Auch mit Anfragen versucht die CDU-Fraktion die Leipziger Mobilitätswende immer wieder infrage zu stellen. Da kommt dann eine mediale Meldung zu vermehrtem „Stau“ in Leipzig gerade recht. Auch wenn die Firma, die diese „Staumeldungen“ produziert, eher Äpfel als Birnen verkauft. Mit Stau hat das alles eher nichts zu tun.
„Zudem führt die angewendete Methodik dazu, dass bereits geringe Verlustzeiten als Stau eingeordnet werden“, schreibt das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) in seiner ausführlichen Antwort auf die mehr oder weniger suggestiven Fragen der CDU-Fraktion.
So würden „lokale Besonderheiten wie zum Beispiel zeitgesteuerte Ampelschaltungen, ÖV-Bevorrechtigung, temporäre Geschwindigkeitsreduzierungen u.a. vor Schulen und Kitas in der Stadt oder auch verkehrliche Einschränkungen“ in diesem Massenverfahren der Firma TomTom schlichtweg nicht berücksichtigt, stellt das MTA in seiner Antwort fest.
Und: „Der so definierte ‚Stau‘ bedeutet damit nicht in jedem Fall, dass Autofahrer und Autofahrerinnen tatsächlich in den Straßen feststecken, sondern vielmehr, dass sie zu Stoßzeiten langsamer fahren müssen. Somit ist das Verfahren für die Verkehrsplanung vor Ort zu ungenau und lässt keine qualifizierten Aussagen und Rückschlüsse zur Entwicklung des Verkehrs in Leipzig zu.“
Auch wenn die CDU-Fraktion ungeprüft die Behauptung übernommen hat: „Laut der Tom-Tom-Analyse, die Verkehrsdaten von deutschen Städten auswertet, stehen die Leipziger knapp 85h pro Jahr im Stau.“
Die schlichtweg Quatsch ist. Denn das sind knapp 14 Minuten am Tag, die sich die Fahrzeit eines Pkw verlängert,verglichen mit der gleichen Strecke ohne anderen Verkehr. Da steckt also auch das ganz normale stärkere Fahrzeugaufkommen im Berufsverkehr mit drin.
Ganz verschiedene Ansprüche an die Reisezeit
Dazu kommen dann noch die konkurrierenden Verkehrsarten, die durch die Verkehrsplaner irgendwie gegeneinander austariert werden müssen, wie das MTA schreibt: „Einerseits kann dieser Umstand als Erfolg bezeichnet werden, da die Reduktion der Fließgeschwindigkeit u.a. die Verkehrssicherheit an vielen Stellen erhöht, die Lärmemissionen senkt, Straßeninstandhaltungskosten reduziert oder auch Luftverschmutzung vermeidet. Es werden also verkehrsplanerische und städtische Zielstellungen erfüllt.
Andererseits ist es ein wichtiges städtisches Ziel, den Verkehrsfluss für die jeweiligen Verkehrsarten auf einem komfortablen Niveau zu halten bzw. zu bringen, sodass die Reduktion der Fließgeschwindigkeit auch kritisch gesehen wird. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass der ÖPNV derzeit eine deutlich schlechtere Reisezeit im Stadtgebiet aufweist als der MIV.
Die Verkehrsplanung arbeitet daher stetig daran, die unterschiedlichen Ansprüche an die Reisezeit abzuwägen und nach Möglichkeit in optimalen Einklang mit der Mobilitätsstrategie für die spezifischen Straßenabschnitte bzw. Verkehrsräume zu bringen. Dabei spielen auch die Belange des Wirtschaftsverkehrs eine bedeutende Rolle.“
Der Einfluss großer Baumaßnahmen
Und dazu kommen dann auch noch große Baumaßnahmen, die jedes Mal konkret dazu führen, dass Umleitungen gefahren werden müssen und die Verkehrslast auf manchen Straßen steigt. 2024 waren das zum Beispiel 2024 die Baumaßnahmen an der Zeppelinbrücke, in der Dieskaustraße, in der Gorkistraße und an der Karlbrücke.
Dazu kommen dann noch Großveranstaltungen im Sportforum „sowie hohe Belastung der Verkehrswege durch stetiges Wachstum der Stadt und durch Pendelverkehre aus dem Umland“. Das berücksichtigt weder TomTom in seinen „Stauberechnungen“, noch spielt das in der Sicht auf Mobilität der Leipziger CDU-Fraktion eine wesentliche Rolle, wo Verbesserungen für andere Verkehrsarten fast immer als Verschlechterung für den MiV betrachtet werden.
Dabei zielt die Leipziger Mobilitätsstrategie ja gerade darauf, die Autofahrer zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsarten zu animieren, betont das MTA: „Grundsätzlich wird bei allen verkehrsplanerischen Vorhaben im Sinne der Mobilitätsstrategie auch die Entlastung der MIV-Verkehrswege in den Blick genommen, um durch Verlagerung auf andere Verkehrsarten u.a. auch die Fließgeschwindigkeit für die Menschen zu verbessern, die auf den PKW angewiesen sind.“
Als wirkliche Stauschwerpunkte im Jahr 2024 benennt das Mobilitäts- und Tiefbauamt u.a. die Maximilianallee (B6), wo die Autofahrer ja praktisch unter sich sind, es ein „generell hohes Verkehrsaufkommens“ gibt und ein „erhöhtes Aufkommen durch Messen sowie Anfahrtsweg für Beschäftigte des BMW Werks (verteilt in Schichten).“
2024 ging es auch auf Karl-Heine-Straße und Käthe-Kollwitz Straße langsamer voran. Wichtigster Grund dafür war der „Bau der Zeppelinbrücke, insbesondere ab Sommer 2024 (Vollsperrung der Brücke) und der Umleitung des ÖPNV über Käthe-Kollwitz-Straße“. Auch auf der Hans-Driesch-Straße kam es zu „Überlastung durch Ausweichverkehre aufgrund der Baumaßnahme Zeppelinbrücke“
In der Antonienstraße und der Erich-Zeigner Allee kam es zu „Überlastung durch Ausweichverkehre aufgrund der Baumaßnahme Dieskaustraße. Eher gewöhnliche Konflikte durch kreuzende ÖPNV- und MiV-Verkehre gibt es am Knoten Gerichtsweg und Ludwig-Erhard-Straße (B2) und am Knoten Am Ritterschlößchen/ Georg-Schwarz Straße.“
Neue Konflikte am Innenstadtring
Aber der große Streit dreht sich ja zumeist um den Innenstadtring, wo verkehrsgrün eingefärbte Radwege die Situation für Radfahrer deutlich verbessert haben.
Aber damit entstehen natürlich neue Konflikte, die gelöst werden müssen, betont das MTA: „Der Innenstadtring gehört derzeit nicht zu den Stauschwerpunkten, gleichwohl es gerade im Bereich Martin-Luther-Ring/Lotterstraße Konfliktsituationen gibt, die durch verkehrsplanerische Maßnahmen angegangen werden müssen und ggf. auch zu temporären Schwierigkeiten im Verkehrsfluss beitragen (insbesondere in den Spitzenstunden am Nachmittag).“
Die CDU-Fraktion interessierte sich dabei auch für den möglichen (zusätzlichen) CO₂-Ausstoß der Fahrzeuge, die da im „Stau“ stehen: „Welche Auswirkungen erwartet die Stadtverwaltung hinsichtlich des CO₂-Ausstoßes durch im Stau stehende Autos? Würde mit bei einer Reduzierung der Stauzeit um z.B. 10h pro Jahr mit anderen Verkehrslösungen die Treibhausgasemissionen in Leipzig gesenkt werden?“
Das bezweifelt aber das Mobilitäts- und Tiefbauamt.
„Die Auswirkungen des Verkehrsflusses auf den CO₂-Ausstoß hängen von verschiedenen Einflussfaktoren bzw. Kollateraleffekten ab. Einen guten Überblick zu dem Thema hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Jahr 2021 erarbeitet, siehe ‚Straßenzubau und klimaschädlicher Stop-and-go-Verkehr. Effekte des Verkehrsflusses auf Umwelt und Klimaschutz‘ (WD, 2021).
Demnach spielen für den möglichst geringen CO₂-Ausstoß neben der Geschwindigkeit, insbesondere die zurückgelegte Wegstrecke eine wichtige Rolle. (…) Das Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages macht deutlich, dass, wenn die Fließgeschwindigkeit erhöht werden soll, meist nur der weitere Ausbau von Straßen infrage kommt, dies aber andere, ungewünschte Effekte zur Folge hat.“
Aus dem Papier zitiert das WTA: „Dass der Ausbau der Verkehrswege paradoxerweise oft zu mehr Verkehrsaufkommen geführt hat, wird in der Forschung unter dem Phänomen des ‚induzierten Verkehrs‘ gefasst. Dahinter stehen nicht nur Mobilitätsentscheidungen, sondern sogar, wo Menschen wohnen und arbeiten oder einkaufen, mit der Tendenz bei ausgebauterem Verkehrsnetz größere Entfernungen in Kauf zu nehmen.“
Was eben auch bedeutet, dass noch mehr Straßenraum für den MiV nicht die Lösung ist. „Für die Verkehrsplanung heißt dies, dass zur Reduktion von Luftschadstoffen die besten Resultate durch die Verlagerung vom MIV zu den Verkehrsarten des Umweltverbundes und durch die Verringerung der mittleren Wegestrecken im Kfz zu erzielen sind“, stellt das MTA fest.
Und:„Wie das obige Zitat zeigt, wird damit auch die lokale Wirtschaft (bspw. Einzelhandel) gestärkt. Darüber hinaus sind Maßnahmen des Verkehrsmanagements zur Reduktion von Stau hilfreich.“
Die CDU-Fraktion hatte dazu in der Ratsversammlung am 12. Februar keine Nachfragen. Vielleicht dann beim nächsten Mal, wenn TomTom wieder eine neue „Staumeldung“ in die Welt schickt.
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Woher kommen denn die 85Stunden? Die LVZ hat diese Zahl auch schon kommuniziert. Auf der Website von TomTom stehen für Leipzig allerdings 38 Stunden – für das märkische Ludwigsfelde 28 Stunden.