Seit geraumer Zeit träumen etliche Leute in Leipzig von einem zweiten City-Tunnel in Ost-West-Richtung. Die CDU knallte das Thema auch gleich noch auf ihre Wahlplakate, obwohl überhaupt noch nicht klar ist, ob dieses Tunnel-Projekt überhaupt realisierbar sein wird. Denn dazu gibt es erst einen Prüfauftrag beim ZVNL. Man kann auch mit ungelegten Eiern Wahlkampf machen. Aber das macht sie nicht realistischer.

„Laut Medienberichten wollte der Freistaat Sachsen vorbereitende Planungs- und Untersuchungsarbeiten für eine unterirdische Ost-West-Verbindung in Leipzig fördern. Haben sich aus den Absichtserklärungen bereits konkrete Maßnahmen und Machbarkeitsstudien seitens der Stadt Leipzig ergeben, die vom Freistaat Sachsen gefördert werden können?“, hatte die CDU-Fraktion angefragt.

Und: „Konnten bereits mit der aktuellen Bundesregierung Gespräche über die Idee eines 2. Citytunnel geführt werden bzw. wurde geprüft, ob sich über das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen oder andere Töpfe Bundesmittel für das Vorhaben 2. Citytunnel akquirieren ließen?“

Wer wird das bezahlen?

Um „Töpfe“ wird es am Ende gehen, wenn denn das Gutachten zum City-Tunnel überhaupt zu einem ökonomisch sinnvollen Ergebnis kommt.

Die Krux am CDU-Vorstoß ist: Genau das hat der Stadtrat nicht beschlossen. 2018 entschied sich der komplette Stadtrat für das Nachhaltigkeitsszenario, das zwar eine Stärkung des Umweltverbundes vorsieht (Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV), aber keinen zweiten City-Tunnel. Dieses technische Großprojekt steckte im „Gemeinschaftsszenario“ und wurde dort mit (mindestens) 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Kein Wunder, dass die CDU-Fraktion dafür auf eine Bundesfinanzierung aus dem 40-Milliarden-Euro-Topf für den Kohleausstieg rechnet.

Die Möglichkeiten des ZNVL übersteigt so ein Tunnel-Projekt jedenfalls genauso wie die des Freistaats oder die der Stadt Leipzig. Zur Erinnerung: Der City-Tunnel selbst hat nur 930 Millionen Euro gekostet, fast vollständig finanziert aus Bundesmitteln. Dafür ist er wesentlich kürzer als ein hypothetischer Ost-West-Tunnel.

ZVNL prüft jetzt die Realisierbarkeit des zweiten Tunnels

Aber natürlich hat auch Leipzigs Stadtverwaltung ein Interesse daran, tatsächlich zu erfahren, was so ein zweiter Tunnel kosten würde und ob das wirtschaftlich überhaupt darstellbar ist.

„Grundsätzlich plant, organisiert und finanziert der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) (auch) im Stadtgebiet Leipzig den regionalen Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Neben der Entwicklung eigener Ideen und Konzepte für den Ausbau des SPNV, greift der ZVNL insbesondere auch Ideen von Verkehrsunternehmen, Kommunen und Infrastrukturunternehmen auf. Die Vorschläge werden hinsichtlich ihrer Notwendigkeit und Finanzierbarkeit geprüft und in den Nahverkehrsplan integriert“, stellt das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA)  in seiner Antwort dazu fest.

Die Prüfung eines neuen Tunnels im spurgeführten Verkehr in Ost-West-Richtung in Leipzig ist ein Prüfauftrag aus dem aktuellen Nahverkehrsplan des ZVNL.

Konkret heißt es dazu im Nahverkehrsplan des ZVNL (Seite 81): „Sollte in den nächsten Jahren eine Einwohnerentwicklung in Leipzig und dem Umland entsprechend der hohen Prognose zu verzeichnen sein, sollte geprüft werden, ob und wie ein solcher Tunnel in das bestehende Eisenbahnnetz eingebunden werden kann. Dabei ist zu untersuchen, welche SPNV-Kapazitäten zur wirtschaftlichen Ausgestaltung dieser Infrastrukturanlage zu planen und zu bestellen wären und wie dann das bestehende SPNV-System unter Beachtung der effizienten Steigerung der SPNV-Nutzung zu ergänzen wäre.“

Aber ein Prüfergebnis könnte es schon relativ zeitnah geben, wie das VTA feststellt: „Aktuell laufen beim ZVNL die Vorbereitungen zur Erstellung des neuen Nahverkehrsplans.

Aufgrund des außerordentlich hohen Arbeitsaufwands für die Prüfung eines neuen Tunnels, insbesondere auch vor dem Hintergrund einer notwendigen Einbeziehung der verschiedenen Akteure wie der DB AG, soll die Bearbeitung unter der Beteiligung eines fachlich versierten Planungsbüros in einem separaten Auftrag parallel zum Nahverkehrsplan erfolgen. Eine Bearbeitung beim ZVNL könnte hier in Abhängigkeit der finanziellen und personellen Ressourcen in 2024 beginnen, wobei dies vsl. ein Jahr in Anspruch nehmen wird.“

Das betrifft ganz Mitteldeutschland

Aber das Tunnel-Projekt ist wesentlich größer als nur ein Leipzig-Thema, betont das VTA: „Als Stadt Leipzig werden wir dabei vom ZVNL nicht zuletzt über die verschiedensten Gremien in die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und der nachfolgenden Bearbeitung der Studie eng mit einbezogen. So wird sichergestellt, dass die städtischen Ziele entsprechende Berücksichtigung finden. Aufgrund der Komplexität dieses Vorhabens muss es dabei zwingend im mitteldeutschen Kontext unter Einbeziehung aller relevanten Akteure betrachtet werden.

In Abhängigkeit der Studienergebnisse ist eine sachlich fundierte Einschätzung für den weiteren Umgang mit dem Projekt abzuleiten. Erst die Erkenntnisse aus dieser ersten Studie und gegebenenfalls nachfolgende weiterführende vertiefende Untersuchungen ermöglichen eine umfassende Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU). Diese Untersuchung bildet die wesentliche Grundlage zur Feststellung der Förderwürdigkeit und somit der Realisierbarkeit des Gesamtvorhabens.“

Wie schnell bei so einem Großprojekt die Kosten aus dem Ruder laufen können, zeigt ja das Beispiel Stuttgart 21, wo man zum Baubeginn 2010 mit 4,1 Milliarden Euro Baukosten rechnete, inzwischen stehen 11,5 Milliarden Euro auf der Uhr und der Fertigstellungstermin hat sich immer weiter verschoben.

Und völlig unklar ist, ob die versprochenen Effekte für das S-Bahn-Netz auch eintreten.

Zumindest werde man Ende 2025 ein wenig genauer wissen, ob die Idee eines zweiten City-Tunnels tatsächlich belastbar ist oder nur ein (sehr) teurer Traum. Das VTA: „Nach Abschluss der Machbarkeitsstudie des ZVNL (voraussichtlich bis Ende 2025) wird der Stadtrat über die Ergebnisse informiert.“

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Es gibt 7 Kommentare

@Tlpz
Leipzig ist nicht Berlin oder München. Einen 2-Minuten-Takt im Tunnel werden wir sicherlich nicht mehr erleben.
Die Erhöhung von 12 auf 15 Fahrten/Stunde wäre heute schon relativ unproblematisch möglich und wäre eine Möglichkeit die geplanten Linien nach Markranstädt/Merseburg, nach Zeitz/Gera und eine 3. Linie (bspw. RE10 oder RE13) ins System zu integrieren ohne S-Bahnen vom Querbahnsteig fahren lassen zu müssen. Wir werden es allerdings nicht erleben, dass diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung gezogen wird.

Dass da heute diese kleinen Gefäße fahren, hat auch politische Gründe. Die Ausschreibung fiel in die Zeit von Schwarzgeld in Bund und Freistaat. Man wusste im Prinzip bis zur Inbetriebnahme 2013 nicht, ob die bestellte Leistung tatsächlich durch den Freistaat auch finanziert ist.
Bereits im Sommer 2014 kam es dann immer mal wieder zu Überfüllungen in den Zügen nach Halle und Eilenburg. Man hätte 2015 noch zusätzliche Talent2 kaufen können. Der ZVNL wollte aber nicht.
Mit der Neuausschreibung für das Netz 2025+ werden deutlich größere Gefäße verkehren und auch häufiger in Doppeltraktion, sodass die Bahnsteiglänge von 140m auch bei ein paar Fahrten/Stunde ausgereizt wird.
Wir dürfen gespannt sein, ob dann nach einer Einspielungsphase mit den neuen Zügen und den größeren Gefäßen auch die Fahrgastzahlen deutlich steigen.

@Sebastian
Steigern liese sich das durch anderes Zugmaterial, engere Zugfolge (durch weiteren Technikeinbau liese sich diese wohl auf 2 Minuten steigern) oder die Anbindung weiterer Orte.

Die große Idee kommt von der CDU. Hr. Jung schwafelt auch gern mal davon, will wohl aber lieber eine Seilbahn. Straßenbahnstrecken (nicht -linien) wären sinnvoll, dauert leider immer viel zu lange. Für einen 2. Citytunnel gäbe es (aktuell) nicht einmal einen verkehrlichen Nutzen. Vielmehr verhindert er auf viele Jahre alle möglichen ÖPNV- Projekte.

Eine Auslastung mit 60.000 Fahrgästen/Tag ist bei dem jetzt vorhandenen Zugmaterial nicht machbar, ohne das die Personen reingequetscht sind.

Hallo Rudi,
wenn Sie sagen, dass der aktuelle Citytunnel nur 1/3 des Zielwertes (Nutzung durch Fahrgäste pro Tag) erreicht, wie wäre das überhaupt theoretisch steigerbar? Durch Nutzung in der Nacht? Die Bahnen kommen doch dort in dichter Taktfolge; ich kann mir fast nicht vorstellen, dass sich das verdreifachen ließe, um auf den Zielwert von 60.000 / Tag zu kommen.

Allgemein geht mir der Neubauwahn auch bißchen zu weit. Wir haben kaum Geld und andere Ressourcen, um die bestehenden Brücken, Fußwege, Gleise, Straßen etc. in einem guten Zustand zu halten, und auch bei den Häusern ist es teuer und langwierig. Aber große Ideen in den Raum werfen von neuen Autobahnen, Tunneln und Straßenbahnlinien. Ich weiß, letzteres ist noch die beste Maßnahme der drei aufgezählten, aber so richtig ehrlich finde ich es nicht wenn man behauptet, dass man sich das wirklich leisten kann. Vor allem auf längere Sicht.

Im Prinzip wurde die Frage schon vor über 30 Jahren beantwortet: Damals gab es die Überlegung 4 Röhren zu bauen. 2 Röhren für den Nahverkehr, 2 Röhren für den Fernverkehr. 4 Röhren hätten keinen positiven Nutzen-Kosten-Faktor bekommen, sodass man nur 2 Röhren für den Nahverkehr errichtete. Und auch hier hat man noch extra den RE50 in die Röhren gelegt, um auf einen positiven NKU zu kommen. Ziel war damals 81.000 Fahrgäste/Tag. Planfestgestellt ist der Tunnel mit über 60.000 Fahrgästen/Tag. Mittlerweile hat man ca. 1/3 des Zielwertes erreicht. Laut Nahverkehrsplan ZVNL nutzen den Tunnel ca. 20.000 Fahrgäste/Tag.
Der Ost-West-Tunnel dürfte geschätzt bei einem NKU von unter 0,3 landen und damit sehr weit entfernt von einem positiven NKU (> 1,0) liegen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn aus dem RB-System ein echtes S-Bahnnetz (mindestens 20-Minuten-Takt) würde. Leipzig hat keinen Speckgürtel und ist für eine Stadt mit 600.000 Einwohner*innen auch nicht sonderlich dicht besiedelt. Da müsste man schon sehr viele Maßnahmen gegen den Kfz-Verkehr umsetzen, um auch einigermaßen Fahrgäste zu generieren. Das dürfte mit dem aktuellen Stadtrat sehr schwierig werden.

Die Machbarkeitsstudie wird nur eins zeigen: Die Idee eines 2. Citytunnels ist utopisch weil nicht finanzierbar. Der erste Citytunnel war prima, ein zweiter wäre ein finanzielles Grab. Leider versteht die auto- ideologisch geprägte CDU auch die verkehrlichen Folgen eines solchen Tunnels nicht. Denn dieser würde mehr Menschen zum Umstieg auf das Auto verleiten, da er den ÖPNV an anderer Stelle kannibalisieren würde.

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