Jeden Monat aufs Neue versuchen Sachsens Statistiker die Teuerungsrate auszurechnen, das, was dann am Jahresende irgendwie die Inflationsrate ergibt. Und während noch im Januar über möglichen Preisverfall orakelt wurde, steht jetzt fest: Das Leben wird auch in Sachsen weiterhin immer ein wenig teurer. Und meistens trifft's Dinge, die jeder jeden Tag braucht.
Auch wenn die Statistiker in Kamenz bei diesen Voraussagen mittlerweile so vorsichtig sind, dass sie “voraussichtlich” dazuschreiben. Falls sich doch noch was ändern sollte. Das tut’s aber immer. Gerade im Mai haben saisonale Produkte für heftige Preissteigerungen gesorgt. Frischobst zum Beispiel, das sowieso immer teurer wird.
Aber Jahresteuerungsrate bedeutet natürlich den Vergleich mit den Vorjahrespreisen. Ist auch für den Otto Normalverbraucher besser zu greifen, wenn er weiß, dass frisches Gemüse rund 10 Prozent teurer ist als vor einem Jahr (9,9 Prozent haben die Statistiker ausgerechnet). Obst ist 5,1 Prozent teurer.
Tatsächlich war der Januar wohl wirklich der einzige Monat seit Jahren, in dem die Preise insgesamt mal ein bisschen nachgaben. Seitdem geht’s wieder munter aufwärts. Und das trotz der Preisentwicklung beim Öl. Denn die dämpft den Preisauftrieb gewaltig. Oder hat gedämpft. Im Mai machte sich erstmals seit langem wieder so ein Trend bemerkbar, dass Benzin und Heizöl doch wieder teurer werden. Die ersten Firmen, die sich auf den wilden Fracking-Boom in den USA geworfen haben, sind pleite. Das Preisniveau war so weit gefallen, dass die meisten Firmen nur noch mit Verlust fracken konnten.
Manchmal fasst man sich ja auch bei den Hosianna-Berichten zu Börse und Märkten an den Kopf und fragt sich: Haben Politiker und Journalisten allesamt so gar keine Ahnung von den simpelsten Marktgesetzen? Reden drüber, als hätten sie die Wundermaschine begriffen und glauben, dass “billig, billig” auch wirtschaftlich funktioniert. Das hat es aber noch nie. Jede Technologie braucht einen Mindestabsatzpreis, damit sich die Sache rechnet. Wenn zu viele Goldsucher den Preis verderben, gehen die meisten dabei pleite – die Preise steigen wieder. Oder im Börsenjargon: “sie erholen sich”.
Bei Heizöl ging’s im Mai um 4,3 Prozent rauf, bei Kraftstoffen um 2,3 Prozent. Da ist noch ein bisschen Luft zum Vorjahrespreis: 6 Prozent. Aber es ist sicher, dass die Spritpreise da wieder hinkommen, irgendwann in nächster Zeit.
Andere Preise schwanken wie das Meer beim “fischer un sine fru”, weil im Hintergrund die großen Einzelhändler damit ihre seltsamen Preisschlachten betreiben. Es sind Signalprodukte wie Butter, Eier, Milch, die den Deutschen besonders am Herzen zu liegen scheinen, die immer mal so eine Preissturz-Kampagne erfahren, um irgendwann später wieder so teuer zu werden wie zuvor.
Augenblicklich sind das mal wieder alles Milchprodukte. Hier spielen dann auch die Molkereien ihr Spiel, wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am Montag, 1. Juni, kritisierte, der auch noch “Tag der Milch” war. Denn bei Milch ist es wie mit sächsischem Kohlestrom: Man erzählt den Einwohnern was von Grundsicherung, produziert aber davon so viel, dass man damit die Preise in den Nachbarländern drücken kann.
„Die Molkereien exportieren zwar munter weiter, aber diese Exporte gehen voll und ganz auf unsere Kosten. Mit den ständig sinkenden Auszahlungspreisen an die Bauern halten sich die Molkereien schadlos“, kritisiert Milchbauer Ottmar Ilchmann vom AbL-Bundesvorstand am Montag. Die Auszahlungspreise der Molkereien liegen nach Angaben der AbL weit unter den Erzeugungskosten der Milchviehbetriebe. „Der Export zu Billigpreisen hilft uns Bauern nicht, sondern bringt uns Verluste und bedroht die Liquidität von Betrieben“, erklärt Ilchmann.
Gleichzeitig freuen sich die Einzelhandelskonzerne, dass sie die “gute Milch” so billig kriegen.
Ergebnis sind Preissenkungen bei Molkereiprodukten und Eiern (-4,3 Prozent) wie Milch (-14,2 Prozent), aber auch Speisefetten und -ölen (-3,2 Prozent), z. B. Butter (-6,1 Prozent), stellen Sachsens Statistiker fest. Aber Pflanzenfett wird auch gleich mit billiger: -10,9 Prozent.
Und dann schaut man nach den “Dienstleistungen” in der Auflistung, denn irgendwo müssen sich ja die vor einem Jahr angekündigten großen Preissteigerungen auf Grund des Mindestlohns wiederfinden. Sie stecken auch schon drin. Aber zu einem großen Teil schon in der kleinen Teuerungsspitze von Oktober 2014 – denn die meisten Dienstleister, die bis dahin noch unter Niveau bezahlt hatten, haben den Mindestlohn schon weit vor dem 1. Januar 2015 eingeführt, um nicht ungeschützt ins nackte Messer zu rennen. Leipziger Friseure und Bäcker und auch einige Gastronomen haben das alle getan, wenn sie tough waren. Gewartet haben am Ende nur die, die immer noch geglaubt haben, sie könnten sich so irgendwie durchmogeln mit Dumpinglöhnen.
Und das taucht jetzt tatsächlich in der Statistik auf: Beherbergungsdienstleistungen wurden im Mai um 0,9 Prozent teurer. Denn das hatte ja die jüngste Umfrage der IHK ergeben: Nicht die Gastronomie hatte mit dem Mindestlohn ihre Probleme, sondern ein Teil der Hotellerie – und zwar ausgerechnet der Teil, der auch noch viel billiges Servicepersonal beschäftigte. Ein paar Häuser haben dann eifrig entlassen. Andere wohl klügererweise die Preise leicht erhöht.
Noch aber sorgen die niedrigen Kraftstoffpreise dafür, dass die Teuerungsrate mit 0,8 Prozent recht moderat blieb. Pech hat nur, wer das Geld beim Autofahren nicht wieder reinholt. Oder wer ein bisschen genießen will. Denn so langsam wird der geliebte Kaffee immer teurer. Um 23,9 Prozent ist Bohnenkaffee teurer als vor einem Jahr. Aber auch Bier ist nicht mehr ganz so billig, kostet 3,4 Prozent mehr als vor einem Jahr. Auf Milch auszuweichen ist ja dabei nicht wirklich die Alternative, denn das, was den Fracking-Unternehmen jetzt passiert, droht ja irgendwann auch den Milchbauern und Molkereien. Wobei die Bauern in diesem Fall eindeutig am kürzeren Hebel sitzen.
Die Meldung des Statistischen Landesamtes zur Teuerung im Mai.
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