Die letzten Entscheidungen des Stadtrats zur Finanzierung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) haben es wieder einmal mehr als deutlich gemacht: Der ÖPNV in Deutschland ist völlig unzureichend finanziert. Stadt und Verkehrsunternehmen wissen nicht wirklich, wo das Geld für einen spürbaren Ausbau des Straßenbahnnetzes herkommen soll. Für Marcus Weiß war das Anlass, wieder auf eine ältere Idee zu verweisen, wie man auch andere Finanzierungsquellen für den ÖPNV erschließen könnte.

In der letzten Ratsversammlung bestätigte der Stadtrat die Vorlage zum Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag, nach der die Zuschüsse für die LVB innerhalb des Stadtkonzerns von 72,5 Millionen Euro im Jahr 2023 auf 90,5 Millionen Euro im Jahr 2024 steigen. Das hat noch nichts mit Ausbauplänen zu tun, sondern resultiert ausschließlich aus den massiv gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Personal.

Und so schlug Marcus Weiss, Stadtrat für Die PARTEI, vor: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt bei der sächsischen Staatsregierung zu erwirken, das Kommunen freie Hand bekommen in Hinsicht auf die Aufstellung von Satzungen, welche kommunale Gebühren bzw. Steuern erheben, mit dem Ziel den ÖPNV für die Menschen in der Zone 110 inkl. Flexa-Gebieten künftig kostenfrei anbieten können.

Parallel soll eine Satzung erstellt und, nach erfolgreicher Intervention bei der Staatsregierung, abgestimmt werden, bei welcher die Finanzierung hierfür durch eine Arbeitsplatzabgabe abgesichert wird. Es sollen sowohl SV-pflichtige Arbeitsplätze als auch Selbstständige und Freiberuflerinnen bedacht werden.
Diese Einnahmen müssen zweckgebunden und dürfen ausschließlich zur Finanzierung des ÖPNV genutzt werden.

Darüber hinaus wird der aktuelle Zuschuss der Kommune an die Verkehrsbetriebe vorerst weiter gezahlt, bis alle Erweiterungs- und Modernisierungspläne der LVB realisiert sind.“

Es ist eine Idee, die der Stadtrat so ähnlich auch schon vor neun Jahren diskutiert hatte und die dann zu den Akten gelegt wurde.

Der Stadt fehlt schlicht die Ermächtigung

„Bereits 2015 wurden in Zusammenarbeit mit dem MDV mehrere Gutachten zu alternativen Finanzierungswegen in Auftrag gegeben. Dabei wurde auch der sogenannte Arbeitgeberbeitrag untersucht. Im Ergebnis haben die Studien gezeigt, dass eine solche Abgabe methodisch, aber auch politisch kaum um- bzw. durchsetzbar wäre“, begründet das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) jetzt die Ablehnung dieses Antrags auf Verwaltungsseite.

Zum einen fehle die Ermächtigungsgrundlage in den landesgesetzlichen Regelungen. Es bedürfe der Änderung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes. „Mehrheiten für die notwendige Änderung der Kommunalabgabengesetze sind auf Landesebene absehbar nicht in Sicht.“

Aber ein Problem wäre auch die „sachgerechte Zurechnung der Kosten auf einzelne Arbeitgeber.“

Und: „Pauschale Veranschlagungen, wie sie im Antrag vorgeschlagen werden (Summe X pro Arbeitsplatz), also Abgaben unabhängig von dem jeweils vor Ort verfügbaren ÖPNV-Angebot, sind mit rechtlichen Risiken verbunden und deren Akzeptanz ist fraglich.“

Kostenlos ist nicht das Ziel

Und dann ist da noch der Wunsch nach kostenloser ÖPNV-Nutzung. Denn – so das VTA: „Zu beachten ist außerdem, dass Initiativen zum ‚kostenlosen ÖPNV‘ nicht zu einer zusätzlichen Verschlechterung der Finanzierungsgrundlagen des ÖPNV führen dürfen, da eine Reduzierung der Nutzerfinanzierung und die Kostensteigerungen der LVB (z.B. Energie, Material und Personal) nicht durch die kommunalen Haushalte kompensiert werden können.“

Mit dem Deutschlandticket existiere ja aktuell „ein Fahrschein, mit dem bundesweit sehr preisgünstig der gesamte öffentliche Nahverkehr genutzt werden kann. Auch andere Tarifangebote wie das Bildungsticket senken bereits das Fahrpreisniveau und haben den ÖPNV für regelmäßige Nutzer in den letzten Jahren deutlich leistbarer gemacht.“

Was Marcus Weiss wohl eher erschrecken wird, da die Finanzierung des Tickets in Zukunft gar nicht geklärt ist und sogar über eine Preiserhöhung diskutiert wird, was den Effekt des 49-Euro-Tickets ziemlich schnell wieder zunichtemachen kann. Man merkt schon, dass deutsche Verkehrsminister vor allem Autofahrer sind, denen ein funktionierender ÖPNV an der Heckscheibe vorbeigeht.

Und so werden Kommunen wie Leipzig auch künftig nicht aus der Finanzierungsklemme herauskommen und jedes Jahr in neuer Schärfe vor der Frage stehen, wie sie die steigenden Kosten für den ÖPNV eigentlich auffangen sollen.

„Ein kostenloser ÖPNV ist zudem weder in der Mobilitätsstrategie noch im Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig als Ziel verankert“, stellt das VTA noch fest. „Vielmehr sind auch Bund und der Freistaat Sachsen aufgefordert, ihren Finanzierungsbeitrag dauerhaft und ausreichend zu leisten, ggf. auch durch Einführung erweiterter Finanzierungsmöglichkeiten (siehe Ziel 10 des Nahverkehrsplans).

In diesem Zusammenhang hat sich der Oberbürgermeister gegenüber Bund und Land an den entsprechenden Stellen und Gremien für eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV eingesetzt und wird dies auch zukünftig tun.“

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