Alle fünf Jahre nimmt Leipzig an einer großen deutschlandweiten Befragung zum Verkehr teil: dem System repräsentativer Verkehrsbefragungen (SrV), mit dem die durchführende TU Dresden dann die Ergebnisse aus 300 teilnehmenden Kommunen vergleichen kann. Und mit der Leipzig erfährt, ob die eigene, 2018 beschlossene Verkehrsstrategie aufgeht. Und die Zahlen deuten, so Verkehrsbürgermeister Thomas Dienberg, darauf hin, dass es genau so kommt.
Denn nur mit belastbaren Befragungs-Daten kann Leipzig Verkehrsdezernat den eingeschlagenen Weg bestätigen – oder korrigieren. Doch für eine gerade von autoverliebten Ratsfraktionen immer wieder geforderte Korrekturen geben die Zahlen keinen Anlass, die Dienberg am Dienstag, 25. März, vorstellte.
Endlich, darf man sagen. Denn befragt wurden die Leipziger für die Mobilitätsbefragung „Mobilität in Städten – SrV (System repräsentativer Verkehrsbefragungen)“ der Technischen Universität Dresden schon 2023. Dafür wurden damals etwa 3.500 Leipziger aus 2.000 Haushalten zu ihrem Mobilitätsverhalten befragt.
Und schon das erste Ergebnis bestätigt die Verkehrsstrategie der Stadt: Demzufolge gehen die Leipziger 33 Prozent ihrer täglichen Wege zu Fuß, für 31 Prozent nutzen sie ein Auto. Knapp 20 Prozent der Wege im Alltag werden mit dem Rad bestritten, gut 16 Prozent mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Leipzig kommt demnach seinem Zielbild einer „Stadt der kurzen Wege“ immer näher, stellt Michael Jana, Leiter des Mobilitäts- und Tiefbauamtes (MTA) fest. So legen die Befragten im Schnitt kürzere Distanzen zurück – die mittlere Reiseweite pro Weg ging von 6 auf 5,3 Kilometer zurück.
Zugleich haben sich die Anteile des Fußverkehrs deutlich gesteigert. Diese Entwicklung wird verstärkt, weil Arbeitswege infolge von Homeoffice an Bedeutung verlieren, Freizeitwege hier jedoch gewinnen. Zugleich hat sich das Mobilitäts- und Gesundheitsbewusstsein der Menschen verändert.
Kleine Überraschung am Rand: 12 Prozent der 2023 Befragten gaben an, ganz oder teilweise im Homeoffice zu arbeiten. Auch das eine Folge der Corona-Zeit, welche die Arbeitswelt unweigerlich verändert hat und dazu beiträgt, dass der Anteil der Arbeitswege gesunken ist.
Deutliches Plus bei Fuß- und Radverkehr
Aber ganz konkret: Leipzig nimmt schon seit Jahren regelmäßig an den SrV-Verkehrsbefragungen Teil. Diese finden alle fünf Jahre statt – die letzte gab es also 2018, just in dem Jahr, als der Leipziger Stadtrat mit großer Mehrheit das „Nachhaltigkeitsszenario“ für die Stadt beschloss. Just jenes Szenario, von dem insbesondere die CDU-Fraktion immer wieder behauptet, die Stadt würde sich nicht dran halten.
Die Grafik, die die Stadt ausgereicht hat, zeigt auch, welche Ziele sich die Stadt im Rahmen der Mobilitätsstrategie für die Jahre 2025 und 2030 gesetzt hat. Und die Zahlen für das Jahr 2023 zeigen nun, dass Leipzig diesem Ziel schon ziemlich nahe ist. Oder mit Dienbergs Worten: „Die Befragung zeigt, dass die Bevölkerung eine Veränderung aktiv unterstützt.“
Denn das sind ja keine befohlenen oder erzwungenen Zahlen. Die Leipzigerinnen und Leipziger bestimmen selbst, wie sie unterwegs sein wollen. Die Stadt schafft dafür die Rahmenbedingungen.

Und ganz offensichtlich trägt das städtische Ziel „Stadt der kurzen Wege“ Früchte: Gerade der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege ist seit 2018 deutlich gestiegen – von 27,3 auf 32,8 Prozent. Da hatte die Stadt sogar mit einem Rückgang gerechnet. Doch die vielen neuen Kitas und Schulen in der Stadt und das dichte Netz von Supermärkten in den Ortsteilen sorgen dafür, dass tatsächlich die meisten Wege zu Fuß zurückgelegt werden können.
Deutlich ist auch der starke Anstieg des Radverkehrs von 18,7 auf 19,8 Prozent. Ein Resultat auch der Tatsache, dass in den letzten Jahren spürbar für Verbesserungen im Radnetz gesorgt wurde. Wer kann, der fährt mit dem Rad zur Schule oder zur Arbeit. Und die Leipziger Verkehrsplaner sind regelrecht gezwungen, die unterschiedlichen Erwartungen an das Verkehrsnetz auch zu berücksichtigen. Und das heißt nun einmal auch: viel mehr Augenmerk auf Radverkehr, Fußverkehr und ÖPNV, die drei Verkehrsarten des Umweltverbundes.
Und trotzdem soll auch der Motorisierte Individualverkehr (MIV) noch rollen können, so Jana. Er schrumpft noch lange nicht auf null. Aber er verliert zunehmend Anteile am Gesamtverkehr, schrumpfte von 2018 weiter von einem Anteil von 36,5 auf 31,2 Prozent.
Anteile verlor auf den ersten Blick auch der ÖPNV, der von 17,5 auf 16,2 Prozent zurückging. Gut möglich, dass darin noch die Nachwirkungen der Corona-Jahre zu sehen sind, in denen viele Leipzigerinnen und Leipziger den ÖPNV bewusst mieden und die Fahrgastzahlen der LVB drastisch zurückgingen. Inzwischen sind sie wieder deutlich gestiegen, haben 2024 mit 167 Millionen ein seit den 1990er Jahren nicht erreichtes Niveau geschafft.
Sodass auch Sandy Brachmann, Bereichsleiterin Marketing der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH, davon ausgeht, dass sich das in künftigen Verkehrsbefragungen wieder niederschlägt. Einen besonderen Schub bekamen die LVB ja durch die Einführung des Deutschlandtickets. Aber Wirkung zeigten – so Brachmann – auch die 2024 eingeführten Angebotsverbesserungen etwa im Busnetz im Norden oder bei Taktverdichtungen der Straßenbahn in den Tagesrandzeiten. Aber das konnte natürlich 2023 noch nicht abgefragt werden.
ÖPNV legt auf langen Strecken zu
Aber es gibt in der SrV-Befragung auch die Frage nach der Leistung der einzelnen Verkehrsarten (siehe oben), also wie viele Kilometer die Befragten mit der jeweiligen Verkehrsart zurückgelegt haben. Und da zeigte sich auch beim ÖPNV schon ein deutlicher Effekt: Während die Zahl der mit dem Auto (MIV) zurückgelegten Streckenkilometer von 60 auf 51 Prozent zurückging, stieg der Anteil des ÖPNV bei der Verkehrsleistung von 24 auf 32 Prozent.
Das heißt: Die Nutzer von Straßenbahn, Bus und S-Bahn legten deutlich längere Strecken zurück. Welchen Anteil daran die Entwicklung im S-Bahn-Netz hat, müssen erst genauere Auswertungen zeigen.
Und die Befragung von 2023 zeigt auch, dass fast die Hälfte der Leipziger je nach Bedarf ihr Verkehrsmittel wechseln, also nicht nur einer Verkehrsart zuzuordnen sind.
„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030 funktioniert. Immer mehr Leipzigerinnen und Leipziger bauen auf den Umweltverbund, gehen also immer häufiger zu Fuß, fahren mit dem Rad oder nutzen den ÖPNV. Die Ziele, die uns der Stadtrat für die kommenden Jahre mitgegeben hat, haben wir damit fast schon erreicht“, betont Thomas Dienberg, Leipzigs Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau.
Was aber auch heißt: Wenn die LVB jetzt die steigenden Fahrgastzahlen aufnehmen wollen, müssen sie weiter in ihr Angebot investieren. Für 2024 erwartet das Verkehrsunternehmen einen weiteren Zuwachs um fünf Millionen Fahrgäste auf dann 172 Millionen.
„Mit Unterstützung der Leipziger Gruppe und der Stadt Leipzig konnten wir mit Schwung mehr Angebot für die Leipziger auf die Straße bringen und stärken so insgesamt den Umweltverbund“, so Sandy Brachmann, Bereichsleiterin Marketing der Leipziger Verkehrsbetriebe. Und verweist auf die gerade veröffentlichte Greenpeace-Studie, nach der die LVB zurzeit bundesweit das Verkehrsunternehmen sind, das am stärksten in den Ausbau des Angebots investiert.
Hintergrund: Das System repräsentativer Verkehrsbefragungen wurde bereits 1972 an der TU Dresden begründet. Alle fünf Jahre wird die Erhebung durchgeführt – die vor 2023 letzte Befragung stammte aus dem Jahr 2018. Weil neben Leipzig über 500 Kommunen mit insgesamt mehr als 270.000 Befragten teilnehmen, können auch stadtübergreifende Trends gewonnen werden: Beispielsweise, wie Carsharing-Angebote und Elektrofahrräder genutzt werden.
Informationen zu den SrV-Verkehrsbefragungen findet man auf der Homepage der Stadt unter www.leipzig.de/verkehrsbefragungen. Dort sind auch die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchungen zu „Mobilität in Städten – SrV“ abrufbar.
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