Das 9-Euro-Ticket, das 2022 für drei Monate galt, hat ein bisschen mehr bewirkt, als man von einem eigentlich nur wegen der stark gestiegenen Energiepreise aufgelegten Ticket erwarten konnte. Und das hilft natürlich auch in der Debatte um künftige preiswerte ÖPNV-Abonnements in Leipzig. Wie um das 365-Euro-Ticket, das ganz bestimmt wieder auf die Tagesordnung kommt, wenn es der Bundesverkehrsminister schafft, das 49-Euro-Ticket wieder zu canceln.
Denn selbst die drei Schnuppermonate haben 2022 einige Leipzigerinnen und Leipziger davon überzeugt, künftig mehr mit Bahn und Bus zu fahren. Im Bericht zur Bürgerumfrage 2022 heißt es dazu: „In Leipzig geben 5 Prozent der Befragten an, den ÖPNV auch nach Ende der Geltungsdauer des Tickets häufiger als zuvor zu nutzen.
Bezogen auf die Personen, die das Ticket genutzt hatten, berichten 6 Prozent von einer gestiegenen Nutzung, 54 Prozent nutzen den ÖPNV ähnlich oft wie vor dem Aktionszeitraum. Nach Mobilitätstypen konzentriert sich die Mehrnutzung vor allem auf regelmäßige und starke ÖPNV-Nutzer/-innen (7 bzw. 9 Prozent), während nur 1 Prozent der starken Autonutzer/-innen den ÖPNV häufiger nutzen als vor Einführung des Aktionstickets.“
Die Senkung des Tarifs im Nahverkehr zeigt also Wirkung. Es macht zuallererst viele Nutzer flexibler, wie der Bericht zur Bürgerumfrage feststellt: „Somit hat das 9-Euro-Ticket gezeigt, dass die Verringerung der Fahrpreise im ÖPNV einen starken Einfluss auf das Mobilitätsverhalten entwickelt und zahlreiche ÖPNV-Nicht-Nutzer aktiveren konnte.
Bemerkenswert hierbei ist, dass der Umstieg auf den ÖPNV trotz des relativ kurzen Aktionszeitraumes erfolgte und damit die Flexibilität vieler Menschen in Leipzig hinsichtlich der Verkehrsmittelwahl deutlich wird.“
Aber würde ein 365-Euro-Ticket auch so funktionieren? Zum 365-Euro-Ticket wurden die Leipziger in der Bürgerumfrage 2019 befragt, sodass man die Ergebnisse gut vergleichen kann.
Mit einer Einschränkung: „Zudem zeigt sich im Vergleich zwischen dem Meinungsbild zum 365-Euro-Ticket und dem 9-Euro-Ticket, dass geäußerte subjektive Einstellungen zu potenziellem Verhalten und das tatsächlich realisierte Verhalten häufig nur schwierig möglich ist.“
Insbesondere junge Menschen zeigen Interesse
Auch Mobilität ist eine Mentalitätsfrage. Wenn man sich andere Mobilitätsarten als kompliziert, umständlich und teurer vorstellt, steigt man natürlich nicht um.
Ein 365-Euro-Ticket, wie es der Leipziger Stadtrat 2019 in den Nahverkehrsplan aufgenommen hat, hätte im Leipziger Abo-Kosmos vieles schon preiswerter und einfacher gemacht. Freilich nicht so preiswert wie das 9-Euro-Ticket.
„Obwohl das 9-Euro-Ticket von diesen Konditionen in vielerlei Hinsicht abweicht (von vornherein begrenzte Geltung, Preis von rechnerisch lediglich 0,3 EUR/Tag bei bundesweiter Geltung im Nahverkehr), bietet sich ein Abgleich des Kauf- und Nutzungsverhaltens im Sommer 2022 mit dem Meinungsbild zum 365-Euro-Ticket aus dem Jahr 2019 an“, kann man im Bericht zur Bürgerumfrage 2022 lesen.
Und der deutlich geringere Preis fürs 9-Euro-Ticket erzeugte ganz offensichtlich auch höhere Effekte.
„Für alle betrachteten Gruppen ist die reale Inanspruchnahme des 9-Euro-Tickets (jeweils inklusive Abo-Kund/-innen) deutlich höher als die 2019 geäußerte Bereitschaft zum Kauf eines 365-Euro-Tickets. Diese lag stadtweit bei 37 Prozent, während mit 72 Prozent fast doppelt so viele Leipziger/-innen das 9-Euro-Ticket genutzt haben“, heißt es im Bericht.
„Unter den Nicht-Nutzer/-innen des ÖPNV gaben 2019 5 Prozent an, ein 365-Euro-Ticket sehr wahrscheinlich, weitere 8 Prozent eher wahrscheinlich kaufen zu wollen. Dagegen konnten 30 Prozent der bisherigen ÖPNV-Nicht-Nutzer/-innen durch das Aktionsticket für die ÖPNV-Nutzung aktiviert werden.“
Es fällt aber auch auf, dass gerade die jüngste Befragtengruppe, die 18- bis 34-Jährigen, nicht nur 2019 die höchste Bereitschaft zeigte, ein 365-Euro-Abo abzuschließen, sondern 2022 auch mit 87 Prozent am stärksten das 9-Euro-Ticket nutzte. Das sind nicht nur Studierende. Auch wenn man die Werte nicht überinterpretieren darf.
Aber wer jung ist, ist in seinem Mobilitätsverhalten noch flexibler und noch nicht durch Gewohnheiten auf ein Auto festgelegt. Wenn dann auch noch wachsendes Umweltbewusstsein dazu kommt, haben Bahn und Bus eigentlich viele Vorteile, die dann durch andere Parameter (volle Bahnen, schlechte Takte, fehlende Linienverbindungen) wieder eingeschränkt werden.
Wobei gerade Autofahrer durch das 9-Euro-Ticket dazu animiert wurden, mal in die Straßenbahn oder den Zug umzusteigen. Erstaunlich konsequent blieben eingefleischte Radfahrer und Fußgänger bei ihrer Mobilitätsart. Was freilich nicht überrascht: Beide Arten sind umweltfreundlich und vor allem aktiv. Beides Pluspunkte, die immer mehr Menschen auch in der Mobilität zu schätzen wissen.
Und wie wirkt das 49-Euro-Ticket?
Ob das 49-Euro-Ticket ähnliche Effekte hat wie das 9-Euro-Ticket, werden wir mit der Auswertung der Bürgerumfrage 2023 erfahren, deren Ergebnisbericht im Herbst 2024 zu erwarten ist.
Oder mit den Worten aus dem Bericht 2022: „Die breite Forderung nach einem Folgemodell für das 9-Euro-Ticket führte zur Einführung des Deutschlandtickets ab Mai 2023, das als monatlich kündbares Abonnement zum Preis von 49 Euro ebenfalls eine bundesweite Nutzung des ÖPNV ermöglicht. Mit einem Jahrespreis von 588 Euro liegt der Preis dieses Angebots zwar weiterhin oberhalb des 365-Euro-Modells, bietet allerdings gegenüber diesem den Vorteil der bundesweiten Nutzbarkeit (wie auch beim 9-Euro-Ticket).
Die Inanspruchnahme dieses neuen Mobilitätsangebotes und seine Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten der Leipzigerinnen und Leipziger werden in der Kommunalen Bürgerumfrage 2023 prominent betrachtet werden.“
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