Am 21. August rieben sich wahrscheinlich einige Menschen die Augen, als sie nicht nur im Spiegel lasen, dass die deutsche Autoindustrie einen Verkaufsstopp, also de facto ein Verkaufsverbot, für Benzin und Diesel ab 2045 fordert. Was ist passiert? Will sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit den Ölkonzernen anlegen, oder sind die Mitglieder des VDA plötzlich zum Elektroauto bekehrt worden?
Der Spiegel-Artikel schreibt schon im Teaser, dass es sich nur um Kraftstoffe aus fossilen Quellen handelt und: „Der Vorschlag wirkt überraschend. Doch dahinter steckt Kalkül.“
Was dieses Kalkül ist, wollten wir selbstverständlich wissen und haben deshalb beim VDA nachgefragt.
Sieht der VDA die Elektromobilität als entscheidenden Faktor für die Antriebswende, oder soll der Verbrennermotor, z.B. mit eFuels betrieben, Ihrer Meinung nach auch über 2035 produziert werden?
Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, brauchen wir jede Technologie. Der Hochlauf der Elektromobilität wird den entscheidenden Beitrag leisten – erneuerbare Kraftstoffe und Wasserstoff sind ebenso wichtige Säulen. Denn mit erneuerbaren Kraftstoffen kann auch der Bestand nach 2035 von rund vierzig Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor perspektivisch weitgehend klimaneutral betrieben werden, aber auch der Markthochlauf von Null-Emissions-Fahrzeugen, wie beispielsweise Brennstoffzellen-Lkw, angereizt werden.
Gleichzeitig ist die EU-Kommission beauftragt, einen konkreten und technisch machbaren Rahmen zu entwickeln, damit auch nach 2035 sogenannte „Carbon Neutral Fuels“ (CNF) -Fahrzeuge rechtssicher zugelassen werden können.
Anmerkung: Der Verbrenner soll weiter produziert werden, halt unter dem Label „CNF“.
Betrachtet der VDA Bio-Kraftstoffe, eFuels oder andere „fortschrittliche alternative Kraftstoffe“ tatsächlich als emissionsfrei? Auch bei der Verbrennung dieser, werden CO2-Emissionen freigesetzt.
Damit Kraftstoffe als „erneuerbar“ gelten, müssen sie nach bestimmten Kriterien produziert werden. Diese sind in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) festgelegt. Bei synthetischen Kraftstoffen wird beim Einsatz im Fahrzeug CO2 ausgestoßen, das zuvor im Produktionsprozess aus anderen Quellen gewonnen wird. Dadurch entsteht ein CO2-Kreislauf und es wird kein zusätzliches CO2 freigesetzt. Die Bezugsquellen für CO2 sind ebenfalls in der RED III festgelegt.
Anmerkung: Nach den Richtlinien ist das korrekt, es sollte aber um CO2-Einsparungen und nicht um einen Kreislauf gehen.
Der Satz „Wer Wasserstoff anbietet, soll sich die CO2-Einsparung ausnahmsweise weiterhin mehrfach anrechnen lassen dürfen, um einen ‘Hochlauf’ der bisher kaum gefragten Technik zu ermöglichen“ impliziert, dass es Unternehmen im VDA gibt, die Fahrzeuge mit Brennstoffzellen-Antrieb herstellen wollen. Welche Unternehmen sind das?
Als VDA äußern wir uns grundsätzlich nicht zu den Strategien einzelner Unternehmen.
Anmerkung: Der einzige deutsche Hersteller im PKW-Bereich, der zur Zeit Brennstoffzellenantrieb testet, ist BMW mit dem iX5. Im LKW-Segment sind mehrere Hersteller am Start, allerdings ist ein Netz von Wasserstofftankstellen nicht absehbar.
Sowohl Wasserstoff als auch andere alternative Kraftstoffe benötigen eine Subventionierung, wenn diese Akzeptanz bei Kunden finden sollen. Welche Höhe dieser Subventionen sehen Sie als erforderlich an?
Entscheidend ist jetzt, dass die Politik Anreize für den Hochlauf erneuerbarer Energieträger festschreibt und somit Investitionen gewährleistet und fördert. Innovationen, Weiterentwicklungen und Skaleneffekte werden dafür sorgen, dass erneuerbare Kraftstoffe langfristig günstiger werden. Die Treibhausgasminderungsquote ist zudem ein Instrument, mit dem ohne staatliche Subventionen Investitionen in erneuerbare Energieträger für den Verkehrssektor angereizt werden können. Deshalb setzen wir uns in der Umsetzung der RED III für ambitionierte Ziele ein.
Anmerkung: Da war selbstverständlich keine exakte Antwort zu erwarten. Es ist aber der Antwort zu entnehmen, dass der VDA eine langfristige Subventionierung für erforderlich hält.
Fazit: Die Forderung nach dem Ende des Verkaufs von Treibstoffen aus fossilen Quellen ist eine Luftnummer. Es geht wohl in erster Linie um die Rettung des Verbrennermotors. Wenn dann 2045 die „fortschrittlichen alternativen Kraftstoffe“ nicht in ausreichender Menge und zu konkurrenzfähigen Preisen zur Verfügung stehen, dann muss man „leider“ doch auf fossile Treibstoffe zurückgreifen. Die bis dahin entstehenden Kosten für die Entwicklung und Markteinführung dieser alternativen Kraftstoffe soll die Gesellschaft tragen. „Big Oil“ kann beruhigt sein.
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