Noch immer ist das Leipziger Verkehrsnetz gespickt mit Unfallhäufungsstellen. Das belegt einmal mehr der Bericht der Verkehrsunfallkommission für das Jahr 2022. Genau 105 waren es insgesamt am Stichtag 8. Mai 2023. Die Verkehrsunfallkommission beschreibt darin auch, wie langsam und vorsichtig sie tatsächlich arbeitet. Denn nicht nur werden in der Regel über drei Jahre erst einmal die Daten gesammelt, um daraus die wesentlichen Ursachen für Unfallschwerpunkte zu destillieren.
Dann muss man überhaupt erst einmal verkehrsorganisatorische Maßnahmen entwickeln, die tatsächlich helfen, die konkreten Unfallgefahren zu mindern.
Der Bericht der Verkehrsunfallkommission für 2022
So wurden dann 2021 Maßnahmen an 23 Unfallhäufungsstellen umgesetzt. 2022 wurde dann die Wirkung der Maßnahmen überprüft und immerhin 18 von diesen 23 Maßnahmen hatten sich bewährt. An fünf Stellen aber funktionierten die Maßnahmen nicht. Oder waren nicht ausreichend. Diese fünf Maßnahmen waren:
Gohliser Straße/Nordplatz (Roscherstraße) (3 Vorfahrtunfälle mit Radfahrern von links im Jahr 2022)
Am Sportforum/Goyastraße (2 Linksabbiegeunfälle und 2 Unfälle bei ausgeschalteter LSA im Jahr 2022)
Miltitzer Straße/Ausfahrt Löwen-Center (keine Vorfahrtunfälle mit Radfahrern mehr, aber nun Abbiegeunfälle mit Radfahrern im Jahr 2022, die andere Maßnahme erfordern)
Prager Straße/Höltystraße (4 Vorfahrtunfälle im Jahr 2022)
Koburger Straße/Abfahrt B2 (4 Vorfahrtunfälle mit Radfahrern von links im Jahr 2022)
Neun Maßnahmen 2022 umgesetzt
2022 konnten dann wieder an neun Unfallhäufungsstellen beschlossene Maßnahmen neu umgesetzt werden. Bei diesen wurden dann 2023 Wirkungskontrollen durchgeführt. Diese Ergebnisse sind aber noch nicht im neuen Bericht der Unfallkommission aufgeführt.
Aber man ahnt, wie viel Arbeit da noch zu leisten ist. Denn: „Für die verbleibenden 78 UHS konnten noch keine geeigneten Maßnahmen umgesetzt werden. Oft handelt es sich hierbei um erforderliche bauliche Maßnahmen oder größere Anpassungen an Lichtsignalanlagen (LSA), die einen längeren planerischen Vorlauf benötigen bzw. aus pragmatischen Gründen im Zusammenhang mit ohnehin geplanten Bauvorhaben umgesetzt werden sollen.“
Das heißt: Es liegt auch am verfügbaren Geld, gerade dann, wenn die Maßnahme größere Umbauten im Straßenraum erfordern.
Die wichtigsten dieser ausstehenden Maßnahmen listet der Bericht so auf:
BMW-Allee/FERAG (Vorfahrtunfälle aus der westlichen Zufahrt mit Radfahrern von links): in 2022 wurde der Knotenumbau beschlossen, der im Zusammenhang mit der Untersuchung von BMW zu betrachten ist
Seehausener Allee/Alte Dübener Landstraße (Abbiegeunfälle zwischen Linksabbiegern aus der östlichen Zufahrt mit dem Gegenverkehr): die in 2022 beschlossene konfliktfreie Signalisierung des Linksabbiegers konnte zeitlich noch nicht eingeordnet werden
Maximilianallee/Seehausener Allee (Abbiegeunfälle beim zweistreifigen Linksabbiegen): die Prüfung des einstreifigen Abbiegens aus der Seehausener Allee konnte zeitlich noch nicht eingeordnet werden
Koburger Straße/Prinz-Eugen-Straße (Vorfahrtunfälle aus der Prinz-Eugen-Straße mit dem Geradeausverkehr aus der südlichen Koburger Straße): der in 2022 beschlossene Bau einer Lichtsignalanlage wird gemeinsam mit der Baumaßnahme Koburger Brücke geplant
Ludolf-Colditz-Straße/Naunhofer Straße (Vorfahrtunfälle in verschiedenen Relationen): der in 2022 beschlossene Knotenumbau mit Errichtung einer Lichtsignalanlage konnte planungsseitig noch nicht eingeordnet werden
Aber warum dauert das alles so lange?
Mit einigem Recht können die Leipziger fragen, warum es meist Jahre braucht, bis die Stadt wichtige Unfallstellen tatsächlich entschärft. Jahre, in denen es zu weiteren Unfällen mit Menschenschaden kommt wie an der Höltystraße, wo die Unfallserie Jahr um Jahr weitergegangen ist.
Doch die Verkehrsunfallkommission ist kein daueraktives Gremium, sondern hat sich zum Beispiel 2022 zu drei Sitzungen und sieben Ortsterminen zusammengefunden. „Bei den Ortsterminen ging es darum, Defizite an der Verkehrsanlage zu erkennen und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf mögliche Unfallursachen zu beobachten“, liest man dazu in der Vorlage des Verkehrs- und Tiefbauamtes (VTA).
Aber im Bericht für 2022 wird auch extra angemerkt, dass die zunehmende Anzahl von Unfällen mit Radfahrern in Leipzig auffällt. Was natürlich Gründe hat.
Mehr Radverkehr, mehr Radunfälle
„Während sich in 2020 und 2021 coronabedingt die Verkehrszahlen und damit auch die Unfallzahlen reduziert hatten, zeigen die Gesamtunfallzahlen nunmehr wieder eine steigende Tendenz auf. So haben sich die Gesamtunfallzahlen gegenüber 12.152 im Jahr 2021 auf 12.665 im Jahr 2022 erhöht. Die Anzahl getöteter oder verletzter Personen ist mit 2.364 Personen gegenüber 1.920 Personen im Jahr 2021 erstmals seit 2018 wieder angestiegen“, geht das Verkehrs- und Tiefbauamt (VTA) in seiner Vorlage auf das Wesentliche ein.
Und kommt dann auf die Radunfälle zu sprechen: „Während in 2020 und 2021 bei der Anzahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern mit 1.217 bzw. 1.161 eine sinkende Tendenz verzeichnet werden konnte, sind in 2022 die Verkehrsunfälle mit beteiligten Radfahrern auf 1.320 Verkehrsunfälle wieder angestiegen.
Auch die Anzahl getöteter oder verletzter Radfahrender stieg erstmals seit 2018 von 832 Personen im Jahr 2021 auf 1.017 Personen im Jahr 2022. Wie auch in 2021 waren bei 45 % der Unfälle mit Beteiligung von Radfahrenden diese die Unfallverursachenden.“
Die Liste der Knoten und Einmündungen, an denen es immer wieder zu Unfällen mit Radfahrern kommt, ist aber verblüffend lang:
Hermann-Liebmann-Straße/Schulze-Delitzsch-Straße
BMW-Allee/FERAG
Bornaische Straße/Liechtensteinstraße
Peterssteinweg/Härtelstraße
Wittenberger Straße/Dessauer Straße
Lützner Straße/Saarländer Straße
Wolfgang-Heinze-Straße/Selneckerstraße
Gohliser Straße/Nordplatz
Paunsdorfer Allee/Am Sommerfeld
Lyoner Straße/Schönauer Straße
Miltitzer Straße/Ausfahrt Löwen-Center
Brandenburger Straße/Mecklenburger Straße
Windmühlenstraße/Emilienstraße
Ossietzkystraße/Zeumerstraße
Bornaische Straße/Prinz-Eugen-Straße
Täubchenweg/Gutenbergplatz
Lützner Straße/Endersstraße
Nürnberger Straße/Brüderstraße
Koburger Straße/Abfahrt B2
Trügerische Sicherheit
Eine Ursache für die gehäuften Unfallzahlen ist das oft trügerische Sicherheitsgefühl durch vorhandenen Radverkehrsanlagen.
„Auffällig ist, dass dies Stellen sind, an denen Radverkehrsanlagen vorhanden sind und diese in der Regel als nicht unsicher empfunden werden. Mit der Steigerung der Attraktivität des Radverkehrs durch die Schaffung von Radverkehrsanlagen und der Schließung von Lücken im Radwegenetz, die ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil der Mobilitätsstrategie der Stadt Leipzig sind, nimmt der Anteil des Radverkehrs zu.
Dieser nutzt überwiegend die vorhandenen Radverkehrsanlagen. Die Zunahme der damit verbundenen Konflikte, auch teilweise aufgrund falscher Nutzung der Radverkehrsanlagen, wirken sich nun auch hinsichtlich der erhöhten Unfallzahlen mit beteiligten Radfahrern aus“, fasst das VTA das Problem zusammen.
Aber wo liegt die Lösung?
„Der Fokus muss daher auf sichere Führungsformen in Abhängigkeit der örtlichen und baulichen Gegebenheiten gelegt werden. Jeder Knotenpunkt muss bezüglich der möglichen Lösungen zur Konfliktreduzierung einzeln betrachtet und geprüft werden. Eine gute und ausreichende Sicht des Kfz-Verkehrs auf den Radverkehr sowie eine Führung auf der Fahrbahn oder eine fahrbahnnahe Führung sind hierbei wichtige Kriterien“, schätzt das VTA ein.
„Ebenso sollten weiterhin Verkehrssicherheitskampagnen und Präventivmaßnahmen durchgeführt werden, um alle Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren und einer weiteren Steigerung der Unfallzahlen entgegenwirken zu können.“
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