicht auszubauen.“

Es gibt diese UFOs also noch – aber sie spielen in der Zentrenplanung der Stadt keine Rolle. Die hat dafür schon vor sieben Jahren ganz andere neue Schwerpunkte gesetzt, indem sie die alten (Einkaufs-)Magistralen der Stadt als eigene Kategorie mit in den Zentren-Plan aufgenommen hat. Das sind zwar keine „Zentren“ im klassischen Sinn. Aber es sind Straßen, an denen sich die Stadt eine vielfältige Einkaufslandschaft wünscht. Und die auch schon in ersten Teilen wieder Leben gewonnen haben.

Exemplarisch nennt Komm die Karl-Liebknecht-Straße und die Eisenbahnstraße.

Denn bei den Zentren geht es nicht zuerst darum, dass große Handelsketten viel Geld verdienen, sondern dass wieder urbanes Leben in stabilen Strukturen im ganzen Stadtgebiet angesiedelt ist. Weswegen es neben dem A-Zentrum (der Innenstadt), die zwei B-Zentren in Grünau und Paunsdorf und diverse C- und D-Zentren gibt.

„Es gilt, starke Stadtteil- und Nahversorgungszentren zu etablieren. Neben den allgemeinen infrastrukturellen Voraussetzungen geht es um die Förderung urbaner Qualitäten“, betont das Planungsdezernat. „Außer Einzelhandelsangeboten spielen Gastronomie, Kultur, Service- und Freizeitangebote sowie die Erhöhung der Aufenthaltsqualität eine wesentliche Rolle.“

Und – nicht zu vergessen – die gute Anbindung an den ÖPNV.

Trotzdem wurden jetzt von 65 ausgewiesenen Zentren 23 gestrichen.

Der Grund ist simpel: Sie haben es nicht geschafft, sich wirklich zu einem solchen Nahversorgungszentrum zu entwickeln. Oft einfach deshalb, weil sie eher in Stadtrandgemeinden liegen, wo sich großflächiger Einzelhandel oder gar Fachhandel nicht ansiedelt. Das wünschen sich zwar viele Bewohner dort.

Aber gerade die heutigen Einzelhandelsketten drängen auf immer größere Märkte. Aber je größer die Supermärkte sind (und je größer das Angebot), umso mehr Kunden brauchen sie auch. Die gibt es in den Versorgungsräumen am Stadtrand in der Regel nicht. Leipzig wächst vor allem durch Verdichtung im Inneren. Dort prügeln sich die großen Ketten um die wenigen verfügbaren großen Standorte. Typisches Beispiel – so Komm – sind Rewe und Lidl, die ihre Märkte im Stadtgebiet in den letzten Jahren deutlich vergrößert haben.

Was dann für die eingemeindeten Ortsteile oft heißt, dass sich hier bestenfalls kleinere Nahversorger ansiedeln. So entsteht zwar eine Nahversorgungslage, aber nichts, mit dem die Stadt das Wort Zentrum begründen könnte.

Teilweise betrifft es auch innerstädtische Straßenzüge, wo die Stadt noch vor zehn  Jahren erwartete, sie würden sich für eine Zentrenentwicklung anbieten.

Hoffnungslos sind diese Gebiete freilich nicht: „Die Sicherung und der Ausbau der polyzentralen Nahversorgungsstrukturen behält die oberste Priorität. In den Stadtbereichen, in denen jetzt keine Zentren mehr ausgewiesen sind, ist nun eine flexiblere und an den Bedarf angepasste Ansiedlungsstrategie möglich. Zu einer tatsächlichen Zentrenbildung war es hier in der Vergangenheit nicht gekommen. Kriterium für die Ansiedlung von Lebensmittel-Märkten ist die städtebaulich integrierte Lage in den Wohnquartieren. Solche Standorte nennt der STEP Nahversorgungsstandorte.“

Und diese Nahversorgungsstandorte tauchen jetzt neu und in großer Stückzahl im STEP auf. Am Ende geht es ja darum, dass die Leipziger ihre wichtigsten Einkäufe wohnortnah und ohne große Fahrerei bewerkstelligen können.

Und die größte Hoffnung setzt die Stadt ja darauf, dass sich die alten Magistralen wieder mit Leben und Läden füllen: „Im Fokus der Fortschreibung standen Magistralen wie die Eisenbahnstraße im Osten oder die Georg-Schwarz-Straße im Westen. Insgesamt neun Magistralen wurden im Auftrag des Stadtrates als Sonderkategorie in den STEP aufgenommen. Entlang der Magistralen bilden sogenannte ‚Bandzentren‘ die Schwerpunktbereiche der zukünftigen Einzelhandelsentwicklung. Auf den sonstigen Magistralen-Abschnitten soll die Multifunktionalität in den Erdgeschosszonen gestärkt werden.“

Das ist das Thema „Leipziger Laden“, das die Stadt ebenfalls seit 2009 verfolgt. Das Problem der Leipziger Läden ist aber, dass sie oft genug nicht gegen die großen Handelsketten im näheren Umfeld bestehen können. Regelmäßig sorgt die Eröffnung großflächiger Märkte dafür, dass zuvor noch funktionierende Einkaufsstraßen ihre Händler verlieren. Das große Testfeld dazu ist aktuell die Georg-Schumann-Straße, wo es nach wie vor ein zähes Ringen um jeden Ladenbetreiber gibt – aber auch einen starken Trend zum Billigangebot. Das wirklich nachhaltige Rezept, den Leipziger Laden zu retten, hat die Stadt noch nicht gefunden.

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