Ab und zu sammeln Sachsens Statistiker alle Daten zusammen und versuchen so eine Art Lebensporträt der Sachsen zu zeichnen. "Statistisch betrachtet – Private Haushalte in Sachsen“ heißt so eine 32-seitige Broschüre, die das Sächsische Landesamt für Statistik am 23. Juli veröffentlichte. Und ganz besonders wichtig fanden die Statistiker die Nachricht: "8 von 100 Haushalten haben kein Mobiltelefon".

Eine Nachricht, bei der sich natürlich die Frage aufdrängt: Noch nicht oder nicht mehr? Die Antwort lautet natürlich: Noch nicht. Oder: Erstmal nicht. Denn die Nutzung von Mobiltelefonen in Sachsen hat ja rasant zugenommen. Für das Jahr 1991, als die Dinger noch gewaltige Monstren waren, für die man eine eigene Tragetasche benötigte, gibt es überhaupt noch keine Zahlen für sächsische Handynutzer. 1998 waren es noch keine 10 Prozent. Aber je preiswerter, kleiner und komfortabler die Dinger wurden, umso mehr hielten sie Einzug in den Alltag der Sachsen. Und eine Schwelle hemmte 1998 noch die Entwicklung der tragbaren Teile: Es gab noch keine sinnvollen Flatrates für alle. Die Mobilfunkanbieter glaubten noch, sie könnten richtig fette Kohle machen, wenn sie die Tarife hoch hielten.

Sie haben dann schmerzvoll gelernt – manche Konzerne durch eine Komplettübernahme durch die klügeren Marktteilnehmer, die begriffen hatten, welch ein Bedürfnis die Menschen danach haben, jederzeit überall erreichbar zu sein und stundenlang mit abwesenden Gesprächsteilnehmern zu schwatzen. Erst mit der Einführung der Flatrate wurden die kleinen Teile auch attraktiv als Empfänger mobiler Inhalte. Was dann wieder die Miniaturisierung und die Weiterentwicklung der kleinen Speicher befeuerte.

Ergebnis: 2003 hatten schon 67,7 Prozent der Sachsen ein Mobilphone, 2008 waren es schon 84,8 Prozent. Ein Telefon im ursprünglichen Sinn ist es ja längst nicht mehr. Auch wenn manche Leute damit ihre Schwatzlust ausleben. Andere erfüllen damit ihre Infotainment-Bedürfnisse, wieder andere twittern und simsen, spielen oder laden sich einfach Berge von Musik herunter und stecken sich dann die Hörer ins Ohr. Es gibt eigentlich nur noch ein anderes Gerät, das so vielseitig ist: Das ist der internetfähige PC. Der natürlich den Nachteil hat, dass er entweder nicht transportabel ist – und wenn er es ist, sieht er wie ein etwas zu groß geratenes Smartphone aus.

2013 – und das sind die jüngsten Daten in der vom Statistischen Landesamt vorgelegten Sammlung – hatten schon 92,2 Prozent der Sachsen ein Mobiltelefon. Selbst die älteren Generationen sieht man heute über winzige Bildschirme wischen, geradezu angefeuert von einer Neugier nach neuen Nachrichten, neuen Statusmeldungen, neuen Reaktionen irgendwo aus dem Kosmos der digitalen Welt. Und wenn es nur die Antwort von Männe ist, dass er den richtigen Reibekäse im Supermarkt gefunden hat.

Erstaunlicher ist der Befund, dass augenscheinlich die Besitzer von Mobiltelefonen im Gegenzug keineswegs ihr Festnetztelefon abgeschafft haben. Nach wie vor verfügen 87 Prozent aller Haushalte über ein Festnetztelefon. Gegenüber 2003, als es 94 Prozent waren, ist der Betrag zwar leicht gefallen. Aber das vor allem, weil jüngere Haushalte eher auf die Anschaffung eines Festnetztelefons verzichten. Man legt sich eher noch mehr Kommunikationstechnologie zu. Den internetfähigen Computer zum Beispiel benutzen 25 Prozent der Befragten auch noch zum Telefonieren. Und zwar zusätzlich zu anderen Kommunikationswegen wie etwa E-Mail (90,1 Prozent).

Tatsächlich scheint das Hauptbedürfnis des modernen Menschen das Bedürfnis nach Gesprächen zu sein. Wahrscheinlich geben die Geräte schon durch ihre bloße Existenz das Gefühl: “Du bist nicht allein. Es gibt immer jemanden, den du anrufen, antwittern oder mit dem du dich online treffen kannst.” (Wobei die sächsischen Statistiker das Thema Partnerbörsen, Social Media, Communities überhaupt nicht erfasst haben.)

Ergebnis: 80 Prozent der Sachsen sind täglich im Internet unterwegs, 95 Prozent mindestens einmal pro Woche.

Und wenn sich das Thema Kommunikation schon so aufdrängt, dann ergibt das für die Landesstatiker auch gleich noch die Frage: Liegt das vielleicht daran, dass immer mehr Sachsen allein leben? Erfüllen die Geräte vielleicht ein Bedürfnis, das durch die prekären Lebensumstände der Singles erst recht befeuert wird?

Immerhin merkten sie in ihrer Pressemeldung zur Neuerscheinung extra an: “Wussten Sie, dass 2013 zum Beispiel in den Kreisfreien Städten der Anteil der Einpersonenhaushalte am größten war?” Das Wörtchen “war” deshalb, weil auch statistisch betrachtet das Jahr 2013 ein bisschen her ist. Etwas genauer: “2013 lebte in Chemnitz, Dresden und Leipzig in mehr als der Hälfte (51,6 Prozent) der Haushalte nur noch eine Person, in den Landkreisen stieg der Anteil der Einpersonenhaushalte auf 37,9 Prozent.”

Das sind natürlich Haushalte, für die eine Reihe dieser modernen Geräte den Wunsch nach Kontakt erfüllen. Man lebt allein, ist es aber nicht unbedingt, selbst wenn die Gesprächpartner am anderen Ende der Welt leben. Was erstaunlich ist: Single-Männer besitzen deutlich häufiger ein Mobiltelefon als Frauen. Sie haben auch häufiger einen Internetanschluss und einen PC zu Hause stehen, während alleinstehende Frauen häufiger über ein Festnetztelefon, einen Gefrierschrank, einen Geschirrspüler und eine Waschmaschine verfügen. Was zumindest zeigt, dass Frauen lieber erst mal praktische Geräte anschaffen, die den Haushalt erleichtern, während Männer das Geld lieber für Autos und Computer ausgeben.

Die Unterschiede sind deutlich, aber sie sind nicht absolut. Man darf also keine Rollenklischees draus basteln, denn natürlich gibt es auch Single-Männer mit Geschirrspüler und Waschmaschine – und Frauen, die sich mit Computertechnik besser auskennen als alle ihre männlichen Bekannten.

Dass die Geräteanschaffung in Single-Haushalten so unterschiedlich ausfällt, kann auch schlicht am niedrigen Budget liegen. Denn Single-Haushalte gehören in Sachsen mehrheitlich zu den ärmeren Haushalten. 64,3 Prozent der Single-Haushalte gehören in die Einkommensgruppe von unter 1.300 Euro. Mehrpersonenhaushalte haben in der Regel doppelt so hohe Haushaltseinkommen. Und auch die sächsischen Statistiker stellen fest, was schon die Leipziger in der letzten Bürgerumfrage verblüffte: Familien mit Kindern machen mittlerweile den größten Anteil an den Haushalten aus, die mehr als 2.000 Euro im Monat als Einkommen haben.

Was wohl eine Menge darüber aussagt, wie einsatzbereit und emsig die jungen Eltern in Sachsen sind, wenn es zur Finanzierung ihrer Familie beiträgt. Ein wesentlicher Grund dafür, das Sachsens Unternehmen lernen müssen, in allen Belangen familienfreundlich zu werden.

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