2013 war es noch ein Testballon: Machen die Sachsen mit, wenn die Verbraucherzentrale nach dem rücksichtslosesten Prellbock im Land sucht, dem Unternehmen, das sich um Verbraucherrechte, Fairness und Ehrlichkeit am wenigsten schert? Sie machten mit und am Ende sollte ja bekanntlich das Chemnitzer Unternehmen B2B Technologies den "Prellbock 2013" bekommen, wollte ihn aber nicht.
Man ließ extra das Hausrecht walten, um die Übergabe des anschaulichen Preises zu verhindern. Das ist jetzt Geschichte. Denn 2015 ruft die Verbraucherzentrale auf, einen neuen Prellbock-Gewinner zu küren. Es können auch drei sein, denn am Ende kürt eine unabhängige Fachjury aus den Vorschlägen drei “Sieger”, aber nur einer wird den Prellbock auch bekommen. Wenn er bereit ist, das Tierchen anzunehmen. Denn diesmal soll es, anders als 2014, tatsächlich ein gehörntes Tier sein, das als Trophäe an den größten Trickser, Verstecker, Mogler und Unterjubler vergeben wird. 2014 war es noch ein braver Eisenbahnprellbock, der nun wohl für immer als Schaustück in den Räumen der Verbraucherzentrale in der Katharinenstraße verbleibt, denn auch der Sieger ist so langsam Geschichte und wird gerade abgewickelt.
“Vielleicht hat das Geschäftsmodell ohne die von uns angemahnten Unkorrektheiten wohl doch nicht funktioniert”, vermutet Michael Hummel, der Referatsleiter Recht der Verbraucherzentrale. Aber das Ziel des Wettbewerbs ist eigentlich nicht, Unternehmen vom Markt verschwinden zu lassen, sondern illegale Geschäftspraktiken aufzudecken. Die Verbraucher können dabei helfen, denn sie erleben ja im Alltag, wie einige Unternehmen mit dubiosesten Mitteln versuchen, an ihr Geld zu kommen: Da werden Verträge untergejubelt, die der Kunde vorher nie zu sehen bekam, lauern hinter Lockvogelangeboten teure Abofallen, halten die Produkte die vollmundigen Versprechen nicht oder werden gar nicht erst geliefert und die Firma erweist sich als Luftnummer oder Briefkasten.
Wenn Andrea Heyer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Sachsen, anfängt aufzuzählen, mit welchen Tricks einige Anbieter versuchen, den Kunden das Geld abzuluchsen, kommt sie schnell außer Atem, denn die Liste will eigentlich nicht enden: da melden sich Inkasso-Unternehmen, die Geld eintreiben wollen für Käufe, die die Betroffenen nie getätigt haben, da werden via Telefon Verträge untergeschoben – und die Betroffenen haben nicht mal einen Beweis in der Hand, dass sie die Verträge nie abgeschlossen haben, da werden alte Spar- oder Bausparverträge mit windigen Argumenten gekündigt, weil sie den Kreditinstituten zu teuer werden, Gebühren berechnet, die vor keinem Gericht Bestand haben … Aber wer geht schon vor Gericht, wenn die möglichen Anwaltskosten ein Zehnfaches des abgegaunerten Betrages ausmachen? Wer hat die Nerven?
Viele Betrogene wenden sich in solchen Fällen an die Verbraucherzentrale. Doch auch sie kann nicht immer helfen, wenn der Gesetzgeber noch immer gewaltige Lücken gelassen hat für den Betrug. Und auch deshalb braucht es den Prellbock-Wettbewerb: um die schlimmsten Kandidaten zu finden und genug Material, um den Gesetzgeber auf das Gravierende des Problems aufmerksam zu machen.
“Wenn wir zeigen können, dass es keine Einzelfälle sind, sondern ein generelles Problem ist, dann erreichen wir beim Gesetzgeber deutlich mehr”, sagt Andrea Heyer. Auch wenn sich an den Strickmaschen der Ganoven in den 25 Jahren des Bestehens der sächsischen Verbraucherzentrale eigentlich nichts geändert hat. 1990 ging es mit den berühmten Kaffeefahrten und den ersten üblen Erfahrungen in Partnerschaftsbörsen los. Es wird betrogen, wo der gutgläubige Kunde gern Vertrauen haben möchte, ihm werden goldene Versprechungen gemacht, Billigware wird ihm überteuert angedreht. Und immer wieder werden die elementarsten Sehnsüchte der Menschen missbraucht – die nach Geborgenheit, Sicherheit, Liebe.
Und die Erfahrung nach 25 Jahren besagt: Der mündige Verbraucher, der die faulen Tricks der Ganoven durchschaut, wenn er ihnen begegnet, der ist selten. Die meisten Verbraucher vertrauen darauf, dass sie beim Einkauf oder bei Verträgen nicht übers Ohr gehauen werden – sie lesen auch nicht das Kleingedruckte, recherchieren auch nicht nach der Vertrauenswürdigkeit der Firma. Und so hat die Verbraucherzentrale Sachsen Jahr um Jahr zu tun, zitiert die schlimmsten Kandidaten aus der grauen Geschäftswelt vor den Kadi. Aber auch das kann sie nur exemplarisch machen. Auch in der Hoffnung, wie Andrea Heyer betont, dass die Urteile abschreckend wirken auf andere Akteure, die mit ähnlichen Methoden versuchen, die Kunden zu ködern und ihnen Nepp oder reine Luftverträge anzudrehen.
Was bei schriftlichen oder Online-Buchungen nicht mehr möglich ist, ist derzeit ein Tummelfeld für dreiste Betrüger, die sich via Smartphone die Kunden angeln, die dann verblüfft sind, wenn ihnen wöchentlich auf einmal 4,99 Euro mit der Telefonrechnung abgebucht werden – für einen Drittanbieter, von dem sie nie gehört haben.
Aber Vorgaben möchte die Verbraucherzentrale den Leuten nicht machen, die jetzt Vorschläge für den “Prellbock 2015” einreichen. “Wir denken zwar, dass unter den Vorschlägen einige uns gut Bekannte sein werden”, sagt Hummel. “Aber wir rechnen auch damit, dass uns die Teilnehmer des Wettbewerbs auch neues Material liefern, mit dem wir arbeiten können.”
Am Dienstag, 1. September, geht es offiziell los, kann man seine Vorschläge zu Pfuschern, Abzockern und Blendern, die einem mit faulen Geschäftspraktiken aufgefallen sind, an die Verbraucherzentrale senden. Dazu werden in den Städten Leipzig, Chemnitz, Dresden und Zwickau auch extra City-Cards verteilt, die zum Mitmachen auffordern. “Aber wir nehmen diesmal die Vorschläge auch in allen unseren dreizehn Geschäftsstellen entgegen”, betont Heyer. Den Wettbewerb 2013 hat man nur online durchgeführt, was dann auch einen starken Internet-Schwerpunkt bei den vorgeschlagenen Kandidaten ergab. Und es stellte sich heraus, dass viele Sachsen doch noch nicht so internetaffin sind und lieber persönlich vorbeikommen wollen. Deswegen wird die Verbraucherzentrale mit dem Negativ-Wettbewerb auch auf diversen Stadtfesten unterwegs sein, so auch am ersten Septemberwochenende beim “Tag der Sachsen” in Wurzen.
Online kann man trotzdem seine Vorschläge abgeben. Wichtig, so betont Heyer, sei, dass der Vorschlag sachlich begründet wird. Einfach nur Anschwärzen, das ist nicht Sinn der Sache. Der Vorschlagende muss schon erklären, welche Geschäftspraktik ihm sauer aufgestoßen ist.
Das wird nämlich auch in der Entscheidung der fünfköpfigen Fachjury eine Rolle spielen, wenn die sich im Januar zusammensetzt und aus den Vorschlägen die schlimmsten Prellböcke heraussucht. Zu den Kriterien gehören zum Beispiel auch die Häufigkeit und die Schwere der Verstöße gegen geltendes Recht, verschärfend wirkt, wenn dabei schutzbedürftige Verbraucher über den Tisch gezogen werden: Senioren und Kinder. Wenn ein Unternehmen besonders häufig genannt wird, fließt das natürlich auch in die Bewertung ein, es sollte möglichst ein in Sachsen tätiges Unternehmen sein (weshalb auch Verbraucher aus anderen Bundesländern Vorschläge machen dürfen, wenn ihnen ein sächsisches Unternehmen unangenehm auffiel) oder in Sachsen tätig sein (weshalb sächsische Verbraucher auch Unternehmen von außerhalb benennen können, wenn die ihr Unwesen in Sachsen treiben).
“Und bei dem Ganzen geht es wirklich nicht darum, eine Branche an den Pranger zu stellen”, sagt Andrea Heyer. “Es geht uns vor allem darum, die schlimmsten Geschäftspraktiken der schwarzen Schafe öffentlich zu machen. Auch im Sinne der Unternehmen, die sich an die Gesetze halten und die durch solche Betrüger eben auch echte Wettbewerbsnachteile erleben.”
Wer dann wirklich den Prellbock bekommt, wird die Jury im Februar 2016 bekanntgeben. Und dann wird’s wieder spannend, ob der Gewinner den Preis annimmt oder doch lieber abtaucht, wenn das Preiskomitee vor der Tür steht.
Es gibt 2 Kommentare
Leider erst bei der nächsten Wahl
Darf auch ein Oberbürgermeister oder die sächsische Landesregierung nominiert werden?