Es war der erste Vorstoß des Jugendparlaments, der erste Antrag aus den Reihen der jungen Leipziger Parlamentarier, der nun zum Beschluss im Stadtrat reifen sollte: Pfandringe an Leipziger Abfallbehältern, die Schluss machen sollen mit den Scherben auf den Straßen. Und nun das: Das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport lehnt den Antrag rundweg ab.
Die Absicht ist gut. Und die jungen Leipziger sind ja nicht die Ersten, die auf die Idee gekommen sind. In anderen Städten werden solche Projekte schon ausprobiert. Aber augenscheinlich verträgt sich die gute Absicht einfach nicht mit dem ganz normalen irrationalen Verhalten von Menschen.
„Tests in mehreren Kommunen haben ergeben, dass Pfandringe bzw. Pfandkisten die damit verbundenen Erwartungen und verfolgten Ziele in der praktischen Umsetzung nicht erfüllen konnten. So wird berichtet, dass nur wenige Einrichtungen sachgemäß genutzt wurden. Die meisten Kommunen bauen zwar die Test-Pfandringe nicht wieder ab, montieren aber keine weiteren. Köln und Freiburg haben die Pfandringe nach einer Testphase wieder demontiert“, stellt das Ordnungsdezernat in seiner Stellungnahme fest. Und listet dann aus einer Studie des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) in 16 Kommunen vom September 2015 auf, was an der Sache alles nicht funktioniert:
„1. In der Regel sind es nicht mehr die ‚Bedürftigen‘, die die Pfandflaschen aus den Ringen entnehmen. Das erhoffte Ergebnis, den Flaschensammlern einen menschenwürdigen Nebenverdienst zu ermöglichen, wird damit nicht erreicht.
- Die Behälter werden auch trotz des angebrachten Pfandrings durchsucht.
- Die Pfandringe werden in der Regel nicht mit Pfandflaschen, sondern mit den unterschiedlichsten Dingen wie ‚to-go‘-Bechern, Flaschen ohne Pfand und kleinteiligen (organischen) Abfällen bestückt. Dadurch entsteht hoher Zeitaufwand für das Personal bei der Leerung, denn die Abfälle müssen von Hand aussortiert werden. Das verteuert die Sammlung.
- Die Stadtsauberkeit wird durch Pfandringe nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Der Glasbruch nimmt zu. (…)“
Wobei es sich ja nicht um natürlichen Glasbruch handelt. Die Pfandflaschen, die von ihren Entleerern irgendwo wild in der Landschaft platziert werden, werden ja in der Regel mutwillig zerstört. Oft genug da, wo die Scherben noch mehr Schaden anrichten – auf Radwegen und Fußwegen. Wobei das Phänomen aufs Engste mit der Einführung des Dosenpfandes im Jahr 2003 zusammenhängt. Bis dahin waren es vor allem die leichten Bierdosen, die zur To-go-Kultur der städtischen Feier-Laune gehörten. Um sie wieder zurück ins Recycling-System zu bekommen, wurden die Handelseinrichtungen damals dazu verpflichtet, ein Pfand- und Rücknahmesystem, wie es zuvor schon für Glasflaschen existierte, einzuführen.
Das seltsame Ergebnis: Aus der Bierdose, die man beim Schlürfen auf der Straße mitnahm, wurde die eigentlich eher unpraktische Bierflasche. Mit sichtbarem Ergebnis an jedem Wochenende – nicht nur auf Leipzigs Partymeilen.
Aber wie schafft man den Ärger aus der Welt?
Pfandringe, so stellt das Ordnungsdezernat fest, lösen das Problem nicht, verlängern nur den Leerungsakt der Papierkörbe. Billig sind sie auch nicht: „Pfandringe kosten zwischen 70 und 450 Euro pro Stück. Die Preisspanne ist so groß, weil für die einzelnen Papierkorbtypen passende und damit unterschiedliche Ringe angefertigt werden müssen. Das heißt, die Pfandringe kosten mitunter mehr als der eigentliche Papierkorb. Hinzu kommen noch die Kosten für den Anbau und Ersatz durch Verschleiß und Vandalismus. Durch das Anbringen an den Behältern erlischt zudem die Garantiepflicht für die Gefäßhersteller.“
Und dann hat man gleich mal die Kosten auf das ganze Behältersystem hochgerechnet: „In Leipzig sind derzeit rund 3.400 Behälter aufgestellt und mehr als 20 unterschiedliche Typen im Einsatz. Setzt man Durchschnittskosten von 300 Euro pro Behälter für den Kauf und die Montage der Pfandringe an, ergeben sich für die Erstausstattung Kosten von rund 1 Million Euro. Zum Vergleich: In 2016 stehen dem Eigenbetrieb Stadtreinigung für die gesamte Papierkorbsammlung 860.000 Euro zur Verfügung.“
Dabei verweist man auch auf einen Abschlussbericht der Stadt Köln zum Pilotprojekt „Pfandsammelsysteme und Papierkorbinhalte“ von 2015: „In diesem Abschlussbericht wird insbesondere darauf abgestellt, dass es bei diesem Pilotprojekt in der Stadt Köln nur zu einer geringfügig weiteren, aber nicht signifikanten Abschöpfung bepfandeter Gebinde aus dem Papierkorbabfall kam.“
Denn selbst wenn man alle Abfallbehälter mit solchen Ringen ausstattet, befinden sie sich trotzdem selten da, wo der trinkfreudige Zeitgenosse seine leer getrunkene Flasche abstellt oder fallen lässt. Es ist ja nicht Ordnungsbewusstsein, das diese Straßentrinker antreibt, sondern ein gewisses Maß an Bequemlichkeit und Rücksichtslosigkeit.
Vor den Kosten eines Pfandringsystems für die Stadt warnt das Ornungsdezernat lieber: „Sollten künftig Pfandringe für alle Behälter obligatorisch werden, würden die Kosten der Papierkorbsammlung beträchtlich steigen. Das beschlossene Papierkorbkonzept könnte dann nicht umgesetzt werden.“
Augenscheinlich braucht es für das Problem wohl doch noch ein paar zündende Ideen, die es den Flaschenträgern irgendwie leichter machen, die geleerten Flaschen so abzulegen, dass sie keinen Schaden anrichten und auch leicht eingesammelt werden können. Die Idee aber hat augenscheinlich noch niemand gefunden.
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Es gibt 2 Kommentare
Kurz nach Einführung des Dosenpfands hatte ich der Scherben wegen an das Bundesumweltamt geschrieben, ebenfalls mit der Anregung eines erhöhten Flaschenpfandes. Die Antwort war kurz: Vermehrter Glasbruch wäre nicht bekannt; auf die Höhe des Pfandes würde sich der Handel selber einigen. Also falsche Adresse. Wäre des Handels wegen der Wirtschaftsminister Ansprechpartner gewesen?
Keine zündende Idee!? Bei einem Flaschenpfand von 5 € pro Flasche sollte sich das Problem in null komma nix erledigt haben…