Spätestens das 49-Euro-Ticket hat gezeigt, wie dringend der ÖPNV in Sachsen ausgebaut und ausreichend finanziert werden muss. Doch bei der Finanzierung hat sich der Freistaat immer wieder weitgehend zurückgehalten. Das spüren gerade die Städte, die die Finanzierung des ÖPNV irgendwie deichseln müssen und dennoch nie genug Geld dafür haben. Nun haben sich Sachsens Straßenbahnstädte mit einem Offenen Brie an die Landtagsabgeordneten gewendet.

Ihr Fazit ist klar: „In Sachsen steht es schlecht um die Zukunft des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), wenn Bund und Land die Finanzierung nicht verbessern.“

Die Oberbürgermeister der sächsischen Straßenbahnstädte Dresden, Leipzig, Chemnitz, Görlitz, Plauen und die Zwickauer Oberbürgermeisterin fordern deshalb gemeinsam mit den Chefs ihrer Verkehrsunternehmen in einem offenen Brief an die Landtagsfraktionen eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNVs durch den Freistaat Sachsen.

„Andernfalls drohen bald Angebotskürzungen“, stellen sie die bittere Wahrheit nach all den Kostensteigerungen der letzten beiden Jahre fest. „Nur mit einer ausreichenden Unterstützung des Freistaats können die landespolitischen Ziele zur Stärkung des ÖPNV als eine attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr erreicht werden.“

Der Offene Brief der Straßenbahn-Städte an die Fraktionen des Sächsischen Landtags.

Hauptgrund für die Finanzierungslücken in allen unterzeichnenden Städten sind Kostensteigerungen und gleichzeitige politisch bedingte Preissenkungen. Womit dann das 49-Euro-Ticket gemeint ist, das vielen Nutzerinnen und Nutzern überhaupt erst einmal eine bezahlbare Möglichkeit gegeben hat, den ÖPNV grenzüberschreitend zu nutzen. Die „normalen“ Ticketpreise können sich viele Geringverdiener in Sachsen gar nicht leisten.

Wenn die Koste durch die Decke gehen

Aber die Kommunen können diese Defizite nicht mehr allein aus eigenen Mitteln ausgleichen und fordern daher eine stärkere finanzielle Unterstützung durch Bund und Land.

„Die Verbesserung der Finanzausstattung für den ÖPNV ist für eine mittelgroße Stadt, wie Plauen unabdingbar“, betont Steffen Zenner, Oberbürgermeister der Stadt Plauen. „Die rapide gestiegenen Kosten für Energie, Infrastruktur und die ständig steigenden Personalkosten können mit Tariferhöhungen und den Gewinnabführungen schon lange nicht mehr abgefangen werden. Die Preise werden politisch gewollt niedrig gehalten.

Alle Einsparmöglichkeiten sind ausgeschöpft und weitere Angebotskürzungen nicht mehr vertretbar. Der Verlustausgleich für die Straßenbahn entwickelt sich zu einer der größten Haushaltspositionen. Unter den aktuellen Rahmenbedingungen können wir in Plauen, wie auch in den anderen unterzeichnenden Städten, das Angebot nicht in seiner Breite halten, geschweige denn ausbauen. Wer es mit dem ÖPNV ernst meint, muss die Kommunen mit Ihren Straßenbahnen entlasten.“

Und so ist der aktuelle Zustand des ÖPNV in Sachsen geprägt von erheblichen finanziellen Herausforderungen. Die Differenz zwischen den Fahrgeldeinnahmen und den laufenden Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Investitionen hat sich in den letzten Jahren massiv vergrößert. Die Finanzierungslast liegt vor allem bei den Kommunen, die zunehmend an ihre finanziellen Grenzen stoßen.

Ohne zusätzliche Mittel aus dem Landeshaushalt und eine dauerhafte Zusage des Bundes zur hälftigen Finanzierung des Deutschlandtickets sehen sich die unterzeichnenden Städte gezwungen, über Angebotseinschränkungen nachzudenken.

Der Freistaat spart lieber

Die akuten Finanzierungsprobleme hängen auch damit zusammen, dass der Freistaat die Regionalisierungsmittel nicht vollständig an die kommunalen Aufgabenträger weitergibt. Das verschärft die finanzielle Lage in den sächsischen Straßenbahnstädten. Zudem fehle es an dynamischen Anpassungen bei den Landesausgleichen für den Schüler- und Ausbildungsverkehr, während die Produktionskosten stetig steigen, kritisieren die Unterzeichner.

Um den ÖPNV nachhaltig zu sichern, seien kraftvolle Investitionen in Fahrzeuge, Infrastruktur, Digitalisierung und E-Mobilität unabdingbar. Nur so kann ein attraktives und zukunftsfähiges Mobilitätsangebot für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Sachsen mit lebenswerten Städten und Gemeinden gewährleistet werden.

Am Freitag, 16. August, wurde der offene Brief an die Landtagsfraktionen als Adressaten vor dem Sächsischen Landtag durch den Dresdner Baubürgermeister, Stephan Kühn, und den Vorstand der DVB AG, Andreas Hemmersbach, übergeben. Die Grünen-Fraktion reagierte umgehend auf den Brief, den dort sieht man das Dilemma im ÖPNV genauso.

Grüne sehen die Probleme genauso

„Der Hilferuf der Kommunen ist deutlich und nachvollziehbar. Ein attraktiver ÖPNV braucht eine auskömmliche Finanzierung. Als Bündnisgrüne teilen und unterstützen wir die Forderungen“, sagt Gerhard Liebscher, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag.

„In den vergangenen fünf Jahren wurden die im Brief benannten und bekannten Probleme vom fachlich zuständigen Verkehrsministerium nur unzureichend aufgegriffen. Stattdessen hört man regelmäßig vor allem Verweise auf Bund und Kommunen. Dabei stehen auch dem Freistaat Möglichkeiten der Unterstützung zur Verfügung: Zum Beispiel die vollständige Weitergabe der Regionalisierungsmittel, damit hätten die Kommunen gut 43 Millionen Euro mehr pro Jahr in den Kassen, ab 2026 sogar rund 55 Millionen Euro.“

Wenn man noch mehr Menschen für Bus und Bahn begeistern wolle, brauche man einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr in allen Regionen des Freistaates.

„Wir Bündnisgrüne wollen verhindern, dass die Preisschraube für die Tickets weiter nach oben gedreht wird oder Angebote eingeschränkt werden müssen. Investitionen in unseren ÖPNV sind Zukunftsinvestition in Daseinsvorsorge, mehr Lebensqualität und Teilhabe für alle“, so Liebscher.

„Das sollte sich auch im nächsten Doppelhaushalt 2025/26 stärker widerspiegeln. Und natürlich gilt es, hier auch den Bund in die Pflicht zu nehmen und den im Ampel-Koalitionsvertrag verabredeten Ausbau- und Modernisierungspakt sowie die Erhöhung der Regionalisierungsmittel zur Umsetzung der Verkehrswende endlich auf den Weg zu bringen.“

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