Es ist ein Irrsinn, auch wenn er in der Leipziger "Bild"-Ausgabe zu lesen stand: "Hat Leipzig keinen Platz mehr für Arme?" und "Und schon 1.000 Klagen gegen die Stadt" hieß es da am 17. bzw. 18. Februar 2014. Gelesen hat es die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat, Naomi-Pia Witte. "Nun rächt es sich, dass in der Stadtverwaltung Leipzig bei der Festsetzung der angemessenen Kosten der Unterkunft stets der politisch gewollte Sparzwang Vorrang vor den tatsächlichen Verhältnissen des Leipziger Wohnungsmarktes hatte."
Natürlich hat die “Bild” ihre Informationen auch wieder aus einer anderen Quelle. Das ist in diesem Fall das Sozialdezernat, das am 17. Februar auf eine Anfrage der FDP-Fraktion antwortete. Seit Jahren geht der Streit in Leipzig um die angemessenen Kosten der Unterkunft. Wie berechnet man sie? Wie macht man die Höhe dieser Kosten auch rechtssicher? 2013 kulminierte der Streit, der in engem Zusammenhang mit den steigenden Mieten und dem zunehmend knappen Wohnraum in Leipzig zu sehen ist.
1. Wie viele Widersprüche wurden in den vergangenen 24 Monaten gegen die Festsetzung der Höhe der Kosten der Unterkunft in Leipzig eingereicht?
Im Rechtskreis des SGB II wurden 2012 und 2013 hochgerechnet 5.879 Widersprüche erfasst, welche die Höhe der Kosten der Unterkunft betrafen. Das entspricht 18,8 % aller Widersprüche (31.270). Im Rechtskreis des SGB XII gingen 2012 und 2013 insgesamt 72 Widersprüche ein, welche die Höhe der Kosten der Unterkunft betrafen. Das entspricht ca. 5% aller Widerspruchsverfahren.
2. Wie viele dieser Widersprüche mündeten (ggf. geschätzt) in Klagen?
Im Rechtskreis des SGB II wurden 2012 und 2013 in rund 1.000 Fällen Klagen zu den Kosten der Unterkunft geführt. Im Rechtskreis des SGB XII wurden in diesem Zeitraum 7 Klagen eingereicht.
3. Wie viele Mitarbeiterstunden sind (ggf. geschätzt ) für die Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen in dieser Zeit aufgewandt worden? Welchem Personalkostengegenwert entspricht dies schätzungsweise?
Nach Schätzung des Jobcenters wurden in den Jahren 2012 und 2013 pro Jahr ca. 14.500 Mitarbeiterstunden für die Bearbeitung von Widersprüchen, Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und Klagen, welche die Höhe der Kosten der Unterkunft betrafen, aufgewendet.Dies entspricht 8,85 VZÄ bzw. 531.000 ? pro Jahr. Davon beträgt der Kommunale Finanzierungsanteil in Höhe von 12,6 % rund 67.000 ? pro Jahr und 134.000 ? im erfragten Zeitraum. Aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl an diesbezüglichen Widerspruchs- und Klageverfahren sind die Personalkosten für den Bereich des SGB XII niedrig.
So weit also die Antwort des Sozialdernats.
“Dieser Umstand wurde von den jeweiligen Sozialpolitischen Sprecher_innen der Fraktion permanent seit der Einführung der Hartz-Gesetzgebung angeprangert”, sagt Naomi Pia Witte dazu. “Die Aufforderungen der Fraktion Die Linke an die Stadtverwaltung, eine dem Wohnungsmarkt entsprechende Richtlinie festzulegen, wurde dann auch zuletzt durch das Leipziger Sozialgericht bestätigt, welches die Richtlinien der Stadt in schöner Regelmäßigkeit gekippt hat.”
Doch Leipzigs Stadtverwaltung tut sich schwer, die Weichen neu zu stellen. Trotz Gerichtsentscheid.
“Über 5.000 Widersprüche und 1.000 Klagen vor dem Sozialgericht wegen unangemessenen Kosten sprechen hier eine klare Sprache. Doch damit nicht genug. Zum 1. 1. ist das Sächsische Belegungsrechtsgesetz weggefallen, was zusätzlich zu Einschränkungen auf dem Wohnungsmarkt führen kann”, meint Witte. “Die in der Vorlage DS V/3576 genannten Maßnahmen zur Sicherung der Wohnraumversorgung für einkommensschwache Haushalte greifen meiner Meinung nach zu kurz, da sie ausschließlich auf das freiwillige Entgegenkommen der Vermieter setzen und den Einsatz weiterer finanzieller Mittel durch die Stadt ausschließen.”
Entsprechende Kritik gab es ja schon von den Wohnungsgenossenschaften. Dass hinter der Vorgehensweise der Stadt eine seit Jahren massiv zunehmende Benachteiligung Leipzigs bei den Ausgleichsmitteln des Landes für die KdU (Kosten d. Unterkunft) steckt, macht die Sache nicht weniger brisant. Am Ende sind es die Antragsteller und/oder die Vermieter, die unter einer falschen Finanzpolitik im Land leiden und die Kosten an niemanden mehr weitergeben können.
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“Wie ich schon in der letzten Stadtratssitzung bemerkt habe, kann es nicht sein, dass die Vermieter in der Stadt Leipzig mit einem Verzicht auf einen Teil ihrer Mieteinnahmen den städtischen Haushalt konsolidieren”, stellt Naomi Pia Witte fest. “Leipzig wächst, und die sozio-demografischen Rahmenbedingungen haben sich in den zurückliegenden Jahren verändert. So hält der Aufwärtstrend der Bevölkerungsentwicklung weiter an, die Zahl der Singlehaushalte hat stark zugenommen, 25 Prozent der in der Stadt lebenden Menschen gelten als arm.”
Parallel verläuft die andere Entwicklung und erhöht den Druck. Witte weiter: “Durch Sanierungen und Modernisierungen ist in allen Stadtteilen die Zahl der preiswerten Wohnungen zurückgegangen, und soziale Ausdifferenzierungen verstärken sich. Angesichts dieser Entwicklung und den Versäumnissen der Vergangenheit ist es an der Zeit für ein solides wohnungspolitisches Konzept, das die Versorgung der einkommensschwächeren Leipziger Bürger real sichert und der längst stattfindenden Segration Einhalt gebietet.”
Die Antwort an die FDP-Fraktion zum Nachlesen
http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/10041A4D83E149D3C1257C820021B1FA/$FILE/V-f-1064-antwort.pdf
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