Das scheint jetzt zwar schon fast uralte Vergangenheit zu sein, dass im Jahr 2022 für drei Monate das 9-Euro-Ticket die Herzen der ÖPNV-Nutzer höher schlagen ließ. Aber die Gelegenheit nutzte die Stadtverwaltung eben auch, um die Leipziger direkt nach ihren Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket zu fragen. Und ein Projekt wurde beleuchtet, das im Stadtrat immer wieder debattiert wurde: Wie würde eigentlich ein 365-Euro-Ticket angenommen werden?

Das wäre ja dann ein Jahresticket nach Wiener Vorbild und wäre mit rund 30 Euro im Monat zwar teurer als das 9-Euro-Ticket, aber deutlich preiswerter als das im Mai 2023 eingeführte 49-Euro-Ticket. Wobei das 365-Euro-Ticket ja nur im Netz der LVB diskutiert wurde, nicht als ein Tarifgrenzen überschreitendes ÖPNV-Ticket für ganz Deutschland.

Aber mit dem 9-Euro-Ticket wurde eben auch erstmals ausgetestet, was ein wirklich preiswertes Ticket für den gesamten ÖPNV in Deutschland für Effekte hätte – zusätzlich zum Effekt von Spriteinsparung und damit Klimaschutz.

Und das 9-Euro-Ticket wurde in Leipzig eifrig genutzt, wie die Bürgerumfrage 2022 ergab.

Diagramm: Wie das 9-Euro-Ticket von den Leipzigern genutzt wurde. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2022
Wie das 9-Euro-Ticket von den Leipzigern genutzt wurde. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2022

Zum Vergleich wurde auch abgefragt, mit welchen Tickets die Befragten den ÖPNV in der Regel für gewöhnlich genutzt haben.

„43 Prozent der Nutzer/-innen und damit der höchste Anteil entfallen weiterhin auf Einzeltickets (2019: 51 Prozent), 35 Prozent nutzen Zeitkarten wie Abo- oder Monatskarten (2019: 31 Prozent). Von 5 auf 12 Prozent mehr als verdoppelt hat sich seither der Anteil der Handytickets, wobei zu beachten ist, dass es sich hierbei um einen Verkaufskanal handelt, über den sowohl Einzel- als auch Zeitkarten erworben werden können.

Der Anteil der Zeitkarten hängt dabei stark mit der Nutzungsfrequenz des ÖPNV zusammen und liegt zwischen 73 Prozent unter den Personen mit starker ÖPNV-Nutzung und 11 Prozent bei unregelmäßiger Nutzung“, heißt es im Bericht.

Wobei der starke Anstiegb der Abo-Nutzer eben auch davon erzählt, dass immer mehr (junge) Leipziger den ÖPNV zu ihrer Hauptmobilitätsart wählen.

Vierl-Autofahrer blieben lieber im Auto

Das 9-Euro-Ticket nahmen dann freilich auch andere Nutzer als ganz besonderes Schnäppchen mit.

„Insgesamt geben 72 Prozent der Befragten an, das 9-Euro-Ticket zumindest für einen Teil des Aktionszeitraumes erworben zu haben. Darin eingeschlossen sind diejenigen ÖPNV-Nutzer/-innen, die das Ticket im Rahmen eines bestehenden ÖPNV-Abonnements nutzen konnten. Dies trifft auf gut ein Viertel aller Nutzer/-innen des ÖPNV zu“, liest man im Bericht zur Bürgerumfrage.

„Unter den 46 Prozent der Personen, die das 9-Euro-Ticket gesondert erworben haben, gibt die Mehrheit von 63 Prozent an, das Ticket für alle drei Monate des Aktionszeitraumes erworben zu haben. 26 Prozent nutzten das Ticket lediglich für einen, 12 Prozent für zwei Monate.

Der schwächste Monat bezogen auf einzeln erworbene Tickets war demnach der Juli 2022. 87 Prozent der Leipziger/-innen unter 35 Jahren nutzten das 9-Euro-Ticket wenigstens einen Monat, wobei in dieser Altersgruppe der hohe Anteil an ÖPNV-Abonnent/-innen in der Gruppe der Studierenden (Semesterticket) ins Gewicht fällt. In den Altersgruppen über 50 Jahren liegt der Anteil der Nicht-Nutzer/-innen mit 40 bzw. 42 Prozent deutlich höher.“

Es ist sichtlich schwer, in höherem Alter noch eingeschliffene Verhaltensweisen zu ändern.

„Gegliedert nach Mobilitätstypen wird deutlich, dass selbst in der Gruppe der unregelmäßigen ÖPNV-Nutzer/-innen eine Mehrheit von 61 Prozent das 9-Euro-Ticket zumindest zeitweise in Anspruch genommen hat. Lediglich in der Gruppe der Personen mit starker Pkw-Nutzung gibt eine Mehrheit (57 Prozent) an, das Ticket zu keinem Zeitpunkt gekauft zu haben“, kann man in der Auswertung lesen.

„Dennoch war das Angebot offensichtlich in der Lage, durch den niedrigen Preis selbst in dieser ÖPNV-fernen Personengruppe 43 Prozent für den Erwerb des Tickets zu gewinnen, darunter 24 Prozent, die das Ticket für den gesamten Dreimonatszeitraum erworben haben.“

Und die Leipzigerinnen und Leipziger nutzten das 9-Euro-Ticket sogar häufiger, als eine Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) 2022 für eine bundesweite Befragung ergab: „Danach geben 57 Prozent der Befragten ohne Abo an, das Ticket für drei Monate gekauft zu haben. Für die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen ermittelt die Studie einen Anteil von 71 Prozent Ticket-Nutzer/-innen.

Auch in den Altersgruppen ab 50 Jahren liegen die Anteile der Ticketnutzer/-innen mit 34 bis 41 Prozent bundesweit niedriger als in der Stadt Leipzig. Unter den Käufern des Tickets (ohne Abo) findet sich demnach ein Personenanteil von 46 Prozent, die den ÖPNV vor dem Aktionszeitraum maximal fünf Mal pro Halbjahr genutzt haben.“

Nicht nur ein Freizeit-Ticket

Und auch das konkrete Nutzerverhalten wurde abgefragt.

„Für den Arbeitsweg wurde das Ticket von 32 Prozent der Käufer/-innen genutzt. Bundesweit liegt der entsprechende Anteil bei 35 Prozent (VDV, 2022). Die höchsten Nutzungsanteile für den Weg zur Arbeit weisen diejenigen Personen auf, die schon vor dem Aktionszeitraum starke ÖPNV-Nutzer/-innen waren und/oder eine ÖPNV-Zeitkarte besitzen. Jedoch geben immerhin drei von zehn Personen mit starker MIV-Nutzung an, das 9-Euro-Ticket für den Arbeitsweg genutzt zu haben“, so die Bürgerumfrage.

„Über die Frequenz der Nutzung des Aktionstickets für einzelne Reisezwecke ist im Rahmen des verwendeten Fragenmodells allerdings keine Aussage möglich. Dennoch scheinen die 43 Prozent der Pkw-Vielfahrer/-innen, die sich für einen Kauf des 9-Euro-Tickets entschieden haben, einer Nutzung anderer Verkehrsmittel für den Arbeitsweg zumindest probeweise offen gegenüberzustehen.“

Zur Nutzung des 9-Euro-Tickets durch die Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2022
Die Nutzung des 9-Euro-Tickets durch die Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2022

Und es hat eben auch ein paar Gewohnheiten verändert: „Insgesamt 39 Prozent der Befragten und 48 Prozent der Personen im Besitz eines 9- Euro-Tickets geben an, das Auto im Aktionszeitraum weniger als üblich genutzt zu haben. 14 Prozent der Personen ohne Ticket haben jedoch bedingt durch die Ticketeinführung verstärkt auf das Auto zurückgegriffen.

Die Fahrradnutzung sowie das Zu-Fuß-Gehen wurden dagegen augenscheinlich nur gering durch die Einführung des Aktionstickets beeinflusst. Jeweils vier von fünf Befragten geben an, dass sich ihre Nutzung der beiden Fortbewegungsformen durch das Ticket nicht geändert hat. Über alle betrachteten Gruppen hinweg zeigen sich dabei ähnlich hohe Werte.“

Das Fazit für Leipzig: „Der Aktivierungseffekt des Tickets lässt sich damit sowohl für die Stadt Leipzig als auch bundesweit nachweisen.“

Die Frage ist nur, ob es allein der Preis war, der das Ticket so attraktiv machte. Immerhin ist das 2023 eingeführte 49-Euro-Ticket nicht mehr ganz so billig, auch wenn es genauso die Nutzung des gesamten ÖPNV in Deutschland ermöglicht. 2022 wurde zwar schon über das Nachfolge-Ticket zum 9-Euro-Ticket diskutiert.

Aber damals waren die Stadtratsdebatten um ein Leipziger 365-Euro-Ticket noch aktueller. Zu diesem Ticket wurde in der Bürgerumfrage 2022 ein kleiner Vergleich angestellt. Dazu kommen wir im nächsten Beitrag.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar