Da war dann auch Sachsens Verbraucherministerin Barbara Klepsch (CDU) auf der Stelle ertappt. Dabei war sie am Mittwoch, 20. Juli, nur auf Besuch in der Verbraucherzentrale Sachsen in der Katharinenstraße in Leipzig. Und dann diese Frage: „Haben Sie eine Drittanbietersperre auf Ihrem Smartphone?“

Hatte die Ministerin nicht. Und erschrak ein bisschen. So, wie es vielen sächsischen Verbrauchern geht, wenn sie merken, dass sie wieder mal in eine gut versteckte Abo-Falle geraten sind, das Kleingedruckte im Kleingedruckten übersehen haben oder irgendwo versehentlich auch nur ein Werbebanner berührt haben, das ihre beiläufige Berührung gleich in einen gültigen Abbuchungsvertrag verwandelt hat. Ein Dauerärgernis für Verbraucher und Verbraucherschützer.

Denn die Mobilfunkanbieter in Deutschland reden sich raus. Wer sich über die seltsamen Abbuchungen auf seinen Konto wundert und genau weiß, dass er mit dem abbuchenden Unternehmen nie im Leben einen Vertrag abgeschlossen hat, beißt sich an den Mobilfunkbetreibern die Zähne aus. Die haben ihre Verträge mit Drittanbietern gemacht, verlassen sich auf Treu und Glauben, dass die dort abgeschlossenen Verträge schon rechtens sein werden und buchen einfach ab vom Konto des Nutzers. Das ist bequem und wäre im Online-Zeitalter eigentlich die beste Lösung für viele kleine nervende Abschlüsse, die man online tätigt: Man lässt es über die Mobilfunkrechnung abbuchen und hat weiter keine Sorgen mehr…

Wären da nicht die vielen faulen Schafe, die das Modell dazu missbrauchen, ahnungslosen Surfern im Netz Geschäfte unterzujubeln, die diese niemals bewusst eingegangen sind. Oft steckt hinter den untergeschobenen Verträgen nicht mal ein Gegenwert. Da werden mal 3,99 oder 6,99 Euro abgebucht für irgendein onlineaktives Unternehmen, und das fällt manchem Nutzer erst auf, wenn die vielen kleinen Posten sich auf dem Kontoauszug zu Summen addieren, die wehtun.

Nicht nur Senioren können ein Lied davon singen, wie ihnen der Nepp im Netz immer wieder begegnet. Auch Eltern erleben so ihre Dramen mit Kindern, die ja heute alle wunderbar netzaffin sind – aber weil sie sich meist auch in Netzregionen herumtreiben, wo die Bauernschlauen ihre digitalen Fallen gelegt haben, merken die Eltern dann oft erst beim Blick aufs Konto, was Spannemann da wieder eingefangen hat. Aber die Kinder wissen oft gar nicht, woher das kam. Die Seiten, die sie besucht haben, besuchen doch die anderen alle auch? Und irgendetwas Seltsames haben sie auch nicht angeklickt. Trotzdem scheint so manches dubiose Unternehmen, dessen  Sitz fast immer außerhalb Deutschlands oder gar der EU ist, einen irgendwie zustande gekommenen Vertrag in der Hand zu haben, mit dem es über den Mobilfunkanbieter einfach abkassiert.

Am Endehilft nur eine eingeschaltete Sperre für Drittanbieter im Smartphone. Sie verhindert, dass solche Verträge „zufällig“ zustande kommen. Wenn man dann doch mal online etwas bestellen will, muss man sie dafür ausschalten. Aber das ist der Mühe wert, wenn man den ganzen Ärger bedenkt, den Nutzer nicht nur haben, die abgebuchten Kosten wiederzubekommen, sondern auch den Vertrag anzufechten.

Das ist mehr als nur ein Loch im deutschen Geschäftsrecht, das ist eine Unterlassung. Schon seit Jahren prangern die Verbraucherschutzzentralen diesen Missbrauch an. Jetzt haben sie ein wenig Hoffnung, erzählte am Mittwoch beim Rundgang mit der Ministerin durch die Beratungsräume der Verbraucherzentrale Andreas Eichhorst, der neue Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen. Barbara Klepschs Ministerkollege, Justizminister Sebastian Gemkow, habe sich des Themas angenommen und es zur Diskussionsgrundlage in der Justizministerkonferenz gemacht. Eine gesetzliche Regelung, die diesen Missbrauch unterbindet, gehört schnellstens auf den Tisch.

Denn eigentlich haben auch die Berater zu Mobilfunk und Medien im Haus auch sonst schon alle Hände voll zu tun. Noch immer sorgen ganz klassische Telefonbetrüger für immensen Schaden gerade bei älteren Menschen, die auf ihre Anrufe hereinfallen. Gerade Senioren sind von den Praktiken der heutigen On-und-Offline-Betrüger oft völlig überfordert.

Deswegen möchte Verbraucherministerin Barbara Klepsch besonders für Senioren die Beratungsangebote im Freistaat verbessern.

„Verbraucherbildung ist in Sachsen gut aufgestellt. Es ist eine Investition in unsere Zukunft, die sich auszahlt“, sagt sie. „Mehr erreichen möchte ich vor allem bei der Aufklärung von Seniorinnen und Senioren. Im nächsten Jahr werde ich als Vorsitzende der Fachministerkonferenz der Länder darauf hinwirken, dass wir die Fragen des Verbraucherschutzes für die Älteren anders angehen als für die jüngeren Generationen: Ich möchte, dass Seniorinnen und Senioren bei ihrem Weg in die digitale Welt besser begleitet werden. Für noch mehr Qualität auf dem Gebiet setze ich mich gerne ein. Allein in diesem Jahr stellen wir für die Arbeit der Verbraucherzentrale Sachsen e. V. wieder rund 3 Millionen Euro aus Landesmitteln bereit. Das ist eine solide Finanzierung.“

Einen Beitrag leistet die Staatsregierung dafür ja schon. Denn mit den 3 Millionen Euro wird ein landesweites Netz an Beratungsstellen ermöglicht. Denn gerade in den ländlichen Räumen werden Beratungsangebote gebraucht, die für ältere Menschen gut erreichbar ist.

Wobei Andreas Eichhorst auch eher beiläufig darauf hinwies, dass es nicht am Alter liegt, wenn Menschen mit den Komplikationen des modernen Vertragsrechts in Kollision geraten. Auch jüngere Menschen, denen man eigentlich zutraut, dass sie online fit sind und sich auf allen verfügbaren Seiten informiert haben, merken oft erst nach dem Gespräch mit einem Versicherungsberater oder Bankmitarbeiter, dass ihnen zum eigentlichen Vertrag auch noch ein paar frei erfundene Servicegebühren und eine fette Zusatzversicherung untergejubelt wurden. Da ist guter Rat teuer.

Oft kann die Verbraucherzentrale da helfen. Aber mittlerweile weiß man, dass das allein nicht genügt, dass der „informierte Verbraucher“ sowieso eine Illusion ist. Dazu sind die wirklich gierigen Abzocker längst zu ausgebufft und der Politik, der Gesetzgebung und den Verbrauchern um Meilen voraus. Sie kennen die gesetzlichen Grauzonen und nutzen sie schamlos aus. Und es ist ihnen auch nicht peinlich, Kunden nach allen Mitteln der Kunst über den Tisch zu ziehen.

Deswegen war auch die Beratung zu Geld und Finanzen das erste Büro, das Barbara Klepsch am Mittwoch besuchte und wo sie sich über die neuen Strategien der Banken, die Kontoinhaber über neue Gebühren abzuzocken, informieren ließ. Und nachdem die Bankenwelt durch einige klare Gerichtsentscheidungen mal zwei Jahre in der Defensive waren, ist das Spiel mit neuen Gebühren und Aufschlägen wieder voll entbrannt. Bis hin zu den erwähnten völlig unsinnigen Zusatzversicherungen. Was Andreas Eichhorst zu dem Schluss bringt, dass auch der mündige Verbraucher bestenfalls oberflächlich über die Produkte informiert ist, die er kauft. Selbst bei bester Mühe reicht die Mündigkeit nur „bis zu einer gewissen Tiefe“. Aber da unten sind dann meist die verschachtelten Klauseln untergebracht, schwer zu finden, selten in klarem Deutsch formuliert.

Ein Weg, den die Verbraucherzentrale sieht, den Verbraucher ein wenig besser zu schulen, wären systematische Fortbildungen für Lehrer, Sozialarbeiter oder Erzieher, die das Bewusstsein für die Gefahren der heutigen Konsumwelt weitertragen und damit für mehr Vorsicht bei den Betroffenen sorgen. „Das kann allerdings nur ein Anfang sein. Verbraucherbildung wird an allen Ecken und Enden gebraucht und sollte sich durch alle gesellschaftlichen Schichten und Altersklassen ziehen“, sagt Eichhorst.

Tatsächlich müsste sie sogar im Elternhaus anfangen. Denn gerade die Kinder und Jugendlichen mit ihrem überschwänglichen Surfverhalten sind die Hauptzielgruppe für viele der kriminellen Fallenleger.

„Umso wichtiger ist es, dass wir frühzeitig beginnen, die Fragen des Verbraucheralltags zu benennen und zu beantworten“, ist sich Eichhorst sicher. „Auch wenn man Kindern oft kein oder wenig ökonomisches Verständnis zuschreibt, sind sie schon in jungen Jahren mit unserer Wirtschaftswelt konfrontiert, bekommen Taschengeld oder sparen auf ihr Lieblingsspielzeug.“

Denn bis die Justizminister sich neue Gesetze ausgedacht haben, die den falschen Fuffzigern das Geschäft verhageln, wird Zeit ins Land gehen. Am Ende kann nur frühzeitiges Wissen um die Gefahren im Urwald vor den meisten Fallen schützen. Vor allen nicht. Das wurde auch am Donnerstag wieder deutlich. Denn auch bestinformierte Verbraucher tauchen hier immer wieder auf, weil ihnen doch wieder ein fauler Vertrag untergejubelt wurde. Ohne eine bessere Schützenhilfe durch die Justiz, die die digitale Wegelagerei sanktioniert, wird es nicht gehen.

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