Hätte der Stadtrat nicht reagiert und den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) 2023 einen zusätzlichen Zuschuss von 20 Millionen Euro gewährt – die Energie- und Beschaffungskosten wären dem Leipziger Nahverkehrsunternehmen regelrecht um die Ohren geflogen. Die Jahresbilanz 2023 der LVB zeigt, wie heftig sich die Kosten für den Nahverkehr 2023 entwickelt haben. Glück dabei: Der Mutterkonzern LVV erwirtschaftete ein deutliches Plus.
Sodass auch der durch den Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag gesicherte Ausgleich durch die Erlöse von Stadtwerken und Wasserwerken von 65 auf 71 Millionen Euro steigen konnte. Was am Ende trotzdem nicht gereicht hätte. Denn gerade für die LVB war das Jahr 2023 ungewöhnlich. Reichten 2022 noch 244 Millionen Euro aus, um den Betrieb zu finanzieren, mussten 2023 auf einmal Rechnungen in Höhe von 300 Millionen Euro beglichen werden.
Da reichte selbst das starke Anwachsen der eingenommenen Linienentgelte nicht aus. Eigentlich eine Erfolgsbotschaft, die eng mit dem Anwachsen der Fahrgastzahlen von 134 Millionen auf 153 Millionen zusammenhängt. Geplant hatten die LVB nur mit 142 Millionen. Es hat mit dem Deutschland-Ticket zu tun. Und mit neuen Angeboten wie dem Ausbau des Flexa-Netzes, wie LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg am Freitag, dem 7. Juni, bei der Vorstellung der Jahresbilanz der L-Gruppe erklärte.
Die Linieneinnahmen jedenfalls stiegen von 82 Millionen Euro im Vorjahr auf 109 Millionen Euro. Das hätte in weniger turbulenten Zeiten Jubelstürme ausgelöst. Tat es diesmal aber nicht.
Massiv verteuerte Beschaffungskosten
Denn noch viel stärker stiegen die Beschaffungskosten. Worin nun einmal auch die Energiekosten stecken, die 2023 nicht nur für Privathaushalte kräftig stiegen. Für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe mussten die LVB statt 11 Millionen Euro wie noch 2022 auf einmal 34 Millionen Euro hinblättern. Und dabei hatten sie auch noch Glück, wie der fürs Technische zuständige Geschäftsführer der LVB Ronald Juhrs feststellte.
Denn die wachsende E-Bus-Flotte wirkt sich kostendämpfend für das Unternehmen aus. Die Verbrauchswerte für die neuen E-Busse, so Juhrs, entwickeln sich erstaunlich gut, die Busse verbrauchen im Vergleich zu Diesel rund 70 Prozent weniger Energie. Und das dämpft – trotz massiv gestiegener Stromkosten – den Auftrieb bei den Energiekosten.
Wenn die Strompreise auch für die LVB wieder fallen, wird sich das tatsächlich positiv in der Bilanz widerspiegeln.
Aber auch die Aufwendungen für bezogene Leistungen haben sich um über 20 Millionen Euro erhöht – von 129 auf 150 Millionen Euro. Die Personalkosten haben dabei den geringsten Anteil an den Kostensteigerungen, wirkten sich aber trotzdem aus – hier wuchs der Aufwand von 48,4 auf 54,3 Millionen Euro. Wobei das gar nicht alle Personalkosten sind, denn solche stecken ja auch in den „bezogenen Leistungen“, die großenteils von den diversen Tochterunternehmen der LVB bezogen wurden – LTB, LVSB, IFTEC, Leobus usw.
Auch dieses Geld muss ja irgendwo herkommen. Über steigende Fahrpreise können es die LVB nicht mehr einspielen. Zumindest so lange es das Deutschland-Ticket gibt, das bei 49 Euro gedeckelt ist. Finanzierbar ist das D-Ticket nur durch Zuschüsse von Bund und Land. Sie stecken in den 20 Millionen Euro Ausgleichzahlungen, die das Unternehmen für 2023 ausweist.
Gedrosselte Investitionen
Und dabei konnten 2023 gar nicht alle geplanten Investitionen umgesetzt werden. 77 Millionen Euro konnten die LVB 2023 investieren, das waren 12 Millionen Euro weniger als geplant. Das ging vor allem auf die Anschaffung neuer Fahrzeuge, wo nur 17 statt 33 Millionen Euro ausgegeben wurden, während in die Netze 52 statt 41 Millionen Euro investiert wurden – was aber auch wieder vor allem mit Kostensteigerungen beim Bauen zu tun hat.
Dafür wurde das Marketing-Budget von 9 auf 2 Millionen Euro eingedampft. 1,3 Millionen davon entfielen auf die Projekte Flexa und Absolut (das ist das Pilotprojekt zum autonomen Fahren zwischen Neuer Messe und BMW-Werk).
Und 2024 wird noch eine Ecke anspruchsvoller, auch wenn jetzt die Zahlungen aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag sogar von 71 auf 90 Millionen Euro steigen. Aber gleichzeitig werden auch die Personalkosten auch bei den LVB-Töchtern steigen, was im Bilanzbericht als Risikofaktor mit angegeben ist.
175 Millionen Fahrgäste bis 2028
Dabei deutet sich jetzt aber schon an, dass die Fahrgastzahlen weiter steigen werden und mit einem neuen Höchstwert von 160 Millionen für 2024 zu rechnen ist. Bis 2028 rechnen die LVB sogar mit 175 Millionen Fahrgästen, was ohne neue, leistungsfähigere Fahrzeuge im Netz nicht zu schaffen ist.
2025 sollen ja die neuen breiteren Straßenbahnen in den Probebetrieb gehen und 2026 dann auf den ersten Linien (z.B. der Linie 16) auftauchen. Aber richtig Sorgen machen den LVB augenblicklich die ungeklärten Fragen um die Ausgleichszahlungen für das Deutschland-Ticket. Wenn Bund und Länder sich hier nicht auf eine Anschlusslösung einigen, klafft ein Loch von 20 Millionen Euro.
Und diese Zahlung dann auch noch auf die Kommune abzuwälzen, kann nicht wirklich die Lösung sein. Schon gar vor dem Hintergrund, dass das alle Nahverkehrsunternehmen in Deutschland betrifft. Wenn sich die Verhandler in Bund und Ländern nicht einigen, wird es nicht nur massive Einschnitte im deutschlandweiten Nahverkehrsangebot geben – etliche Verkehrsbetriebe werden in die Insolvenz rutschen. Und auch in Leipzig werden die Spielräume für finanzielle Beihilfen nicht größer.
Logisch, dass nicht nur OBM Burkhard Jung wie auf glühenden Kohlen sitzt in der derzeit nur noch lähmenden Debatte um die Fortsetzung dieser Ausgleichszahlungen.
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