Nein, der Verbraucher ist nicht mündig. Und Joachim Betz, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Sachsen, ist richtig froh, dass es die neue Bundesregierung endlich auch so sieht. Die alte hat sich zwar mit dem Thema beschäftigt, ging aber noch vom Ideal des "mündigen Verbrauchers" aus, der sich von Unternehmen und Händlern nicht übers Ohr hauen lässt. Im Normalfall jedenfalls nicht.
Aber gibt es einen Normalfall dieser Art im Wirtschaftsleben? – Die Erfahrung der deutschen Verbraucherschützer ist eine andere. Selbst Konsumenten, die sich mit dem Kleingedruckten, den AGB und den Zutaten der von ihnen gekauften Produkte beschäftigt haben, landen in den Beratungsstunden der Verbraucherzentralen. Mal erweisen sich die Produkthinweise als Lug und Trug, mal werden die zugesagten Verbraucherrechte nicht eingehalten, dann wieder erfinden scheinbar seriöse Unternehmen allerlei Zusatzkosten, die durch keine Gegenleistung gerechtfertigt sind … Das Leben als Verbraucher ist voller Fallstricke. Und in der Regel sitzen Unternehmen am längeren Hebel, erst recht, wenn sie von vornherein dubiose Geschäftsmodelle pflegen. Dann tauchen sie wie die Stehaufmännchen immer wieder auf – mit Dumpingangeboten auf diversen liberalisierten Märkten, mit falschen Versprechungen auf schnieken Websites oder mit gefälschten E-Mails in immer neuen Versionen, die den vertrauensvollen Nutzer zum Anklicken ködern wollen.
124.000 Sachsen wandten sich 2013 direkt – persönlich, per E-Mail, Telefonat oder Brief – an die Verbraucherzentrale Sachsen. Und es waren nicht nur halbseidene Firmen, die ihnen das Leben schwer machten. 2013 fielen eine Reihe Banken auf, weil sie von ihren Kunden unberechtigte Bankenentgelte abforderten – “erhöhte Gebühren für Pfändungsschutzkonten, für die Nacherstellung von Kontoauszügen und für Zwangskontoauszüge”, wie die Verbraucherzentrale als Beispiele benennt. “Doch die Palette der Bankenentgelte ist noch viel bunter. Als jüngstes Beispiel hat die Süd-West-Kreditbank Finanzierung GmbH (Bingen am Rhein) eine Unterlassungserklärung abgegeben, für den jährlichen Kontoauszug eines Kreditvertrages keine Gebühren mehr zu erheben.”
Augenscheinlich sind Banker nicht nur bei der Erfindung “strukturierter Produkte” erfindungsreich, sondern auch bei der Erfindung immer neuer Gebühren.
Das Treiben ist mittlerweile auch dem Gesetzgeber zu bunt geworden.
“Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Installierung eines Finanzmarktwächters (FMW) bewertet die Verbraucherzentrale Sachsen als großen Erfolg der gleichnamigen Initiative, in der sie in den vergangenen 3 Jahren aktiv mitgearbeitet hatte”, betont Joachim Betz. “Damit besteht für sie innerhalb des FMW die Möglichkeit, als Themen-Verbraucherzentrale künftig das Themengebiet Bankdienstleistungen/Verbraucherdarlehen zu bearbeiten und für Konsumenten entscheidende Verbesserungen zu erreichen. Auf diesem Thema lag bereits 2013 ein Schwerpunkt. So wurden bundesweit Verbraucherbeschwerden über nicht gewährte Rückzahlungen von Kreditbearbeitungskosten gesammelt und ausgewertet sowie eine Ausstellung erstellt. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Zwar ist der Wunsch nach der Einrichtung der beiden Marktwächter im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Finanzierung ist jedoch noch nicht geklärt.”
Vielleicht gibt es 2014 noch Projektgelder, dann könne man zumindest schon mit der Arbeit anfangen, meint Betz. Dabei könnten die Verbraucherzentralen auf das Wissen ihrer Beraterinnen und Berater zurückgreifen, die in den Gesprächen natürlich mitbekommen, wo sich ein neues Problem zusammenbraut. Allein die Zahlen aus den Beratungsgesprächen sprechen für sich: 2.871 Mal waren Versicherungen ein Thema, das den Betroffenen Kummer bereitete, 2.574 Mal ging es um Altersvorsorge und Geldanlagen, 934 Mal um Verbraucherdarlehen.
Dass sich auch andere “Dienstleister” schamlos bereicherten, sollte zumindest erwähnt werden.Da fühlt sich auch ein “mündiger Verbraucher” schnell ziemlich unwohl, wenn er merkt, dass ihn sein Bankberater – vorsichtig gesagt – nicht ganz offen informiert hat. Aber es gibt ihn ja nicht. Das stellen nicht nur die Verbraucherschützer fest. Dafür gibt es drei andere Typen, die der Realität wesentlich näher kommen: den informierten Verbraucher, der zumindest weiß, womit er es zu tun hat (was ihn nicht davor schützt, übers Ohr gehauen zu werden), den vertrauenden Verbraucher, der davon ausgeht, dass sein Gegenüber es ehrlich meint (ein Vertrauen, das nur zu oft enttäuscht wird) und den verletzlichen Verbraucher, der sich praktisch gar nicht gegen Übergriffe wehren kann.
Das soll jetzt neues Leitbild der neuen Verbraucherpolitik werden.
Joachim Betz ist erst einmal optimistisch: “Deshalb begrüßen wir, dass die Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD der künftigen Verbraucherpolitik ein differenzierteres Verbraucherleitbild zugrunde legt.” Es bestehe die Hoffnung, dass sich die Verbraucherpolitik nun nicht mehr an Idealvorstellungen, sondern an der Lebenswirklichkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren wird und ihr tatsächliches Verhalten stärker in den Fokus nimmt. In diesem Zusammenhang wolle die Koalition im Bund auch die Verbraucherforschung stärken und einen unabhängigen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen einrichten.
Was nicht bedeutet, dass die Bundesregierung schon eine verbraucherfreundliche Politik macht. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Für die von Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) geplante EEG-Novelle hagelt es scharfe Kritik von den Verbraucherschützern: Die von der Bundesregierung geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) macht die Energiewende wie bisher unnötig teuer, kritisieren sie. Weiterhin soll es Ausnahmeregelungen für stromintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen geben, so dass die von Bundeswirtschaftsminister Gabriel ursprünglich versprochene Entlastung der privaten Stromkunden in weite Ferne rückt. Die enormen Kosten, die dadurch verursacht werden, müssen – wie bisher – von den übrigen Stromkunden getragen werden. Verbraucherinnen und Verbraucher, die ihren Strom mittels Solar- oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage selbst erzeugen und damit die Energiewende vorantreiben, sollen künftig einen Teil der regulären EEG-Umlage zahlen.
“Wir bekennen uns grundsätzlich zur Energiewende und sind uns bewusst, dass diese nicht zum Nulltarif zu haben ist”, sagt Betz. “Diese muss allerdings effizient, gerecht und transparent gestaltetet werden.” Und nicht auf dem Buckel der Verbraucher. Das sei der falsche Weg.
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Aber nicht nur hier macht die Regierung Politik zugunsten einiger Großkonzerne. Dasselbe passiert auch auf dem Feld der Nahrungsmittel. Die letzte Bundesregierung wehrte sich mit Händen und Füßen gegen eine Lebensmittelampel, die auch dem nichtstudierten Käufer anzeigt, wieviel Fett und Zucker ein Produkt enthält. – Zucker dabei in der Mehrzahl. Ein Thema, das die Verbraucherzentrale 2013 heftig beschäftigte.
In einer bundesweiten Markterhebung fanden die Verbraucherzentralen auf 276 Lebensmittelverpackungen mehr als 70 Bezeichnungen für süßende Zutaten. Die Vielzahl an Zutaten und Begrifflichkeiten erschwert es Verbraucherinnen und Verbrauchern, alle Süßungsmittel in verarbeiteten Lebensmitteln zu erkennen und den jeweiligen Zuckergehalt abzuschätzen. Haushaltszucker ist in vielen Lebensmitteln enthalten. Häufig steht er auf der Zutatenliste aber nicht weit vorne, auch wenn das Produkt einen hohen Zuckergehalt hat. Die Verbraucherzentralen waren überrascht von der Vielzahl der süßenden Zutaten in einzelnen Produkten. Ein als weniger süß beworbenes “Knusper-Früchte-Müsli” enthielt acht süßende Zutaten, eine Leberwurst fünf. Die Verbraucherzentralen fordern eine Angleichung der rechtlich unterschiedlichen Zuckerdefinitionen. Einen schnellen Überblick über den Zuckergehalt verarbeiteter Lebensmittel würde die derzeit in Deutschland erst wenig umgesetzte Nährwertkennzeichnung in Gestalt einer Ampelkennzeichnung liefern.
Die Arbeit hört also nicht auf. Dem einen Trick folgt der nächste. Und umso dankbarer ist Betz, dass Sachsen seinen Zuschuss für die Verbraucherzentrale Sachsen wieder erhöht hat und mit 2,5 Millionen Euro einen wesentlichen Teil der rund 3 Millionen Euro beisteuert, mit denen die Arbeit der 79 Mitarbeiter gesichert wird.
Zu den drei Verbraucher-Typen: www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Verbraucherpolitik/2010_12_StrategieVerbraucherpolitik.pdf?__blob=publicationFile
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