Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivfรผhrer (GDL) haben sich endlich geeinigt. Es wird, zur Freude alle Nutzerinnen und Nutzer der Bahn, keine weiteren Streiks geben. Wie zu erwarten, waren die Streiks der GDL erfolgreich und das Hauptziel der 35-Stunden-Woche fรผr die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schichtdienst wurde durchgesetzt. Auf diese Hauptforderung konzentriert sich die nachfolgende Betrachtung.

The Winner is: Claus Weselsky? โ€“ Kรถnnte man meinen, aber das ist zu kurz gegriffen. Auch wenn der DB-Personalvorstand Martin Seiler heute von einem โ€žintelligenten Kompromissโ€œ und einem โ€žinnovativen Optionsmodellโ€œ mit einem โ€žArbeitszeitkorridorโ€œ fรผr die Mitarbeitenden im Schichtdienst spricht, so erhebt sich doch die Frage: Warum hat er nicht von vornherein ein solches Modell vorgeschlagen?

Wenn die Einigung intelligent und innovativ ist, waren dann die Streiks wirklich erforderlich, um die Bahn zu Intelligenz und Innovation zu bewegen? Vor kurzer Zeit noch erklรคrte uns selbiger Personalvorstand, dass er die Arbeitszeitverkรผrzung, angesichts des Fachkrรคftemangels, fรผr nicht mรถglich halte. Plรถtzlich geht es doch, obwohl der Fachkrรคftemangel weiterhin besteht.

Es fragt sich allerdings, ob die GDL-Mitglieder nun wirklich weniger arbeiten oder nur mehr Geld bekommen.

Die intelligente und innovative Lรถsung

Da wรคre zum Ersten die schrittweise Absenkung der wรถchentlichen Arbeitszeit, bei vollem Lohnausgleich, von 38 auf 35 Stunden bis 2029. Der Termin 2028, als GDL-Forderung, wurde nicht ganz erfรผllt.

Jetzt kommt das Intelligente und Innovative:

โ€“ Der Tarifvertrag fรผr den Entgeltbereich lรคuft bis zum 31.12.2025, dann wird wieder verhandelt โ€“ bis 28. Februar gilt Friedenspflicht. Seiler spricht von 26 Monaten bis Ende nรคchsten Jahres, beim Nachzรคhlen und einem 12-Monats-Jahr ist das nicht ganz plausibel. Fรผr den Arbeitszeitbereich ist die Laufzeit 62 Monate.

โ€“ Kein Automatismus bei der Arbeitszeitreduzierung, allerdings liegt die Reduzierung in den einzelnen Schritten nicht in den Hรคnden der DB.

โ€“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kรถnnen sich erklรคren, bis zu 40 Wochenstunden zu arbeiten und erhalten dann zusรคtzlich pro Wochenstunde 2,7 % mehr Lohn.

โ€“ 2025 werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erneut befragt, ob sie ab Januar 2026 dann 37 Wochenstunden oder mehr arbeiten wollen, wer nicht antwortet, geht auf 37 Stunden.

โ€“ In den Folgejahren mรผssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv melden, wenn sie die Wochenarbeitszeit 2027 auf 36, 2028 auf 35,5 und schlieรŸlich 2029 auf 35 Stunden absenken wollen.
Die Bahn legt also die Arbeitszeitreduzierung in die Entscheidungsfreiheit der Mitarbeitenden, das klingt vernรผnftig. Was es bringt, ist fraglich.

Eine Frage ist, wie mit รœberstundenvergรผtungen umgegangen wird: Bekommt man mehr bei 27 Wochenstunden und 3 รœberstunden, als bei festgelegten 40 Wochenstunden mit 2,7 % mehr Lohn?

Die wichtigste Frage bleibt unbeantwortet

Fazit: Die GDL hat ihre Ziele zu groรŸen Teilen erreicht und Claus Weselsky kann mit diesem Erfolg in den Ruhestand gehen.

Es gibt aber weitere Punkte, die zu beachten sind. Der Arbeitskampf der GDL hat wahrscheinlich auch Auswirkungen auf das Verhalten der anderen Gewerkschaften. Sie werden vielleicht รคhnlich ihre Muskeln spielen lassen. Pech fรผr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in nicht tarifgebundenen Unternehmen tรคtig sind. Leider sind das inzwischen mehr als die Tarifgebundenen, da gibt es Hausaufgaben fรผr Gewerkschaften.

Politisch gesehen gibt es Ambitionen zur Einschrรคnkung des Streikrechts, denen man entgegentreten muss. Selbst ein per se gewerkschaftsnaher SPD-Oberbรผrgermeister findet Streiks von Nahverkehrsbetrieben unverhรคltnismรครŸig, wenn sie ein GroรŸevent stรถren. Da geht es dann gegen die Gewerkschaft und die Streikenden, nicht gegen den anderen Tarifpartner.

Die wichtigste Frage aber bleibt unbeantwortet: Warum waren die Streiks erforderlich, um von Seiten der Bahn intelligent und innovativ zu reagieren?

Empfohlen auf LZ

So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:

Keine Kommentare bisher

> Warum hat er nicht von vornherein ein solches Modell vorgeschlagen?
Ist nicht nachvollziehbar, dass erst mal versucht wird, die Kosten gering zu halten und die Probleme klein? Auch wenn die Gewerkschaft davon fabuliert, dass sie mit ihren Forderungen den Arbeitgeber Bahn attraktiver macht (eine Aufgabe, die eine Gewerkschaft eigentlich nicht hat), hat sie mit ihrem โ€œVerhandlungsโ€erfolg sehr viele Probleme auf den Tisch der Bahn geschaufelt.
โ€“
> โ€œDie Bahn legt also die Arbeitszeitreduzierung in die Entscheidungsfreiheit der Mitarbeitenden, das klingt vernรผnftig. Was es bringt, ist fraglich.โ€
Ich kann mich tรคuschen, aber in einem vor ein paar Wochen verรถffentlichten Interview mit der Zeit sagte ein Lokfรผhrer, dass er jetzt schon die wรถchentliche Arbeitszeit reduzieren kann, wenn er will. Er verdient dann halt weniger. Aus dieser Wahl heraus blieben dann viele Angestellte beim alten Zeitmodell, um jetzt mit der Gewerkschaft eine Lohnerhรถhung zu fordern. Denn darum gehts ja letztendlich, und nicht um die Zeitverringerung.
Und jetzt, wo es ein Wahlmodell geben wird, wird sich zeigen wie die Leute abstimmen. Die Wahl zu haben ist ein schรถnes Gefรผhl, und bei uns im Unternehmen hat die Gewerkschaft mit viel emotionalem Pathos (โ€œGerechtigkeit 30 Jahre nach der Wende!โ€) die schrittweise Einfรผhrung der 35-Stunden-Woche durchgesetzt und gefeiert. Gar nicht mal so wenige Kollegen wรคhlten den Verbleib im 38- oder gar 40-Stunden-Modell.
โ€“
> โ€œSelbst ein per se gewerkschaftsnaher SPD-Oberbรผrgermeister findet Streiks von Nahverkehrsbetrieben unverhรคltnismรครŸig, wenn sie ein GroรŸevent stรถren. Da geht es dann gegen die Gewerkschaft und die Streikenden, nicht gegen den anderen Tarifpartner.โ€
Fรผr den obersten Reprรคsentanten der Stadt war es sicherlich nicht schรถn ansehen zu mรผssen, wie mรผhsam in der Stadt gehaltene Institutionen sabotiert werden. Es ist ein Kampf alles zusammen zu halten, jeden Tag aufs Neue. Die Buchmesse als solche war durch Corona im Straucheln und konkurriert gegen Frankfurt. Alles, was dazu beitrรคgt, dass das Event gelingt, stabil ablรคuft und zufriedene Besucher*in:innen_ hinterlรคsst, ist willkommen. Und ein Streik genau zur Zeit von diesem gehegten Pflรคnzlein war absolut nicht dass, was der liebe Herr Jung sehen wollte, und fand auch abseits der Politprominenz absolut wenig Zustimmung. Kurze Zeit vorher hieรŸ es noch โ€œgemeinsam streiken wir fรผr den Umweltverbundโ€, nur um dadurch die Staus zu produzieren, weil genau an diesem Wochenende die Leute in Massen ankommen. Ehrlich gesagt รผberlege ich langsam, mir die mehreren hundert Euro Gewerkschaftsbeitrag im Jahr zu sparen, denn meine tatsรคchlichen Interessen sehe ich so langsam nicht mehr vertreten. Es wird alles รผbertrieben, bis der Bogen รผberspannt ist. Miele baut Waschmaschinen demnรคchst in Polen, alles Mรถgliche wird ausgelagertโ€ฆich hab da am Ende gar nichts von.

Schreiben Sie einen Kommentar