Der Pferdefleisch-Skandal ist noch nicht einmal ausgestanden, da macht ein Skandal um falsch deklarierte Bio-Hühnereier den Weg durch die Medien. Millionen Eier, die den Kunden in deutschen Einkaufsmärkten als "Bio" angedreht wurden, stammen gar nicht aus einer Freiland- oder Bio-Haltung. Und Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) befürchtet wohl zu Recht, dass der Skandal noch viel größere Ausmaße hat als bekannt.
Seit 2011 wird gegen Legehennenbetriebe in Niedersachsen ermittelt. 150 Betriebe sind ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. 50 Verfahren hat die niedersächsische Staatsanwaltschaft in andere (Bundes-)Länder abgegeben – etwa nach Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden. Dass es so weit kam, ist eigentlich nachvollziehbar: Die vorhandenen Öko-Betriebe können die Nachfrage nach Bio-Produkten in Deutschland bei weitem nicht befriedigen. Also wird ein Großteil dieser Produkte schon importiert.
Bei einem anderen Teil funktionieren die gewöhnlichen Lieferketten zwischen den Großerzeugern und den Supermärkten, die “Bio”-Produkte als eigenes Label im Sortiment untergebracht haben.
“Die meisten Eier kommen heute aus Agrarkonzernen, denen Profitstreben wichtiger ist als Tier- und Umweltschutz. Ob diese Eier konventionell oder ökologisch erzeugt wurden, ist an dieser Stelle nachrangig. Viel mehr kommt es darauf an, aus welchen Betrieben die Eier stammen. Ökologischer Landbau, Tier- und Umweltschutz sind nur in flächengebundenen, mittelständisch-bäuerlichen Strukturen möglich, die von Bauern und nicht von Managern geleitet werden”, erklärt dazu Michael Weichert, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen.
Auch Sachsen ist noch längst kein Land mit vorbildlicher ökologischer Ausrichtung der Landwirtschaft geworden. Auch nicht in der Eierproduktion.
“Deutschlandweit gab es zum 1. Dezember 2011 rund 40,0 Millionen Legehennenplätze – 3,6 Millionen (9,0 Prozent) mehr als zum Vorjahreszeitpunkt”, teilte das Statistische Landesamt erst am 18. Februar mit, kurz vor Bekanntwerden des neuen Etiketten-Schwindels. “Davon waren 25,7 Millionen (64,2 Prozent) der Boden-, 5,8 Millionen (14,5 Prozent) der Freiland-, 5,6 Millionen (13,9 Prozent) der Kleingruppenhaltung (einschließlich ausgestalteter Käfige) und knapp 3,0 Millionen (7,4 Prozent) der ökologischen Erzeugung zugeordnet.”
Die Käfighaltung, gegen deren Verbot die deutschen Eierfabrikanten in den vergangenen Jahren so vehement gekämpft hatten, ist mittlerweile verboten. Aber dass die Hühner nun auf dem Boden stehen, bedeutet noch nicht, dass sie dabei “Bio”-Eier legen. Auch nicht in Sachsen. Und der Freistaat hat – im Vergleich mit der menschlichen Bevölkerung – einen überproportionalen Anteil an der deutschen Hühnerproduktion.Die 53 sächsischen Legehennenbetriebe mit 3.000 und mehr Haltungsplätzen in Sachsen (ohne Geflügelzucht und Vermehrungsbetriebe) verfügten zum 1. Dezember 2012 über gut 3,6 Millionen Legehennenplätze – rund 24.000 (0,7 Prozent) mehr als zum Vorjahr, teilte das Statistische Landesamt mit. Eine echte Wachstumsbranche. 9 Prozent aller Legeplätze in Deutschland lagen also im schönen Freistaat.
Die dominierende Haltungsform ist auch in Sachsen die Bodenhaltung mit knapp 3,1 Millionen Plätzen (84,8 Prozent). Weitere 364.000 Plätze (10,0 Prozent) standen als Freilandhaltungsplätze zur Verfügung.
Die Haltung der Legehennen in Kleingruppen mit 124.000 Plätzen (3,4 Prozent) bzw. in der ökologischen Erzeugung mit 66.000 Plätzen (1,8 Prozent) spielt in Sachsen eine untergeordnete Rolle, schreibt so wortwörtlich das Statistische Landesamt.
Welche Ausmaße die Frühstückseierproduktion hat, verdeutlicht auch diese Zahl: Die Mehrzahl der Plätze (2,6 Millionen) konzentriert sich in sieben Betrieben mit 100.000 und mehr Haltungsplätzen.
Zum Erhebungszeitpunkt waren die vorhandenen Plätze mit knapp 3,1 Millionen Legehennen belegt. Dies entsprach einer Kapazitätsauslastung von 84,3 Prozent. Die Hennen werden in diesen Betrieben größtenteils nur eine Legeperiode lang gehalten. Zum Berichtstag befanden sich lediglich 109.000 Legehennen (3,6 Prozent) in der zweiten Legeperiode. Auch das Sätze aus dem Statistischen Landesamt.
Da überlegt man schon recht angestrengt, wann man im Radio zum letzten Mal das Lied der Comedian Harmonists “Ich wollt, ich wär’ ein Huhn” gehört hat. Ein so erstrebenswertes Leben ist das einer Legehenne nicht wirklich.
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Michael Weichert: “Die ökologische Landwirtschaft ist gerade dabei, das Vertrauen der Verbraucher aufs Spiel zu setzen. Die anspruchslose EU-Ökoverordnung und der Einzug von Konzernen ins Geschäft mit Biolebensmitteln, machen den Ruf der Branche kaputt. Anbauverbände, wie Bioland oder Demeter, müssen jetzt reagieren, denn auch für die ökologische Landwirtschaft gilt ‘Bauernhöfe statt Agrarfabriken’.”
Bioland jedenfalls hat sich schon deutlich geäußert. Denn wirklich wehren können sich die Bio-Bauern nicht gegen das falsche Spiel der Großen.
“Agrarindustrielle Großbetriebe bringen die gesamte Biobranche in Verruf – sei es durch inakzeptable Haltungsbedingung oder wie jetzt durch den Verdacht der Missachtung von Gesetzen und des systematischen Betrugs”, erklärte jetzt Jan Plagge, Präsident von Bioland. ” Die zuständige Staatsanwaltschaft aber auch die Kontrollbehörden müssen jetzt hart durchgreifen. Sollte sich der Verdacht eines systematischen Betruges erhärten, wäre dies ein schwerwiegender Verstoß gegen die EU-Öko-Verordnung. Die Täter müssten nicht nur hart bestraft werden, sondern auch mit einem Verbot der Bioproduktion belegt werden.”
Die Erklärung von Bioland: www.bioland.de/bioland/aktuelles/betrug-in-industrieller-eierproduktion.html
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