Am Ende steht vielleicht sogar MDR-Mann Peter Escher mit der Kamera vor der Tür: "Guten Tag, Sie kennen mich schon. Ich war vor sechs Jahren schon mal bei Ihnen." Da hieß die Firma noch nicht B2B Technologies Chemnitz Gmbh und hatte auch noch ein paar Gerichtsprozesse vor sich. Aber die Methode, mit der sie im Internet ihr Geld verdiente, war schon ebenso suspekt. Das ist einen "Prellbock" wert, findet die Verbraucherzentrale Sachsen.

Mit den dubiosen Geschäftspraktiken einiger sächsischer Firmen im Internet beschäftigt sie sich schon seit Jahren. Sie hat in Vertretung der Verbraucher abgemahnt und Klagen eingereicht, sie hat um Verschärfung der Gesetze und eindeutige Regelungen durch den Gesetzgeber gerungen. Aber das scheint einige schwarze Schafe nicht im Mindesten zu jucken. Sie machen immer weiter, gehen mit falschen Versprechungen online oder locken arglose Kunden in Abofallen, lotsen sie in Verträge, die vor keinem Gericht Bestand hätten, und schicken den Übertölpelten dann trotzdem Mahnungen und Inkassofirmen auf den Hals, immer mit dem Kalkül, der Bürger wird sich schon einschüchtern lassen und lieber brav zahlen, als das Risiko einer Klage einzugehen.

Was tun, fragte sich die Verbraucherzentrale Sachsen, als sie vor einem Jahr weiterhin mit diesen Phänomenen zu tun hatte, obwohl der Gesetzgeber Abofallen 2012 strikt untersagt hatte? – Da helfe dann wohl nur noch, die betrogenen Verbraucher selbst mit ins Boot zu holen und Firmen, die weiterhin prellen und täuschen, öffentlich zu machen, fand die Verbraucherzentrale. Mit einem ordentlichen Preis. Der Name war schnell klar: Wer prellt, bekommt den “Prellbock”. – “Aller zwei Jahre”, sagt Joachim Betz, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Sachsen. “Der Aufwand dafür ist einfach sehr hoch.”

Denn wer so einen Prellbock kürt und das dann auch noch öffentlich macht, der muss es auch vor Gericht hieb- und stichfest beweisen können. Einfach Anprangern geht nicht. Gerade jene Firmen, die sich erfolgreich im Graubereich des Rechts bewegen, haben meist den kürzesten Draht zu allerlei Anwälten, die Abmahnungen und Unterlassungserklärungen verschicken. Die juristischen Instrumente beherrschen sie perfekt. Also muss die Kür solcher Unternehmen, die geltende Verbrauchervorschriften mit Absicht und penetrant verletzen, auch mit Dokumenten belegt werden.

Von Juli bis Dezember 2013 sammelte die Verbraucherzentrale Vorschläge für so einen ersten sächsischen “Prellbock”. Die Bürger, die ihre Vorschläge machten, mussten nicht nur schildern, was sie erlebt haben und wie sie über den Löffel balbiert wurden. Sie mussten auch die Dokumente mit beifügen, die den Vorgang belegen.

112 solcher Vorschläge gab es. Das klinge nicht viel, so Betz. Aber wenn man an den Aufwand auch für die Verbraucher bedenkt, die mitgemacht haben, ist es viel. Manche Vorschläge waren zwar verständlich, schossen aber ein wenig übers Ziel hinaus – wie der Vorwurf, die Bundesregierung habe 2013 falsche Wahlversprechen gemacht. Hat sie ja auch. Aber warum glauben es die Wähler immer wieder?

Man könne zwar träumen, dass der Verbraucher dazulerne und irgendwann mündig werde, so Betz. Aber das werde wohl sehr, sehr lange dauern.

Bis dahin bleibt der mündige Verbraucher genauso eine Illusion wie der mündige Wähler. Und das Tummelfeld für Betrüger ist bereitet.

Denn die Firmen, die für den “Prellbock” in Frage kommen, rechnen ja damit, dass die Besucher ihrer Website sich betrügen lassen wollen, das Lockangebot für bare Münze nehmen und dabei alle Vorsicht verlieren, wenn nur ein “Schnäppchen” lockt. Das ist die seit Jahren befeuerte “Geiz ist Geil”-Mentalität. Und die Konsumenten fallen immer wieder darauf herein, werden auch nicht skeptisch, wenn die Lockangebote so billig sind, dass sich das Geschäft für den Verkäufer gar nicht rechnen kann.

Dass dabei eine altbekannte (aber öffentlich fast unbekannte) Firma aus Chemnitz derart eindrucksvoll den 1. Platz belegte, überraschte bei der Verbraucherzentrale niemanden. Man kannte das Unternehmen schon. Und Peter Escher, der eigentlich mit in der Jury sitzen wollte, war auch nicht überrascht, auch wenn er der Vorgängerfirma 2008 nicht das Handwerk legen konnte. Das haben augenscheinlich auch die Gerichte nicht geschafft.

54 Verbraucher hatten die B2B Technologies Chemnitz GmbH für den “Prellbock 2013” vorgeschlagen. Am 14. Februar tagte die Jury. Die Wertung war eindeutig. Es gab noch zwei Unternehmen, die mit mehreren Nennungen auf die Plätze 2 und 3 kamen. “Doch da bewahren wir lieber Schweigen”, sagt Betz. “Dazu kamen die Beschwerden über die beiden Unternehmen aus zu vielen unterschiedlichen Bereichen.”Der Preisträger 2013 ist also eindeutig. Die Einladung zur Pressekonferenz am Dienstag, 18. März, habe das Unternehmen freilich gar nicht erst angenommen, so Betz. Da müsste er wohl mit tapferer Unterstützung extra hinfahren zur Chemnitzer Firmenadresse und den Preis überreichen: einen handwerklich liebevoll gebastelten Prellbock mit Namensschild. Auch zur Erinnerung daran, warum dieser Preis überreicht wurde.

In diesem Fall stachen drei Kriterien heraus, so Betz. Den Besuchern der Website wurden Verträge untergeschoben, während sie beim Ausfüllen glaubten, einfach die Daten für den Erwerb eines preiswert angebotenen Produkts auszufüllen. Dass sie einen kostenpflichtigen Jahresvertrag ausfüllten, sei für sie so nicht erkennbar gewesen. Was sie bekamen, war erst einmal ein Jahres- oder Zweijahresvertrag mit einer Zahlungsaufforderung zum Beispiel über 240 Euro. Sie bekamen damit auch eine Leistung untergejubelt, die sie in der Regel gar nicht wollten. Das angebotene Produkt aber bekamen sie in der Regel nicht – womit dann auch der Tatbestand der irre führenden Werbung erfüllt wäre. Der noch verschärft wurde dadurch, dass den Kunden suggeriert wurde, sie könnten die Produkte einfach so als Privatkunde erwerben, obwohl das Portal augenscheinlich eher für Geschäftskunden gedacht war, was auch im gern verwendeten Kürzel B2B zu sehen ist, ausgeschrieben: “Business to Business”, also ein Verhältnis auf Geschäftskundenebene.

Das aber war so auf den vielen von der Chemnitzer Firma im Netz lancierten Websites nicht oder nur schwer zu erkennen. Und die Geprellten wurden darüber auch nach ihrem (unbewussten) Vertragsabschluss nicht aufgeklärt.

Die bekannteste Website, über die die B2B Technologies Chemnitz GmbH operierte, war die Seite melango.de, wo heute den Besucher der Spruch empfängt: “Herzlich willkommen! Melango.de ist jetzt b2b-beschaffungsplattform.de”.

Andere Websites der Firma, die von der Verbraucherzentrale registriert wurden, waren lagerware24.de, mega-einkaufsquellen.de, discount-lagerverkauf.de, b2b-shoppen.de, gewerblicheinkaufen.de, die-besten-einkaufspreise.de, b2b-kundenportal.de, online-businessportal.de oder b2b-einkaufsplattform.de.

Die Firma änderte mehrmals ihren Namen: Gegründet 2007 als J & P Handelshaus DTL GmbH, im September 2007 Umbenennung in Melango.de GmbH, am 19.04.2013 Änderung in JW Handelssysteme GmbH und am 16.10.2013 in B2B Technologies Chemnitz GmbH.

Am 26. Juli 2013 hat das Landgericht Leipzig (Az. 08 O 3495/12) bezüglich der Gestaltung der früheren Internetseite der Firma www.melango.de geurteilt, damals noch unterm Firmennamen JW Handelssysteme GmbH. Es hatte in diesem Urteil der JW Handelssysteme GmbH (jetzt B2B Technologies Chemnitz GmbH) untersagt, Verbrauchern im Internet Waren anzubieten, ohne den seit 2012 für Online-Verträge gesetzlich vorgeschriebenen “Kaufen”-Button zu verwenden. Den Einwand, die Seiten richteten sich gar nicht an Verbraucher, sondern an Gewerbetreibende, ließ das Gericht nicht gelten. Auf der Seite www.melango.de seien Verbraucher nicht ausdrücklich ausgeschlossen und die Bestellung sei auch ohne Angabe eines Firmennamens möglich gewesen. Der Hinweis auf einen lediglich gewerblichen Zugang zum Online-Portal sei auf Grund seiner Gestaltung leicht zu übersehen gewesen.

melango.de gibt es so nicht mehr. Aber die betroffenen Verbraucher fühlen sich ja trotzdem geprellt. Deswegen dann auch das deutliche Jury-Urteil, dem Chemnitzer Unternehmen den “Prellbock 2013” zuzuerkennen. “Wohlgemerkt”, betont Joachim Betz, “dieser Preis gilt für das Jahr 2013.”

Den nächsten Prellbock will die Verbraucherzentrale dann 2015 verleihen. “Den Zwei-Jahres-Rhythmus haben wir von Anfang an so festgelegt”, sagt Betz. “Sonst wäre die Sache für uns einfach zu aufwändig.”

Bleibt nur noch die Frage, wie der Preis nun zum Preisträger kommt. Aber da hat Peter Escher, der an der Jurysitzung am 14. Februar aus Termingründen nicht teilnehmen konnte, schon Unterstützung zugesagt. Auch ihn wurmt es, dass Firmen mit derart dubiosen Geschäftsmethoden Jahr um Jahr einfach weitermachen können und selbst Gerichtsurteile die Sache nicht beenden.

www.verbraucherzentrale-sachsen.de

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