In der Silvesternacht haben sich ganz bestimmt wieder viele Leipzigerinnen und Leipziger lauter Dinge fürs neue Jahr vorgenommen, von denen sie vorher schon wussten, dass sie sie nicht einhalten werden. Aber wie wäre es mal mit einem ganz simplen Vorhaben: viel öfter zu Fuß zu gehen? Das ist nicht nur gesund. Es zeigt die Stadt auch einmal von einer anderen Seite. Auch, wie menschenfreundlich sie tatsächlich ist.
Vor wenigen Jahren noch war das fast ausschließlich ein Thema des Seniorenbeirats der Stadt. Insbesondere ein wackerer Kämpfer wie CDU-Stadtrat Konrad Riedel setzte sich für das Thema ein, ärgerte sich aber Jahr für Jahr, dass die Stadt weder einen Fußverkehrsbeauftragten hatte, noch eine Strategie für den Fußverkehr.
Es hat lange gedauert, bis auch bei anderen Stadträten und in der Verwaltung der Groschen fiel. Aber inzwischen hat Leipzig beides – eine Fußverkehrsstrategie seit 2021. Und mit Friedeman Goerl auch einen Fußverkehrsbeauftragten, der dafür sorgt, dass das Thema in den Plänen der Stadt gewürdigt wird.
Querungen, Gehwege, Aufenthaltsqualität
Und in der Bürgerumfrage 2022 wurden die angefragten Leipziger eben auch gefragt, wie sie die Fußverkehrsbedingungen in der Stadt finden. Das Ergebnis ähnelt dem, das auch zum Radverkehr sichtbar wurde: Die Bedingungen sind durchwachsen bis teilweise lausig. Die jahrelange Ignoranz des Themas macht sich beim täglichen Weg durch die Stadt bemerkbar. Und: Autofahrer glauben tatsächlich, dass die Bedingungen für den Fußverkehr deutlich besser sind, als sie täglich zu Fuß Gehende erleben.
Wobei die Entfernung zum Ziel meist nicht das Problem ist: „Am zufriedensten sind die Befragten mit der Erreichbarkeit und Zugänglichkeit relevanter Zielorte (Abbildung 4–17): 67 Prozent geben an, sehr zufrieden oder eher zufrieden zu sein (2020: 74 Prozent)“, heißt es in der Auswertung der Bürgerumfrage. Das ist natürlich noch steigerbar. Aber die echten Probleme fangen ganz woanders an.
„Vier von zehn Befragten bewerten die Querungsmöglichkeiten von Straßen positiv (2020: 39 Prozent)“, formuliert es der Text in der Bürgerumfrage, dreht es geradezu ins Positive, obwohl die Grundaussage eigentlich ist: Die meisten Fußgänger fühlen sich wie an den Rand gekehrt. Denn dazu gehören auch schon die 40 Prozent, die so teils/teils zufrieden sind. Und die restlichen 21 Prozent sind deutlich unzufrieden. Eine Zahl, die man noch anders beleuchten muss. Dazu kommen wir noch.
Aber Fußgänger merken eben auch, ob man sich auf Leipzigs Straßen – zum Beispiel auch an langen Hitzetagen – überhaupt aufhalten kann. Stichwort: Aufenthaltsqualität.
„Die Aufenthaltsqualität von Straßen und Plätzen, die 2020 noch von 46 Prozent der Befragten positiv bewertet wurde, schätzen noch 36 Prozent als zufriedenstellend ein“, heißt es in der Auswertung der Bürgerumfrage. Der Wert hat sich also deutlich verschlechtert. Nicht unbedingt, weil sich Straßen und Plätze verschlechtert haben, sondern weil jedes neue Hitzejahr deutlicher zeigt, dass die Straßen und Plätze im aktuellen Zustand eigentlich keine Orte sind, an denen man sich aufhalten kann.
Wer zu Fuß geht, sieht mehr Fehlstellen
„Erneut mehrheitlich negativ bewertet wird die Qualität der Gehwege: Der Anteil der zufriedenen Befragten sinkt hier von 33 im Jahr 2020 auf 24 Prozent, der Anteil der Unzufriedenen steigt gleichzeitig auf 36 Prozent an. Die Qualität der Gehwege wird dabei besonders häufig von älteren Befragten negativ bewertet“, geht der Bericht auf die Rolle des Alters der Befragten ein.
„In den Altersgruppen der 50- bis 64-Jährigen sowie der Personen ab 65 Jahren liegt der Anteil der Zufriedenen bei 15 bzw. 13 Prozent. Im Gegensatz dazu zeigt sich ein Drittel der Befragten unter 35 Jahren zufrieden mit der Qualität der Fußwege. In ähnlichem Maße zeigen sich auch bei der Bewertung der Aufenthaltsqualität der Straßen und Plätze unterschiedliche Wahrnehmungen in den Altersgruppen, die auf unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse in Bezug auf die Gestaltung öffentlicher Räume hindeuten.“
Junge Menschen kommen mit den Bedingungen noch ganz gut zurecht – besser als die Senioren. Aber sie zeigen dasselbe Bild der Unzufriedenheit wie die Älteren. Das sollte schon zu denken geben.
Und noch etwas wird deutlich, wenn die Teilnehmer der Umfrage gefragt wurden, ob eigentlich genug für den Fußverkehr getan wird: Passionierte Fußgänger sehen die Probleme deutlicher als Leute, die ihre Wege meistens mit dem Auto zurücklegen. Auch wenn die Autoren des Beitrags davon ausgehen, dass Fußverkehr deutlich inklusiver ist als andere Verkehrsarten, denn auch Radfahrer und Autofahrer verwandeln sich am Ende ihrer Tour gezwungenermaßen meist in Fußgänger.
Trotzdem: „Mit 54 Prozent ist eine Mehrheit der Befragten (ohne nicht einschätzbar) der Meinung, dass für den Fußverkehr eher oder viel zu wenig getan wird (Radverkehr: 41 Prozent). Gleichzeitig denken jedoch nur 5 Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger, dass eher oder viel zu viel für den Fußverkehr getan wird (Radverkehr: 34 Prozent).
Seit der letzten Erhebung im Jahr 2020 hat sich das Meinungsbild zum Fußverkehr leicht verschlechtert: Vor zwei Jahren bewerteten noch 45 Prozent der Befragten die Anstrengungen als genau richtig, 52 Prozent als nicht ausreichend.“
Aber es fällt eben auch in der Grafik auf: „Personen, die für viele Wegearten überwiegend das Auto nutzen, sehen tendenziell geringere Handlungsbedarfe für den Fußverkehr. Personen, die in ihrem Mobilitätsprofil zumindest teilweise ÖPNV oder Fahrrad nutzen, weisen keine klare Tendenz auf. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der Fußverkehr für diese Mobilitätstypen zumindest komplementär eine wichtige Rolle spielt.“
Aber die Umfrage ist noch viel detaillierter. Im Konkreten wird noch deutlicher, wo es in der Leipziger Fußverkehrspolitik klemmt. Mehr dazu im nächsten Beitrag.
Keine Kommentare bisher